Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen.
den Einfluß derselben neuen Zustände, wiederum eigene Organe bildeten, die Gesetzgebung und die Rechtswissen- schaft, deren Natur sogleich dargestellt werden wird.
Diese Fortbildung des Rechts kann übrigens ein ganz verschiedenes Verhältniß zu dem ursprünglich vorhandenen Recht haben. Es können durch sie neue Rechtsinstitute erzeugt, oder auch die vorhandenen umgestaltet werden: ja es können diese durch sie ganz verschwinden, wenn sie dem Sinn und Bedürfniß der Zeit fremd geworden sind.
§. 8. Volk.
Die Rechtserzeugung ist hier vorläufig in das Volk, als das thätige, persönliche Subject, gesetzt worden. Die Natur dieses Subjects soll nunmehr genauer bestimmt werden.
Wenn wir in der Betrachtung des Rechtsverhältnisses von allem besonderen Inhalt desselben abstrahiren, so bleibt uns als allgemeines Wesen desselben übrig, das auf be- stimmte Weise geregelte Zusammenleben mehrerer Menschen. Es liegt nun sehr nahe, bei diesem abstracten Begriff einer Mehrheit überhaupt stehen zu bleiben, und das Recht als eine Erfindung derselben zu denken, ohne welche die äu- ßere Freiheit keines Einzelnen bestehen könnte. Allein ein solches zufälliges Zusammentreffen einer unbestimmten Menge ist eine willkührliche, aller Wahrheit ermangelnde Vorstel- lung: und fände sie sich wirklich so zusammen, so würde
Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen.
den Einfluß derſelben neuen Zuſtände, wiederum eigene Organe bildeten, die Geſetzgebung und die Rechtswiſſen- ſchaft, deren Natur ſogleich dargeſtellt werden wird.
Dieſe Fortbildung des Rechts kann übrigens ein ganz verſchiedenes Verhältniß zu dem urſprünglich vorhandenen Recht haben. Es können durch ſie neue Rechtsinſtitute erzeugt, oder auch die vorhandenen umgeſtaltet werden: ja es können dieſe durch ſie ganz verſchwinden, wenn ſie dem Sinn und Bedürfniß der Zeit fremd geworden ſind.
§. 8. Volk.
Die Rechtserzeugung iſt hier vorläufig in das Volk, als das thätige, perſönliche Subject, geſetzt worden. Die Natur dieſes Subjects ſoll nunmehr genauer beſtimmt werden.
Wenn wir in der Betrachtung des Rechtsverhältniſſes von allem beſonderen Inhalt deſſelben abſtrahiren, ſo bleibt uns als allgemeines Weſen deſſelben übrig, das auf be- ſtimmte Weiſe geregelte Zuſammenleben mehrerer Menſchen. Es liegt nun ſehr nahe, bei dieſem abſtracten Begriff einer Mehrheit überhaupt ſtehen zu bleiben, und das Recht als eine Erfindung derſelben zu denken, ohne welche die äu- ßere Freiheit keines Einzelnen beſtehen könnte. Allein ein ſolches zufälliges Zuſammentreffen einer unbeſtimmten Menge iſt eine willkührliche, aller Wahrheit ermangelnde Vorſtel- lung: und fände ſie ſich wirklich ſo zuſammen, ſo würde
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Buch I. Quellen. Kap. II. Allg. Natur der Quellen.
den Einfluß derſelben neuen Zuſtände, wiederum eigene
Organe bildeten, die Geſetzgebung und die Rechtswiſſen-
ſchaft, deren Natur ſogleich dargeſtellt werden wird.
Dieſe Fortbildung des Rechts kann übrigens ein ganz
verſchiedenes Verhältniß zu dem urſprünglich vorhandenen
Recht haben. Es können durch ſie neue Rechtsinſtitute
erzeugt, oder auch die vorhandenen umgeſtaltet werden:
ja es können dieſe durch ſie ganz verſchwinden, wenn ſie
dem Sinn und Bedürfniß der Zeit fremd geworden ſind.
§. 8.
Volk.
Die Rechtserzeugung iſt hier vorläufig in das Volk,
als das thätige, perſönliche Subject, geſetzt worden. Die
Natur dieſes Subjects ſoll nunmehr genauer beſtimmt
werden.
Wenn wir in der Betrachtung des Rechtsverhältniſſes
von allem beſonderen Inhalt deſſelben abſtrahiren, ſo bleibt
uns als allgemeines Weſen deſſelben übrig, das auf be-
ſtimmte Weiſe geregelte Zuſammenleben mehrerer Menſchen.
Es liegt nun ſehr nahe, bei dieſem abſtracten Begriff einer
Mehrheit überhaupt ſtehen zu bleiben, und das Recht als
eine Erfindung derſelben zu denken, ohne welche die äu-
ßere Freiheit keines Einzelnen beſtehen könnte. Allein ein
ſolches zufälliges Zuſammentreffen einer unbeſtimmten Menge
iſt eine willkührliche, aller Wahrheit ermangelnde Vorſtel-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/74>, abgerufen am 28.01.2025.
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