Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.[Spaltenumbruch] Talamon war ein Sohn des Aeacus/ des Sohns Jovis/ der das Ameisen-Volck bekame/ und einer von den Höllen-Richtern worden. Wie/ im besagten sechsten Buche/ zu lesen ist. Dieser Ajax nun ist ein auserlesner Kriegs-Held vor Troja gewest/ von vortrefflicher Stärcke/ groß von Person/ und eines Haupts länger/ als alle andere Griechische Helden. Er warff den Hector/ mit einem Steine/ zur Erden/ und hieb auf ihn loß. Er/ und der andere Ajax/ widerstunden der gantzen Trojanischen [Spaltenumbruch] Macht/ und beschirmten die Griechische Schiffe. Endlich kam er in einen Zungen-Streit/ mit dem durchtriebenen Fuchs dem Ulysses/ deme er nicht wiederstehen konte; also/ daß ihm die Waffen seines Vettern Achilles abgesprochen worden. Worauf er sich selbsten/ vor Schaam getödtet/ wie aus nachfolgenden zu ersehen. Ende des zwölften Buchs. Ausleg- und Sinn-gebender Erklärung/ über die METAMORPHOSIS, oder Verwandlungs -Bücher/ Des Publius Ovidius Naso. Dreyzehendes Buch. [Spaltenumbruch]
ALhier haben wir nun den scharffen Streit/ zwischen dem Ajax und Ulysses/ um die Waffen des grossen Kriegshelden Achilles/ welche/ dem Ulysses von wegen der Tugend seiner Wolredenheit/ und nachdrucklichen Redner-Kunst zugesprochen und gegeben worden. Woraus zu sehen ist/ daß die Hertz-bewegende Wolredenheit von sehr grossem Vermögen; also daß/ dafern sie mit Weisheit und Vorsichtigkeit/ fest vereinigt/ sie allen Kriegszeug/ alle Rüstungen/ Wehr und Waffen/ alle Leibskräffte übertreffe. Dieser Ajax/ des Telamons Sohn/ war sehr groß von Gestalt und Leibs-kräfften: aber klein gnug von Vernunfft/ Muht und Gedult/ und nicht behend mit der Zunge. Ulysses dargegen nicht groß von Leibe/ sondern von Geiste/klug/ vernünfftig und wolberedt/ gedultig/ behend im Rahten/ vorsichtig in Anschlägen/ wacker/ munter auch muhtig und tapffere Thaten mit den Waffen auszurichten geschickt: Welche Gaben/ einen grossen Capitain/ oder Feld-Hauptmann gewaltig zu zieren pflegen. Die aber/ so gantz hitzig/ gächzornig und ungedultig sind/ verursachen ihnen selbsten mehrmalen den Tod und Untergang: Wie/ durch diesen starcken Ajax/ der sich selbst entleibte/ Lehrliche Auslegung/ über den Tod des Ajax. gezeiget wird. Dessen Blut verwandelte sich in eine rohte Blume/ dardurch anzudeuten/ und in Betrachtung zu stellen/ was es mit einem sterblichen Menschen sey/ als der/ ob er auch noch so groß [Spaltenumbruch] und starck von Leibe wäre/ endlich doch sterben muß; Alsdann er anders nichts/ als eine Blum auf dem Felde/ das ist/ vergänglich und hinfällig zu seyn/ erscheinet: dieweil sein Leben ein kurtzes Ziel hat/ welches er nicht überschreiten mag/ sondern/ nachdem er eine kleine Zeit alhier verdrießlich und mühsamlich gewandelt hat/ zu Erde und Staube wird; also daß er auf dieser Welt nichts hinter sich verlässt/ dann unterweilen ein blühendes/ schönes Gerüchte/ wann er seinen augenblicklichen Lauff/ mit einem tugendlichen Leben/ vollendet und beschlossen hat. Einige halten darfür/ es habe Ajax sein Wort nicht so wol/ und mit solcher Kunst vorbringen können/ unangesehen ihme sonsten diese Waffen verdiensts wegen besser/ als dem Ulysses zukommen; und folgbarlich/ von den Griechischen Herren/ unrecht geurtheilt worden sey. Worbey dann zu mercken/ daß manche gerechte Sache/ durch die Wolredenheit/verdüstert/ und ihr eine unscheinbare Gestalt gegeben: Hingegen eine böse ungerechte Sache öffters verblümt/aufgemutzt/und/ mit einem betrieglichem glimpfflichen Scheine/ heraus gestrichen/ also daß/ durch listige Wort-Krämer/ die gute wolmeinende Richter verblendet/ verleitet und betrogen werden. Da dann das gebogene Recht und Billigkeit eine Zeitlang in Betrübnus leben und trauren muß; iedoch/ durch göttliche Gunst/ endlich noch wol den Sieg erlanget und erfreuet wird/ wiewol zu bedauren ist/ daß man die unverfälschte [Spaltenumbruch] Talamon war ein Sohn des Aeacus/ des Sohns Jovis/ der das Ameisen-Volck bekame/ und einer von den Höllen-Richtern worden. Wie/ im besagten sechsten Buche/ zu lesen ist. Dieser Ajax nun ist ein auserlesner Kriegs-Held vor Troja gewest/ von vortrefflicher