Beylage III. Die Vitalität eines Kindes, als Bedingung seiner Rechtsfähigkeit. (Zu § 61 Note t).
Es ist eine sehr gewöhnliche Behauptung unsrer Rechts- lehrer, zur Rechtsfähigkeit eines Kindes reiche die leben- dige Geburt nicht hin, sondern es müsse noch die Le- bensfähigkeit oder Vitalität hinzu kommen. Damit aber meynen sie Folgendes. Es gebe einen gewissen Zeit- raum der Schwangerschaft, vor dessen Ablauf zwar eine lebendige Geburt zuweilen vorkomme, jedoch so, daß ein solches Kind höchstens einige Stunden oder Tage leben könne. Wegen dieser Unfähigkeit zur längeren Fortsetzung des Lebens müsse demselben alle Rechtsfähigkeit, selbst für die kurze Zeit, worin es wirklich lebe, ganz abgesprochen werden. Um diese Behauptung prüfen zu können, ist es nöthig, zuvor einen ganz anderen, dem Familienrecht an- gehörenden, Grundsatz darzustellen (a), welcher zu jener Lehre die unschuldige Veranlassung gewesen ist.
(a) Es wird also hier, zum Behuf der Untersuchung über die Vitalität, etwas vorweg abgehan- delt, dessen eigentliche Stelle erst in dem speciellen Rechtssystem, und zwar bey der Entstehung der väterlichen Gewalt, gewesen wäre.
II. 25
Beylage III. Die Vitalität eines Kindes, als Bedingung ſeiner Rechtsfähigkeit. (Zu § 61 Note t).
Es iſt eine ſehr gewöhnliche Behauptung unſrer Rechts- lehrer, zur Rechtsfähigkeit eines Kindes reiche die leben- dige Geburt nicht hin, ſondern es müſſe noch die Le- bensfähigkeit oder Vitalität hinzu kommen. Damit aber meynen ſie Folgendes. Es gebe einen gewiſſen Zeit- raum der Schwangerſchaft, vor deſſen Ablauf zwar eine lebendige Geburt zuweilen vorkomme, jedoch ſo, daß ein ſolches Kind höchſtens einige Stunden oder Tage leben könne. Wegen dieſer Unfähigkeit zur längeren Fortſetzung des Lebens müſſe demſelben alle Rechtsfähigkeit, ſelbſt für die kurze Zeit, worin es wirklich lebe, ganz abgeſprochen werden. Um dieſe Behauptung prüfen zu können, iſt es nöthig, zuvor einen ganz anderen, dem Familienrecht an- gehörenden, Grundſatz darzuſtellen (a), welcher zu jener Lehre die unſchuldige Veranlaſſung geweſen iſt.
(a) Es wird alſo hier, zum Behuf der Unterſuchung über die Vitalität, etwas vorweg abgehan- delt, deſſen eigentliche Stelle erſt in dem ſpeciellen Rechtsſyſtem, und zwar bey der Entſtehung der väterlichen Gewalt, geweſen wäre.
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Beylage III.
Die Vitalität eines Kindes, als Bedingung
ſeiner Rechtsfähigkeit.
(Zu § 61 Note t).
Es iſt eine ſehr gewöhnliche Behauptung unſrer Rechts-
lehrer, zur Rechtsfähigkeit eines Kindes reiche die leben-
dige Geburt nicht hin, ſondern es müſſe noch die Le-
bensfähigkeit oder Vitalität hinzu kommen. Damit
aber meynen ſie Folgendes. Es gebe einen gewiſſen Zeit-
raum der Schwangerſchaft, vor deſſen Ablauf zwar eine
lebendige Geburt zuweilen vorkomme, jedoch ſo, daß ein
ſolches Kind höchſtens einige Stunden oder Tage leben
könne. Wegen dieſer Unfähigkeit zur längeren Fortſetzung
des Lebens müſſe demſelben alle Rechtsfähigkeit, ſelbſt für
die kurze Zeit, worin es wirklich lebe, ganz abgeſprochen
werden. Um dieſe Behauptung prüfen zu können, iſt es
nöthig, zuvor einen ganz anderen, dem Familienrecht an-
gehörenden, Grundſatz darzuſtellen (a), welcher zu jener
Lehre die unſchuldige Veranlaſſung geweſen iſt.
(a) Es wird alſo hier, zum
Behuf der Unterſuchung über die
Vitalität, etwas vorweg abgehan-
delt, deſſen eigentliche Stelle erſt
in dem ſpeciellen Rechtsſyſtem,
und zwar bey der Entſtehung der
väterlichen Gewalt, geweſen wäre.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. [385]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/399>, abgerufen am 21.11.2024.
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