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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841.

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§. 226. Exceptionen. Form. Geschichte.
auf selbstständige Rechte desselben gegründet (§ 225.). Wenn
daher in den Justinianischen Rechtsbüchern die Lehre von
den Exceptionen großentheils mit den unveränderten Wor-
ten der alten Juristen vorgetragen wird, so darf Dieses
nicht, wie Manche wollen, als gedankenlose und blos
scheinbare Aufrechthaltung eines untergegangenen Rechts-
instituts angesehen werden. Es ist daher auch nicht rich-
tig, dem Justinianischen Recht eine wesentliche Verände-
rung der Kunstausdrücke in dieser Lehre zuschreiben zu
wollen. Selbst wenn ein minder strenger Sprachgebrauch
in Justinians eigenen Constitutionen erschiene, würde Die-
ses vielmehr aus der gesunkenen Kunstsprache überhaupt,
als aus einer veränderten Rechtsansicht über diesen be-
sonderen Gegenstand, zu erklären seyn; es werden sich aber
gewiß nur sehr wenige Stellen finden, worin Justinian
von den Exceptionen oder Präscriptionen anders redete,
als es auch schon von einem der alten Juristen hätte ge-
schehen können (o).

Es kann endlich auch Das nicht zugegeben werden,

(o) Die L. 30 C. de j. dot.
(5. 12.) gebraucht allerdings den
Ausdruck temporalis exceptio in
solcher Ausdehnung, daß darunter
selbst die Usucapion mitbegriffen
wird, also ein Fall relativer Ver-
neinung, der völlig außer dem Ge-
biet der wahren Exceptionen liegt
(§ 225.). Vgl. oben B. 4 § 178. i.
Es geschieht aber Dieses in der
Verlegenheit, alle bey einer Dos
durch Zeit möglicherweise eintre-
tende Veränderungen in kurzen
Worten zusammen zu fassen, wo-
zu allerdings ein gemeinsamer ächter
Kunstausdruck nicht vorhanden war;
die Abweichung von dem genauen
Sprachgebrauch ist also hier Noth-
hülfe für ein einzelnes Bedürfniß,
nicht Kennzeichen einer veränderten
Natur der Exceptionen.

§. 226. Exceptionen. Form. Geſchichte.
auf ſelbſtſtändige Rechte deſſelben gegründet (§ 225.). Wenn
daher in den Juſtinianiſchen Rechtsbüchern die Lehre von
den Exceptionen großentheils mit den unveränderten Wor-
ten der alten Juriſten vorgetragen wird, ſo darf Dieſes
nicht, wie Manche wollen, als gedankenloſe und blos
ſcheinbare Aufrechthaltung eines untergegangenen Rechts-
inſtituts angeſehen werden. Es iſt daher auch nicht rich-
tig, dem Juſtinianiſchen Recht eine weſentliche Verände-
rung der Kunſtausdrücke in dieſer Lehre zuſchreiben zu
wollen. Selbſt wenn ein minder ſtrenger Sprachgebrauch
in Juſtinians eigenen Conſtitutionen erſchiene, würde Die-
ſes vielmehr aus der geſunkenen Kunſtſprache überhaupt,
als aus einer veränderten Rechtsanſicht über dieſen be-
ſonderen Gegenſtand, zu erklären ſeyn; es werden ſich aber
gewiß nur ſehr wenige Stellen finden, worin Juſtinian
von den Exceptionen oder Präſcriptionen anders redete,
als es auch ſchon von einem der alten Juriſten hätte ge-
ſchehen können (o).

Es kann endlich auch Das nicht zugegeben werden,

(o) Die L. 30 C. de j. dot.
(5. 12.) gebraucht allerdings den
Ausdruck temporalis exceptio in
ſolcher Ausdehnung, daß darunter
ſelbſt die Uſucapion mitbegriffen
wird, alſo ein Fall relativer Ver-
neinung, der völlig außer dem Ge-
biet der wahren Exceptionen liegt
(§ 225.). Vgl. oben B. 4 § 178. i.
Es geſchieht aber Dieſes in der
Verlegenheit, alle bey einer Dos
durch Zeit möglicherweiſe eintre-
tende Veränderungen in kurzen
Worten zuſammen zu faſſen, wo-
zu allerdings ein gemeinſamer ächter
Kunſtausdruck nicht vorhanden war;
die Abweichung von dem genauen
Sprachgebrauch iſt alſo hier Noth-
hülfe für ein einzelnes Bedürfniß,
nicht Kennzeichen einer veränderten
Natur der Exceptionen.
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[167/0181] §. 226. Exceptionen. Form. Geſchichte. auf ſelbſtſtändige Rechte deſſelben gegründet (§ 225.). Wenn daher in den Juſtinianiſchen Rechtsbüchern die Lehre von den Exceptionen großentheils mit den unveränderten Wor- ten der alten Juriſten vorgetragen wird, ſo darf Dieſes nicht, wie Manche wollen, als gedankenloſe und blos ſcheinbare Aufrechthaltung eines untergegangenen Rechts- inſtituts angeſehen werden. Es iſt daher auch nicht rich- tig, dem Juſtinianiſchen Recht eine weſentliche Verände- rung der Kunſtausdrücke in dieſer Lehre zuſchreiben zu wollen. Selbſt wenn ein minder ſtrenger Sprachgebrauch in Juſtinians eigenen Conſtitutionen erſchiene, würde Die- ſes vielmehr aus der geſunkenen Kunſtſprache überhaupt, als aus einer veränderten Rechtsanſicht über dieſen be- ſonderen Gegenſtand, zu erklären ſeyn; es werden ſich aber gewiß nur ſehr wenige Stellen finden, worin Juſtinian von den Exceptionen oder Präſcriptionen anders redete, als es auch ſchon von einem der alten Juriſten hätte ge- ſchehen können (o). Es kann endlich auch Das nicht zugegeben werden, (o) Die L. 30 C. de j. dot. (5. 12.) gebraucht allerdings den Ausdruck temporalis exceptio in ſolcher Ausdehnung, daß darunter ſelbſt die Uſucapion mitbegriffen wird, alſo ein Fall relativer Ver- neinung, der völlig außer dem Ge- biet der wahren Exceptionen liegt (§ 225.). Vgl. oben B. 4 § 178. i. Es geſchieht aber Dieſes in der Verlegenheit, alle bey einer Dos durch Zeit möglicherweiſe eintre- tende Veränderungen in kurzen Worten zuſammen zu faſſen, wo- zu allerdings ein gemeinſamer ächter Kunſtausdruck nicht vorhanden war; die Abweichung von dem genauen Sprachgebrauch iſt alſo hier Noth- hülfe für ein einzelnes Bedürfniß, nicht Kennzeichen einer veränderten Natur der Exceptionen.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 5. Berlin, 1841, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system05_1841/181>, abgerufen am 26.04.2024.