Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Status und Capitis deminutio. XVI. A. Die Arrogation ist für den Arrogirten eine c. d., B. Die Kinder des Arrogirten erleiden eine c. d. nach (a) Einige neuere Schriftsteller, welche die Erklärung der mini- ma c. d. als einer familiae mu- tatio verwerfen, suchen dennoch die einzelne, von Paulus daraus abgeleitete, Anwendung auf die Kinder des Arrogirten aus ande- ren Gründen zu rechtfertigen. So z. B. Seckendorf de cap. dem. minima § 15, welcher dem Enkel ein minus caput in Vergleichung mit dem Sohn zuschreibt, da doch ihr gegenwärtiger Rechtszustand völlig gleich ist. Eben so Dei- ters de civili cognatione p. 41, nach welchem der Enkel ein ca- put impeditum haben soll, weil er um einen Grad weiter von der Unabhängigkeit entfernt sey; allein dieses betrifft ja nicht den gegen- wärtigen Zustand, sondern nur die Aussicht auf die Zukunft, näm- lich auf die künftige Unabhängig- keit: auch diese Aussicht ist für das Kind des Arrogirten durch die Arrogation nur möglicherweise zurückgeschoben, ja nicht einmal wahrscheinlicherweise, da im ge- wöhnlichen Lauf der Natur der Arrogator vor dem Arrogirten ster- ben wird. (b) Diese praktische Differenz
äußert sich jedoch auch nur auf beschränkte Weise. Denn daß die angeborne Agnation für die Kin- der des Arrogirten aufhört, wird auch von unsrem Standpunkt aus zugegeben, nur aus einem an- dern Grunde, nämlich weil jede Agnation nur von dem Vater ab- geleitet werden kann, so daß die Kinder stets dieselbe Agnation ha- ben müssen wie der Vater; als praktische Streitfragen blieben also noch etwa diese übrig, ob für die Kinder des Arrogirten die Schulden und die persönli- chen Servituten untergiengen, was allerdings behauptet oder verneint werden muß, je nachdem man ih- nen eine erlittene Capitis demi- nutio zuschreibt oder nicht. Status und Capitis deminutio. XVI. A. Die Arrogation iſt für den Arrogirten eine c. d., B. Die Kinder des Arrogirten erleiden eine c. d. nach (a) Einige neuere Schriftſteller, welche die Erklärung der mini- ma c. d. als einer familiae mu- tatio verwerfen, ſuchen dennoch die einzelne, von Paulus daraus abgeleitete, Anwendung auf die Kinder des Arrogirten aus ande- ren Gründen zu rechtfertigen. So z. B. Seckendorf de cap. dem. minima § 15, welcher dem Enkel ein minus caput in Vergleichung mit dem Sohn zuſchreibt, da doch ihr gegenwärtiger Rechtszuſtand völlig gleich iſt. Eben ſo Dei- ters de civili cognatione p. 41, nach welchem der Enkel ein ca- put impeditum haben ſoll, weil er um einen Grad weiter von der Unabhängigkeit entfernt ſey; allein dieſes betrifft ja nicht den gegen- wärtigen Zuſtand, ſondern nur die Ausſicht auf die Zukunft, näm- lich auf die künftige Unabhängig- keit: auch dieſe Ausſicht iſt für das Kind des Arrogirten durch die Arrogation nur möglicherweiſe zurückgeſchoben, ja nicht einmal wahrſcheinlicherweiſe, da im ge- wöhnlichen Lauf der Natur der Arrogator vor dem Arrogirten ſter- ben wird. (b) Dieſe praktiſche Differenz
äußert ſich jedoch auch nur auf beſchränkte Weiſe. Denn daß die angeborne Agnation für die Kin- der des Arrogirten aufhört, wird auch von unſrem Standpunkt aus zugegeben, nur aus einem an- dern Grunde, nämlich weil jede Agnation nur von dem Vater ab- geleitet werden kann, ſo daß die Kinder ſtets dieſelbe Agnation ha- ben müſſen wie der Vater; als praktiſche Streitfragen blieben alſo noch etwa dieſe übrig, ob für die Kinder des Arrogirten die Schulden und die perſönli- chen Servituten untergiengen, was allerdings behauptet oder verneint werden muß, je nachdem man ih- nen eine erlittene Capitis demi- nutio zuſchreibt oder nicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0507" n="493"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">Status</hi> und <hi rendition="#aq">Capitis deminutio.</hi></fw><lb/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">XVI.</hi> </hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#aq">A.</hi> Die Arrogation iſt für den Arrogirten eine <hi rendition="#aq">c. d.,</hi><lb/> und zwar nach beiden Meynungen; denn er verliert die<lb/> Rechtsfähigkeit eines Unabhängigen, und er tritt zugleich<lb/> aus ſeiner angebornen Agnation heraus.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">B.</hi> Die Kinder des Arrogirten erleiden eine <hi rendition="#aq">c. d.</hi> nach<lb/> der Meynung des Paulus, indem ſie aus ihrer Agnation<lb/> austreten: nicht nach der entgegengeſetzten Meynung, in-<lb/> dem ihre Rechtsfähigkeit unverändert bleibt <note place="foot" n="(a)">Einige neuere Schriftſteller,<lb/> welche die Erklärung der <hi rendition="#aq">mini-<lb/> ma c. d.