die ihrem Kind keinen Vormund erbittet, von der Strafe dieser Unterlassung (Num. XXI.) (e).
XXXI.
Frauen befinden sich in einer ganz anderen Lage als Minderjährige. Einen allgemeinen Anspruch auf Restitu- tion haben sie überhaupt nicht, also auch nicht bey Gele- genheit des Irrthums. Wenn aber der Fall, worin ihnen ein Irrthum Nachtheil gebracht hat, so gestaltet ist, daß dagegen ohnehin, und selbst Männern, Hülfe gewährt wird, dann haben die Frauen die Begünstigung, daß ihnen auch der Rechtsirrthum, nicht blos wie den Männern der facti- sche, zu gut kommen soll. Sie gehören also auch zu den Personen, quibus jus ignorare permissum est, und das ist die einzige Ähnlichkeit, die wir zwischen ihnen und den Minderjährigen annehmen können.
Jedoch ist hierin noch eine wichtige Veränderung des Rechts zu bemerken. Ursprünglich war diese Begünstigung der Frauen in Ansehung des Rechtsirrthums eben so un- beschränkt als die der Minderjährigen. K. Leo aber hob dieselbe im J. 469. als allgemeine Regel auf, und ließ sie
(e) Von solchen Fällen müssen denn auch folgende etwas unbe- stimmt beschränkende Ausdrücke verstanden werden: L. 37 § 1 de minor. (4. 4.) "utique atrocio- ribus," L. 1 C. si adv. del. (2. 35.) "Si tamen delictum non ex animo, sed extra venit ... restitutionis auxilium compe- tit." Auf die culposen Delicte im Allgemeinen kann diese mildernde Vorschrift nicht bezogen werden, da gerade bey der actio Legis Aquiliae die Restitution schlecht- hin verneint wird (Note d).
Beylage VIII.
die ihrem Kind keinen Vormund erbittet, von der Strafe dieſer Unterlaſſung (Num. XXI.) (e).
XXXI.
Frauen befinden ſich in einer ganz anderen Lage als Minderjährige. Einen allgemeinen Anſpruch auf Reſtitu- tion haben ſie überhaupt nicht, alſo auch nicht bey Gele- genheit des Irrthums. Wenn aber der Fall, worin ihnen ein Irrthum Nachtheil gebracht hat, ſo geſtaltet iſt, daß dagegen ohnehin, und ſelbſt Männern, Hülfe gewährt wird, dann haben die Frauen die Begünſtigung, daß ihnen auch der Rechtsirrthum, nicht blos wie den Männern der facti- ſche, zu gut kommen ſoll. Sie gehören alſo auch zu den Perſonen, quibus jus ignorare permissum est, und das iſt die einzige Ähnlichkeit, die wir zwiſchen ihnen und den Minderjährigen annehmen können.
Jedoch iſt hierin noch eine wichtige Veränderung des Rechts zu bemerken. Urſprünglich war dieſe Begünſtigung der Frauen in Anſehung des Rechtsirrthums eben ſo un- beſchränkt als die der Minderjährigen. K. Leo aber hob dieſelbe im J. 469. als allgemeine Regel auf, und ließ ſie
(e) Von ſolchen Fällen müſſen denn auch folgende etwas unbe- ſtimmt beſchränkende Ausdrücke verſtanden werden: L. 37 § 1 de minor. (4. 4.) „utique atrocio- ribus,” L. 1 C. si adv. del. (2. 35.) „Si tamen delictum non ex animo, sed extra venit … restitutionis auxilium compe- tit.” Auf die culpoſen Delicte im Allgemeinen kann dieſe mildernde Vorſchrift nicht bezogen werden, da gerade bey der actio Legis Aquiliae die Reſtitution ſchlecht- hin verneint wird (Note d).
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Beylage VIII.
die ihrem Kind keinen Vormund erbittet, von der Strafe
dieſer Unterlaſſung (Num. XXI.) (e).
XXXI.
Frauen befinden ſich in einer ganz anderen Lage als
Minderjährige. Einen allgemeinen Anſpruch auf Reſtitu-
tion haben ſie überhaupt nicht, alſo auch nicht bey Gele-
genheit des Irrthums. Wenn aber der Fall, worin ihnen
ein Irrthum Nachtheil gebracht hat, ſo geſtaltet iſt, daß
dagegen ohnehin, und ſelbſt Männern, Hülfe gewährt wird,
dann haben die Frauen die Begünſtigung, daß ihnen auch
der Rechtsirrthum, nicht blos wie den Männern der facti-
ſche, zu gut kommen ſoll. Sie gehören alſo auch zu den
Perſonen, quibus jus ignorare permissum est, und das iſt
die einzige Ähnlichkeit, die wir zwiſchen ihnen und den
Minderjährigen annehmen können.
Jedoch iſt hierin noch eine wichtige Veränderung des
Rechts zu bemerken. Urſprünglich war dieſe Begünſtigung
der Frauen in Anſehung des Rechtsirrthums eben ſo un-
beſchränkt als die der Minderjährigen. K. Leo aber hob
dieſelbe im J. 469. als allgemeine Regel auf, und ließ ſie
(e) Von ſolchen Fällen müſſen
denn auch folgende etwas unbe-
ſtimmt beſchränkende Ausdrücke
verſtanden werden: L. 37 § 1 de
minor. (4. 4.) „utique atrocio-
ribus,” L. 1 C. si adv. del. (2.
35.) „Si tamen delictum non
ex animo, sed extra venit …
restitutionis auxilium compe-
tit.” Auf die culpoſen Delicte im
Allgemeinen kann dieſe mildernde
Vorſchrift nicht bezogen werden,
da gerade bey der actio Legis
Aquiliae die Reſtitution ſchlecht-
hin verneint wird (Note d).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/444>, abgerufen am 22.02.2025.
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