Wenn ein wissenschaftliches Gebiet, so wie das un- srige, durch die ununterbrochene Anstrengung vieler Zeitalter angebaut worden ist, so wird uns, die wir der Gegenwart angehören, der Genuß einer reichen Erb- schaft dargeboten. Es ist nicht blos die Masse der ge- wonnenen Wahrheit, die uns zufällt; auch jede ver- suchte Richtung der geistigen Kräfte, alle Bestrebungen der Vorzeit, mögen sie fruchtbar oder verfehlt seyn, kommen uns zu gut als Muster oder Warnung, und so steht es in gewissem Sinn bey uns, mit der vereinig- ten Kraft vergangener Jahrhunderte zu arbeiten. Woll- ten wir nun diesen natürlichen Vortheil unsrer Lage aus Trägheit oder Eigendünkel versäumen, wollten wir es auch nur, in oberflächlichem Verfahren, dem Zufall überlassen, wie Viel aus jener reichen Erbschaft bildend
Vorrede.
Wenn ein wiſſenſchaftliches Gebiet, ſo wie das un- ſrige, durch die ununterbrochene Anſtrengung vieler Zeitalter angebaut worden iſt, ſo wird uns, die wir der Gegenwart angehören, der Genuß einer reichen Erb- ſchaft dargeboten. Es iſt nicht blos die Maſſe der ge- wonnenen Wahrheit, die uns zufällt; auch jede ver- ſuchte Richtung der geiſtigen Kräfte, alle Beſtrebungen der Vorzeit, mögen ſie fruchtbar oder verfehlt ſeyn, kommen uns zu gut als Muſter oder Warnung, und ſo ſteht es in gewiſſem Sinn bey uns, mit der vereinig- ten Kraft vergangener Jahrhunderte zu arbeiten. Woll- ten wir nun dieſen natürlichen Vortheil unſrer Lage aus Trägheit oder Eigendünkel verſäumen, wollten wir es auch nur, in oberflächlichem Verfahren, dem Zufall überlaſſen, wie Viel aus jener reichen Erbſchaft bildend
<TEI><text><body><pbfacs="#f0015"n="[IX]"/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Vorrede</hi>.</hi></head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">W</hi>enn ein wiſſenſchaftliches Gebiet, ſo wie das un-<lb/>ſrige, durch die ununterbrochene Anſtrengung vieler<lb/>
Zeitalter angebaut worden iſt, ſo wird uns, die wir der<lb/>
Gegenwart angehören, der Genuß einer reichen Erb-<lb/>ſchaft dargeboten. Es iſt nicht blos die Maſſe der ge-<lb/>
wonnenen Wahrheit, die uns zufällt; auch jede ver-<lb/>ſuchte Richtung der geiſtigen Kräfte, alle Beſtrebungen<lb/>
der Vorzeit, mögen ſie fruchtbar oder verfehlt ſeyn,<lb/>
kommen uns zu gut als Muſter oder Warnung, und ſo<lb/>ſteht es in gewiſſem Sinn bey uns, mit der vereinig-<lb/>
ten Kraft vergangener Jahrhunderte zu arbeiten. Woll-<lb/>
ten wir nun dieſen natürlichen Vortheil unſrer Lage aus<lb/>
Trägheit oder Eigendünkel verſäumen, wollten wir es<lb/>
auch nur, in oberflächlichem Verfahren, dem Zufall<lb/>
überlaſſen, wie Viel aus jener reichen Erbſchaft bildend<lb/></p></div></body></text></TEI>
[[IX]/0015]
Vorrede.
Wenn ein wiſſenſchaftliches Gebiet, ſo wie das un-
ſrige, durch die ununterbrochene Anſtrengung vieler
Zeitalter angebaut worden iſt, ſo wird uns, die wir der
Gegenwart angehören, der Genuß einer reichen Erb-
ſchaft dargeboten. Es iſt nicht blos die Maſſe der ge-
wonnenen Wahrheit, die uns zufällt; auch jede ver-
ſuchte Richtung der geiſtigen Kräfte, alle Beſtrebungen
der Vorzeit, mögen ſie fruchtbar oder verfehlt ſeyn,
kommen uns zu gut als Muſter oder Warnung, und ſo
ſteht es in gewiſſem Sinn bey uns, mit der vereinig-
ten Kraft vergangener Jahrhunderte zu arbeiten. Woll-
ten wir nun dieſen natürlichen Vortheil unſrer Lage aus
Trägheit oder Eigendünkel verſäumen, wollten wir es
auch nur, in oberflächlichem Verfahren, dem Zufall
überlaſſen, wie Viel aus jener reichen Erbſchaft bildend
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. [IX]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/15>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.