Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
§ 389.
A. Erwerb der Rechte. -- Anwendungen. I. Zustand der
Person an sich
.

Die neuen Gesetze, welche den Zustand der Person an
sich, insbesondere die Handlungsfähigkeit, zum Gegenstand
haben, sind hier in zwei verschiedenen Rücksichten zu er-
wägen. Erstlich wegen der denkbaren Einwirkung des
neuen Gesetzes auf die vor demselben von der betheiligten
Person vorgenommenen Rechtsgeschäfte; zweitens in Be-
ziehung auf den persönlichen Zustand selbst, der durch das
neue Gesetz beherrscht werden soll. -- Die erste Frage ist
bereits beantwortet worden (§ 388); es bleibt also nun die
zweite Frage übrig, wie ein neues, den persönlichen Zu-
stand betreffendes, Gesetz auf die zu seiner Zeit bestehenden
Rechtsverhältnisse dieser Art einwirkt, und ob dabei insbe-
sondere unser Grundsatz, der die Rückwirkung ausschließen
soll, zur Anwendung kommt.

Dieser Grundsatz findet auf den Zustand der Person
an sich nur geringe Anwendung, indem die meisten Zu-
stände dieser Art eine so abstracte Natur haben, daß sie als
erworbene Rechte nicht angesehen werden können; unter
besonderen Voraussetzungen jedoch, also ausnahmsweise,
haben wir auch hier erworbene Rechte anzuerkennen (§ 385.
d. e. f.). Nur in diesen besonderen Fällen also ist die Ein-
wirkung des neuen Gesetzes auf vorgefundene Zustände

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
§ 389.
A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen. I. Zuſtand der
Perſon an ſich
.

Die neuen Geſetze, welche den Zuſtand der Perſon an
ſich, insbeſondere die Handlungsfähigkeit, zum Gegenſtand
haben, ſind hier in zwei verſchiedenen Rückſichten zu er-
wägen. Erſtlich wegen der denkbaren Einwirkung des
neuen Geſetzes auf die vor demſelben von der betheiligten
Perſon vorgenommenen Rechtsgeſchäfte; zweitens in Be-
ziehung auf den perſönlichen Zuſtand ſelbſt, der durch das
neue Geſetz beherrſcht werden ſoll. — Die erſte Frage iſt
bereits beantwortet worden (§ 388); es bleibt alſo nun die
zweite Frage übrig, wie ein neues, den perſönlichen Zu-
ſtand betreffendes, Geſetz auf die zu ſeiner Zeit beſtehenden
Rechtsverhältniſſe dieſer Art einwirkt, und ob dabei insbe-
ſondere unſer Grundſatz, der die Rückwirkung ausſchließen
ſoll, zur Anwendung kommt.

Dieſer Grundſatz findet auf den Zuſtand der Perſon
an ſich nur geringe Anwendung, indem die meiſten Zu-
ſtände dieſer Art eine ſo abſtracte Natur haben, daß ſie als
erworbene Rechte nicht angeſehen werden können; unter
beſonderen Vorausſetzungen jedoch, alſo ausnahmsweiſe,
haben wir auch hier erworbene Rechte anzuerkennen (§ 385.
d. e. f.). Nur in dieſen beſonderen Fällen alſo iſt die Ein-
wirkung des neuen Geſetzes auf vorgefundene Zuſtände

