seyn, es bleibt also gar Nichts übrig, was die Frau der Liberalität des Mannes zu verdanken hätte, und wodurch wir veranlaßt werden könnten, eine Schenkung des Man- nes zu behaupten, wie es doch hier anerkanntermaßen von Neratius geschieht; Alles, was sie nach jener Erklärung bekommt, würde sie auch bekommen, wenn der Mann sein Eigenthum nicht erfahren hätte.
XI.
Eine fernere Unterlassung, wodurch ein Ehegatte den andern bereichern kann, findet sich bey der Klagverjäh- rung. Wenn also der Mann gegen seine Frau eine Schuld- klage hat, und die Verjährung derselben wissentlich ab- laufen läßt, liegt darin etwa eine verbotene Schenkung?
Eine ausdrückliche Erklärung unsrer Rechtsquellen fin- den wir hierüber nicht. Halten wir uns blos an die Ana- logie der Usucapion, so müssen wir zuerst sagen, der Ab- lauf der Verjährung werde an sich nicht verhindert, es werde also wirklich dem Schuldner die temporalis prae- scriptio erworben. Wir müssen auch hinzufügen, es liege darin nicht einmal eine indirecte ganz sichere Bereicherung, indem hier, wie bey der Usucapion, wenn auch wirklich die Klage angestellt wurde, dennoch der Erfolg derselben ungewiß blieb. Ja es kann bey der Klagverjährung nicht einmal der Fall vorkommen, der durch Unterbrechung des Besitzes die bisher laufende Usucapion in der That stören konnte (Num. VIII.). Zur Unterstützung dieser Ansicht
Beylage IX.
ſeyn, es bleibt alſo gar Nichts übrig, was die Frau der Liberalität des Mannes zu verdanken hätte, und wodurch wir veranlaßt werden könnten, eine Schenkung des Man- nes zu behaupten, wie es doch hier anerkanntermaßen von Neratius geſchieht; Alles, was ſie nach jener Erklärung bekommt, würde ſie auch bekommen, wenn der Mann ſein Eigenthum nicht erfahren hätte.
XI.
Eine fernere Unterlaſſung, wodurch ein Ehegatte den andern bereichern kann, findet ſich bey der Klagverjäh- rung. Wenn alſo der Mann gegen ſeine Frau eine Schuld- klage hat, und die Verjährung derſelben wiſſentlich ab- laufen läßt, liegt darin etwa eine verbotene Schenkung?
Eine ausdrückliche Erklärung unſrer Rechtsquellen fin- den wir hierüber nicht. Halten wir uns blos an die Ana- logie der Uſucapion, ſo müſſen wir zuerſt ſagen, der Ab- lauf der Verjährung werde an ſich nicht verhindert, es werde alſo wirklich dem Schuldner die temporalis prae- scriptio erworben. Wir müſſen auch hinzufügen, es liege darin nicht einmal eine indirecte ganz ſichere Bereicherung, indem hier, wie bey der Uſucapion, wenn auch wirklich die Klage angeſtellt wurde, dennoch der Erfolg derſelben ungewiß blieb. Ja es kann bey der Klagverjährung nicht einmal der Fall vorkommen, der durch Unterbrechung des Beſitzes die bisher laufende Uſucapion in der That ſtören konnte (Num. VIII.). Zur Unterſtützung dieſer Anſicht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0596"n="582"/><fwplace="top"type="header">Beylage <hirendition="#aq">IX.</hi></fw><lb/>ſeyn, es bleibt alſo gar Nichts übrig, was die Frau der<lb/>
Liberalität des Mannes zu verdanken hätte, und wodurch<lb/>
wir veranlaßt werden könnten, eine Schenkung des Man-<lb/>
nes zu behaupten, wie es doch hier anerkanntermaßen von<lb/>
Neratius geſchieht; Alles, was ſie nach jener Erklärung<lb/>
bekommt, würde ſie auch bekommen, wenn der Mann ſein<lb/>
Eigenthum nicht erfahren hätte.</p></div><lb/><divn="3"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">XI.</hi></hi></head><lb/><p>Eine fernere Unterlaſſung, wodurch ein Ehegatte den<lb/>
andern bereichern kann, findet ſich bey der <hirendition="#g">Klagverjäh-<lb/>
rung</hi>. Wenn alſo der Mann gegen ſeine Frau eine Schuld-<lb/>
klage hat, und die Verjährung derſelben wiſſentlich ab-<lb/>
laufen läßt, liegt darin etwa eine verbotene Schenkung?</p><lb/><p>Eine ausdrückliche Erklärung unſrer Rechtsquellen fin-<lb/>
den wir hierüber nicht. Halten wir uns blos an die Ana-<lb/>
logie der Uſucapion, ſo müſſen wir zuerſt ſagen, der Ab-<lb/>
lauf der Verjährung werde an ſich nicht verhindert, es<lb/>
werde alſo wirklich dem Schuldner die <hirendition="#aq">temporalis prae-<lb/>
scriptio</hi> erworben. Wir müſſen auch hinzufügen, es liege<lb/>
darin nicht einmal eine indirecte ganz ſichere Bereicherung,<lb/>
indem hier, wie bey der Uſucapion, wenn auch wirklich<lb/>
die Klage angeſtellt wurde, dennoch der Erfolg derſelben<lb/>
ungewiß blieb. Ja es kann bey der Klagverjährung nicht<lb/>
einmal der Fall vorkommen, der durch Unterbrechung des<lb/>
Beſitzes die bisher laufende Uſucapion in der That ſtören<lb/>
konnte (Num. <hirendition="#aq">VIII.</hi>). Zur Unterſtützung dieſer Anſicht<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[582/0596]
Beylage IX.
ſeyn, es bleibt alſo gar Nichts übrig, was die Frau der
Liberalität des Mannes zu verdanken hätte, und wodurch
wir veranlaßt werden könnten, eine Schenkung des Man-
nes zu behaupten, wie es doch hier anerkanntermaßen von
Neratius geſchieht; Alles, was ſie nach jener Erklärung
bekommt, würde ſie auch bekommen, wenn der Mann ſein
Eigenthum nicht erfahren hätte.
XI.
Eine fernere Unterlaſſung, wodurch ein Ehegatte den
andern bereichern kann, findet ſich bey der Klagverjäh-
rung. Wenn alſo der Mann gegen ſeine Frau eine Schuld-
klage hat, und die Verjährung derſelben wiſſentlich ab-
laufen läßt, liegt darin etwa eine verbotene Schenkung?
Eine ausdrückliche Erklärung unſrer Rechtsquellen fin-
den wir hierüber nicht. Halten wir uns blos an die Ana-
logie der Uſucapion, ſo müſſen wir zuerſt ſagen, der Ab-
lauf der Verjährung werde an ſich nicht verhindert, es
werde alſo wirklich dem Schuldner die temporalis prae-
scriptio erworben. Wir müſſen auch hinzufügen, es liege
darin nicht einmal eine indirecte ganz ſichere Bereicherung,
indem hier, wie bey der Uſucapion, wenn auch wirklich
die Klage angeſtellt wurde, dennoch der Erfolg derſelben
ungewiß blieb. Ja es kann bey der Klagverjährung nicht
einmal der Fall vorkommen, der durch Unterbrechung des
Beſitzes die bisher laufende Uſucapion in der That ſtören
konnte (Num. VIII.). Zur Unterſtützung dieſer Anſicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/596>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.