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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortsetzung.)
men, und man könnte daher geneigt seyn, den in dem utile
tempus
liegenden Schutz auch auf sie anzuwenden; den-
noch muß diese Anwendung gänzlich verworfen werden,
und es wird vielmehr für das Interesse dieser Personen
auf andere Weise gesorgt, so daß die für sie wirklich ein-
tretende Schutzanstalten von dem Unterschied des utile
und continuum tempus völlig unabhängig sind. Dieses soll
nunmehr zuerst bey der Klagverjährung, dann bey der
Bonorum possessio, nachgewiesen werden.

I. Klagverjährung.

Die Unmündigen und Minderjährigen hatten im älteren
Recht gar keine Befreyung, auch nicht bey den Klagen,
deren Verjährung in einem utile tempus bestand, da bey
ihnen nie die experiundi potestas fehlte; denn für den
Unmündigen konnte der Tutor klagen (h), der Minderjäh-
rige aber konnte seine Klagen selbst anstellen. Der Schutz
also bestand: für den Unmündigen in dem Regreß gegen
den nachlässigen Vormund; für beide in der Restitution
wegen Minderjährigkeit. -- Das neuere Recht hat fol-
gende ganz abweichende Bestimmungen getroffen: der Un-
mündige ist ipso jure frey von allen Klagverjährungen,
der Minderjährige ist eben so frey von allen die weniger
als 30 Jahre dauern, gegen diese letzte schützt ihn nicht

(h) Eine merkwürdige Analo-
gie für diesen Satz findet sich in
der Tab. Heracl. Vers. 4. 5. 6.
Daselbst sind gewisse Professionen
innerhalb einer bestimmten Zahl
von Tagen vorgeschrieben. Wenn
nun die Profession einen Unmün-
digen betrifft, so ist der Vormund
an die Beobachtung der Frist ge-
bunden; das heißt, das Recht
geht verloren, wenn der Vormund
die Frist versäumt.

§. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortſetzung.)
men, und man könnte daher geneigt ſeyn, den in dem utile
tempus
liegenden Schutz auch auf ſie anzuwenden; den-
noch muß dieſe Anwendung gänzlich verworfen werden,
und es wird vielmehr für das Intereſſe dieſer Perſonen
auf andere Weiſe geſorgt, ſo daß die für ſie wirklich ein-
tretende Schutzanſtalten von dem Unterſchied des utile
und continuum tempus völlig unabhängig ſind. Dieſes ſoll
nunmehr zuerſt bey der Klagverjährung, dann bey der
Bonorum possessio, nachgewieſen werden.

I. Klagverjährung.

Die Unmündigen und Minderjährigen hatten im älteren
Recht gar keine Befreyung, auch nicht bey den Klagen,
deren Verjährung in einem utile tempus beſtand, da bey
ihnen nie die experiundi potestas fehlte; denn für den
Unmündigen konnte der Tutor klagen (h), der Minderjäh-
rige aber konnte ſeine Klagen ſelbſt anſtellen. Der Schutz
alſo beſtand: für den Unmündigen in dem Regreß gegen
den nachläſſigen Vormund; für beide in der Reſtitution
wegen Minderjährigkeit. — Das neuere Recht hat fol-
gende ganz abweichende Beſtimmungen getroffen: der Un-
mündige iſt ipso jure frey von allen Klagverjährungen,
der Minderjährige iſt eben ſo frey von allen die weniger
als 30 Jahre dauern, gegen dieſe letzte ſchützt ihn nicht

(h) Eine merkwürdige Analo-
gie für dieſen Satz findet ſich in
der Tab. Heracl. Vers. 4. 5. 6.
Daſelbſt ſind gewiſſe Profeſſionen
innerhalb einer beſtimmten Zahl
von Tagen vorgeſchrieben. Wenn
nun die Profeſſion einen Unmün-
digen betrifft, ſo iſt der Vormund
an die Beobachtung der Friſt ge-
bunden; das heißt, das Recht
geht verloren, wenn der Vormund
die Friſt verſäumt.
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[437/0451] §. 190. Zeit. 4. Utile tempus. (Fortſetzung.) men, und man könnte daher geneigt ſeyn, den in dem utile tempus liegenden Schutz auch auf ſie anzuwenden; den- noch muß dieſe Anwendung gänzlich verworfen werden, und es wird vielmehr für das Intereſſe dieſer Perſonen auf andere Weiſe geſorgt, ſo daß die für ſie wirklich ein- tretende Schutzanſtalten von dem Unterſchied des utile und continuum tempus völlig unabhängig ſind. Dieſes ſoll nunmehr zuerſt bey der Klagverjährung, dann bey der Bonorum possessio, nachgewieſen werden. I. Klagverjährung. Die Unmündigen und Minderjährigen hatten im älteren Recht gar keine Befreyung, auch nicht bey den Klagen, deren Verjährung in einem utile tempus beſtand, da bey ihnen nie die experiundi potestas fehlte; denn für den Unmündigen konnte der Tutor klagen (h), der Minderjäh- rige aber konnte ſeine Klagen ſelbſt anſtellen. Der Schutz alſo beſtand: für den Unmündigen in dem Regreß gegen den nachläſſigen Vormund; für beide in der Reſtitution wegen Minderjährigkeit. — Das neuere Recht hat fol- gende ganz abweichende Beſtimmungen getroffen: der Un- mündige iſt ipso jure frey von allen Klagverjährungen, der Minderjährige iſt eben ſo frey von allen die weniger als 30 Jahre dauern, gegen dieſe letzte ſchützt ihn nicht (h) Eine merkwürdige Analo- gie für dieſen Satz findet ſich in der Tab. Heracl. Vers. 4. 5. 6. Daſelbſt ſind gewiſſe Profeſſionen innerhalb einer beſtimmten Zahl von Tagen vorgeſchrieben. Wenn nun die Profeſſion einen Unmün- digen betrifft, ſo iſt der Vormund an die Beobachtung der Friſt ge- bunden; das heißt, das Recht geht verloren, wenn der Vormund die Friſt verſäumt.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/451>, abgerufen am 21.12.2024.