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0436" n="414"/>
          <fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">III.</hi> Herr&#x017F;chaft der Rechtsregeln. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Zeitliche Gränzen.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§ 389.<lb/><hi rendition="#aq">A.</hi> <hi rendition="#g">Erwerb der Rechte. &#x2014; Anwendungen</hi>. <hi rendition="#aq">I.</hi> <hi rendition="#g">Zu&#x017F;tand der<lb/>
Per&#x017F;on an &#x017F;ich</hi>.</head><lb/>
            <p>Die neuen Ge&#x017F;etze, welche den Zu&#x017F;tand der Per&#x017F;on an<lb/>
&#x017F;ich, insbe&#x017F;ondere die Handlungsfähigkeit, zum Gegen&#x017F;tand<lb/>
haben, &#x017F;ind hier in zwei ver&#x017F;chiedenen Rück&#x017F;ichten zu er-<lb/>
wägen. Er&#x017F;tlich wegen der denkbaren Einwirkung des<lb/>
neuen Ge&#x017F;etzes auf die vor dem&#x017F;elben von der betheiligten<lb/>
Per&#x017F;on vorgenommenen Rechtsge&#x017F;chäfte; zweitens in Be-<lb/>
ziehung auf den per&#x017F;önlichen Zu&#x017F;tand &#x017F;elb&#x017F;t, der durch das<lb/>
neue Ge&#x017F;etz beherr&#x017F;cht werden &#x017F;oll. &#x2014; Die er&#x017F;te Frage i&#x017F;t<lb/>
bereits beantwortet worden (§ 388); es bleibt al&#x017F;o nun die<lb/>
zweite Frage übrig, wie ein neues, den per&#x017F;önlichen Zu-<lb/>
&#x017F;tand betreffendes, Ge&#x017F;etz auf die zu &#x017F;einer Zeit be&#x017F;tehenden<lb/>
Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e die&#x017F;er Art einwirkt, und ob dabei insbe-<lb/>
&#x017F;ondere un&#x017F;er Grund&#x017F;atz, der die Rückwirkung aus&#x017F;chließen<lb/>
&#x017F;oll, zur Anwendung kommt.</p><lb/>
            <p>Die&#x017F;er Grund&#x017F;atz findet auf den Zu&#x017F;tand der Per&#x017F;on<lb/>
an &#x017F;ich nur geringe Anwendung, indem die mei&#x017F;ten Zu-<lb/>
&#x017F;tände die&#x017F;er Art eine &#x017F;o ab&#x017F;tracte Natur haben, daß &#x017F;ie als<lb/>
erworbene Rechte nicht ange&#x017F;ehen werden können; unter<lb/>
be&#x017F;onderen Voraus&#x017F;etzungen jedoch, al&#x017F;o ausnahmswei&#x017F;e,<lb/>
haben wir auch hier erworbene Rechte anzuerkennen (§ 385.<lb/><hi rendition="#aq">d. e. f.</hi>). Nur in die&#x017F;en be&#x017F;onderen Fällen al&#x017F;o i&#x017F;t die Ein-<lb/>
wirkung des neuen Ge&#x017F;etzes auf vorgefundene Zu&#x017F;tände<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[414/0436] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen. § 389. A. Erwerb der Rechte. — Anwendungen. I. Zuſtand der Perſon an ſich. Die neuen Geſetze, welche den Zuſtand der Perſon an ſich, insbeſondere die Handlungsfähigkeit, zum Gegenſtand haben, ſind hier in zwei verſchiedenen Rückſichten zu er- wägen. Erſtlich wegen der denkbaren Einwirkung des neuen Geſetzes auf die vor demſelben von der betheiligten Perſon vorgenommenen Rechtsgeſchäfte; zweitens in Be- ziehung auf den perſönlichen Zuſtand ſelbſt, der durch das neue Geſetz beherrſcht werden ſoll. — Die erſte Frage iſt bereits beantwortet worden (§ 388); es bleibt alſo nun die zweite Frage übrig, wie ein neues, den perſönlichen Zu- ſtand betreffendes, Geſetz auf die zu ſeiner Zeit beſtehenden Rechtsverhältniſſe dieſer Art einwirkt, und ob dabei insbe- ſondere unſer Grundſatz, der die Rückwirkung ausſchließen ſoll, zur Anwendung kommt. Dieſer Grundſatz findet auf den Zuſtand der Perſon an ſich nur geringe Anwendung, indem die meiſten Zu- ſtände dieſer Art eine ſo abſtracte Natur haben, daß ſie als erworbene Rechte nicht angeſehen werden können; unter beſonderen Vorausſetzungen jedoch, alſo ausnahmsweiſe, haben wir auch hier erworbene Rechte anzuerkennen (§ 385. d. e. f.). Nur in dieſen beſonderen Fällen alſo iſt die Ein- wirkung des neuen Geſetzes auf vorgefundene Zuſtände

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/436
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/436>, abgerufen am 03.12.2024.