Nach dieser Erörterung ist es am gerathensten, die Vorstellungsweise des Ulpian als eine Curiosität auf sich beruhen zu lassen, und dagegen die des Gajus als die im Römischen Recht herrschende zu behandeln.
Beylage II. L. 2 C. quae sit longa consuetudo (8. 53.). (Zu § 25 Note y).
Dieses Rescript Constantins vom J. 319 lautet also: Consuetudinis ususque longaevi non vilis auctoritas est: verum non usque adeo sui valitura momento, ut aut ra- tionem vincat aut legem.
Es ist unglaublich, wie vielen Anstoß diese Stelle von jeher erregt hat, und wie viele Versuche gemacht worden sind, den Anstoß zu beseitigen. Der Sinn, der zunächst daraus hervorzugehen scheint, ist der, daß Gewohnheiten nur gelten sollen zur Ergänzung der Gesetze, aber nicht zur Abänderung oder Aufhebung derselben. Gerade dieser Sinn aber ist nach vielen Zeugnissen aus allen Zeitaltern so verwerflich (§ 25), daß wir nothwendig einen anderen aufsuchen müssen.
Zuerst nun können wir unbedenklich annehmen, daß hier nur von partikulären Gewohnheiten die Rede ist, und
minium nanciscimur jure na- turali, quod, sicut diximus, appellatur jus gentium; qua- rundam jure civili."
Beylage II.
Nach dieſer Erörterung iſt es am gerathenſten, die Vorſtellungsweiſe des Ulpian als eine Curioſität auf ſich beruhen zu laſſen, und dagegen die des Gajus als die im Roͤmiſchen Recht herrſchende zu behandeln.
Beylage II. L. 2 C. quae sit longa consuetudo (8. 53.). (Zu § 25 Note y).
Dieſes Reſcript Conſtantins vom J. 319 lautet alſo: Consuetudinis ususque longaevi non vilis auctoritas est: verum non usque adeo sui valitura momento, ut aut ra- tionem vincat aut legem.
Es iſt unglaublich, wie vielen Anſtoß dieſe Stelle von jeher erregt hat, und wie viele Verſuche gemacht worden ſind, den Anſtoß zu beſeitigen. Der Sinn, der zunächſt daraus hervorzugehen ſcheint, iſt der, daß Gewohnheiten nur gelten ſollen zur Ergänzung der Geſetze, aber nicht zur Abänderung oder Aufhebung derſelben. Gerade dieſer Sinn aber iſt nach vielen Zeugniſſen aus allen Zeitaltern ſo verwerflich (§ 25), daß wir nothwendig einen anderen aufſuchen müſſen.
Zuerſt nun können wir unbedenklich annehmen, daß hier nur von partikulären Gewohnheiten die Rede iſt, und
minium nanciscimur jure na- turali, quod, sicut diximus, appellatur jus gentium; qua- rundam jure civili.”
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Beylage II.
Nach dieſer Erörterung iſt es am gerathenſten, die
Vorſtellungsweiſe des Ulpian als eine Curioſität auf ſich
beruhen zu laſſen, und dagegen die des Gajus als die
im Roͤmiſchen Recht herrſchende zu behandeln.
Beylage II.
L. 2 C. quae sit longa consuetudo (8. 53.).
(Zu § 25 Note y).
Dieſes Reſcript Conſtantins vom J. 319 lautet alſo:
Consuetudinis ususque longaevi non vilis auctoritas est:
verum non usque adeo sui valitura momento, ut aut ra-
tionem vincat aut legem.
Es iſt unglaublich, wie vielen Anſtoß dieſe Stelle von
jeher erregt hat, und wie viele Verſuche gemacht worden
ſind, den Anſtoß zu beſeitigen. Der Sinn, der zunächſt
daraus hervorzugehen ſcheint, iſt der, daß Gewohnheiten
nur gelten ſollen zur Ergänzung der Geſetze, aber nicht
zur Abänderung oder Aufhebung derſelben. Gerade dieſer
Sinn aber iſt nach vielen Zeugniſſen aus allen Zeitaltern
ſo verwerflich (§ 25), daß wir nothwendig einen anderen
aufſuchen müſſen.
Zuerſt nun können wir unbedenklich annehmen, daß
hier nur von partikulären Gewohnheiten die Rede iſt, und
(z)
(z) minium nanciscimur jure na-
turali, quod, sicut diximus,
appellatur jus gentium; qua-
rundam jure civili.”
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/476>, abgerufen am 21.11.2024.
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