</hi> als einer <hi rendition="#aq">familiae mu-<lb/> tatio</hi> verwerfen, ſuchen dennoch<lb/> die einzelne, von Paulus daraus<lb/> abgeleitete, Anwendung auf die<lb/> Kinder des Arrogirten aus ande-<lb/> ren Gründen zu rechtfertigen. So<lb/> z. B. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Seckendorf</hi> de cap. dem.<lb/> minima</hi> § 15, welcher dem Enkel<lb/> ein <hi rendition="#aq">minus caput</hi> in Vergleichung<lb/> mit dem Sohn zuſchreibt, da doch<lb/> ihr gegenwärtiger Rechtszuſtand<lb/> völlig gleich iſt. Eben ſo <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Dei-<lb/> ters</hi> de civili cognatione p.</hi> 41,<lb/> nach welchem der Enkel ein <hi rendition="#aq">ca-<lb/> put impeditum</hi> haben ſoll, weil<lb/> er um einen Grad weiter von der<lb/> Unabhängigkeit entfernt ſey; allein<lb/> dieſes betrifft ja nicht den gegen-<lb/> wärtigen Zuſtand, ſondern nur<lb/> die Ausſicht auf die Zukunft, näm-<lb/> lich auf die künftige Unabhängig-<lb/> keit: auch dieſe Ausſicht iſt für<lb/> das Kind des Arrogirten durch<lb/> die Arrogation nur möglicherweiſe<lb/> zurückgeſchoben, ja nicht einmal<lb/> wahrſcheinlicherweiſe, da im ge-<lb/> wöhnlichen Lauf der Natur der<lb/> Arrogator vor dem Arrogirten ſter-<lb/> ben wird.</note>. Hier zeigt<lb/> ſich alſo eine praktiſche Differenz beider Meynungen <note place="foot" n="(b)">Dieſe praktiſche Differenz<lb/> äußert ſich jedoch auch nur auf<lb/> beſchränkte Weiſe. Denn daß die<lb/> angeborne Agnation für die Kin-<lb/> der des Arrogirten aufhört, wird<lb/> auch von unſrem Standpunkt aus<lb/> zugegeben, nur aus einem an-<lb/> dern Grunde, nämlich weil jede<lb/> Agnation nur von dem Vater ab-<lb/> geleitet werden kann, ſo daß die<lb/> Kinder ſtets dieſelbe Agnation ha-<lb/> ben müſſen wie der Vater; als<lb/> praktiſche Streitfragen blieben<lb/> alſo noch etwa dieſe übrig, ob<lb/> für die Kinder des Arrogirten<lb/> die Schulden und die perſönli-<lb/> chen Servituten untergiengen, was<lb/> allerdings behauptet oder verneint<lb/> werden muß, je nachdem man ih-<lb/> nen eine erlittene <hi rendition="#aq">Capitis demi-<lb/> nutio</hi> zuſchreibt oder nicht.</note>.<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [493/0507]
Status und Capitis deminutio.
XVI.
A. Die Arrogation iſt für den Arrogirten eine c. d.,
und zwar nach beiden Meynungen; denn er verliert die
Rechtsfähigkeit eines Unabhängigen, und er tritt zugleich
aus ſeiner angebornen Agnation heraus.
B. Die Kinder des Arrogirten erleiden eine c. d. nach
der Meynung des Paulus, indem ſie aus ihrer Agnation
austreten: nicht nach der entgegengeſetzten Meynung, in-
dem ihre Rechtsfähigkeit unverändert bleibt (a). Hier zeigt
ſich alſo eine praktiſche Differenz beider Meynungen (b).
(a) Einige neuere Schriftſteller,
welche die Erklärung der mini-
ma c. d. als einer familiae mu-
tatio verwerfen, ſuchen dennoch
die einzelne, von Paulus daraus
abgeleitete, Anwendung auf die
Kinder des Arrogirten aus ande-
ren Gründen zu rechtfertigen. So
z. B. Seckendorf de cap. dem.
minima § 15, welcher dem Enkel
ein minus caput in Vergleichung
mit dem Sohn zuſchreibt, da doch
ihr gegenwärtiger Rechtszuſtand
völlig gleich iſt. Eben ſo Dei-
ters de civili cognatione p. 41,
nach welchem der Enkel ein ca-
put impeditum haben ſoll, weil
er um einen Grad weiter von der
Unabhängigkeit entfernt ſey; allein
dieſes betrifft ja nicht den gegen-
wärtigen Zuſtand, ſondern nur
die Ausſicht auf die Zukunft, näm-
lich auf die künftige Unabhängig-
keit: auch dieſe Ausſicht iſt für
das Kind des Arrogirten durch
die Arrogation nur möglicherweiſe
zurückgeſchoben, ja nicht einmal
wahrſcheinlicherweiſe, da im ge-
wöhnlichen Lauf der Natur der
Arrogator vor dem Arrogirten ſter-
ben wird.
(b) Dieſe praktiſche Differenz
äußert ſich jedoch auch nur auf
beſchränkte Weiſe. Denn daß die
angeborne Agnation für die Kin-
der des Arrogirten aufhört, wird
auch von unſrem Standpunkt aus
zugegeben, nur aus einem an-
dern Grunde, nämlich weil jede
Agnation nur von dem Vater ab-
geleitet werden kann, ſo daß die
Kinder ſtets dieſelbe Agnation ha-
ben müſſen wie der Vater; als
praktiſche Streitfragen blieben
alſo noch etwa dieſe übrig, ob
für die Kinder des Arrogirten
die Schulden und die perſönli-
chen Servituten untergiengen, was
allerdings behauptet oder verneint
werden muß, je nachdem man ih-
nen eine erlittene Capitis demi-
nutio zuſchreibt oder nicht.
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