Stärcke/ groß von Person/ und eines Haupts länger/ als alle andere Griechische Helden. Er warff den Hector/ mit einem Steine/ zur Erden/ und hieb auf ihn loß. Er/ und der andere Ajax/ widerstunden der gantzen Trojanischen [Spaltenumbruch] Macht/ und beschirmten die Griechische Schiffe. Endlich kam er in einen Zungen-Streit/ mit dem durchtriebenen Fuchs dem Ulysses/ deme er nicht wiederstehen konte; also/ daß ihm die Waffen seines Vettern Achilles abgesprochen worden. Worauf er sich selbsten/ vor Schaam getödtet/ wie aus nachfolgenden zu ersehen. Ende des zwölften Buchs. Ausleg- und Sinn-gebender Erklärung/ über die METAMORPHOSIS, oder Verwandlungs -Bücher/ Des Publius Ovidius Naso. Dreyzehendes Buch. [Spaltenumbruch]
ALhier haben wir nun den scharffen Streit/ zwischen dem Ajax und Ulysses/ um die Waffen des grossen Kriegshelden Achilles/ welche/ dem Ulysses von wegen der Tugend seiner Wolredenheit/ und nachdrucklichen Redner-Kunst zugesprochen und gegeben worden. Woraus zu sehen ist/ daß die Hertz-bewegende Wolredenheit von sehr grossem Vermögen; also daß/ dafern sie mit Weisheit und Vorsichtigkeit/ fest vereinigt/ sie allen Kriegszeug/ alle Rüstungen/ Wehr und Waffen/ alle Leibskräffte übertreffe. Dieser Ajax/ des Telamons Sohn/ war sehr groß von Gestalt und Leibs-kräfften: aber klein gnug von Vernunfft/ Muht und Gedult/ und nicht behend mit der Zunge. Ulysses dargegen nicht groß von Leibe/ sondern von Geiste/klug/ vernünfftig und wolberedt/ gedultig/ behend im Rahten/ vorsichtig in Anschlägen/ wacker/ munter auch muhtig und tapffere Thaten mit den Waffen auszurichten geschickt: Welche Gaben/ einen grossen Capitain/ oder Feld-Hauptmann gewaltig zu zieren pflegen. Die aber/ so gantz hitzig/ gächzornig und ungedultig sind/ verursachen ihnen selbsten mehrmalen den Tod und Untergang: Wie/ durch diesen starcken Ajax/ der sich selbst entleibte/ Lehrliche Auslegung/ über den Tod des Ajax. gezeiget wird. Dessen Blut verwandelte sich in eine rohte Blume/ dardurch anzudeuten/ und in Betrachtung zu stellen/ was es mit einem sterblichen Menschen sey/ als der/ ob er auch noch so groß [Spaltenumbruch] und starck von Leibe wäre/ endlich doch sterben muß; Alsdann er anders nichts/ als eine Blum auf dem Felde/ das ist/ vergänglich und hinfällig zu seyn/ erscheinet: dieweil sein Leben ein kurtzes Ziel hat/ welches er nicht überschreiten mag/ sondern/ nachdem er eine kleine Zeit alhier verdrießlich und mühsamlich gewandelt hat/ zu Erde und Staube wird; also daß er auf dieser Welt nichts hinter sich verlässt/ dann unterweilen ein blühendes/ schönes Gerüchte/ wann er seinen augenblicklichen Lauff/ mit einem tugendlichen Leben/ vollendet und beschlossen hat. Einige halten darfür/ es habe Ajax sein Wort nicht so wol/ und mit solcher Kunst vorbringen können/ unangesehen ihme sonsten diese Waffen verdiensts wegen besser/ als dem Ulysses zukommen; und folgbarlich/ von den Griechischen Herren/ unrecht geurtheilt worden sey. Worbey dann zu mercken/ daß manche gerechte Sache/ durch die Wolredenheit/verdüstert/ und ihr eine unscheinbare Gestalt gegeben: Hingegen eine böse ungerechte Sache öffters verblümt/aufgemutzt/und/ mit einem betrieglichem glimpfflichen Scheine/ heraus gestrichen/ also daß/ durch listige Wort-Krämer/ die gute wolmeinende Richter verblendet/ verleitet und betrogen werden. Da dann das gebogene Recht und Billigkeit eine Zeitlang in Betrübnus leben und trauren muß; iedoch/ durch göttliche Gunst/ endlich noch wol den Sieg erlanget und erfreuet wird/ wiewol zu bedauren ist/ daß man die unverfälschte <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p><pb facs="#f0322" n="[Metamorphosis, S. 146]" xml:id="pb-1269"/><cb/><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3388">Talamon</persName> war ein Sohn des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3416 http://d-nb.info/gnd/12972033X http://viaf.org/viaf/65094032">Aeacus</persName>/ des Sohns <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-99 http://d-nb.info/gnd/118558897 http://viaf.org/viaf/22933410">Jovis</persName>/ der das Ameisen-Volck bekame/ und einer von den Höllen-Richtern worden. Wie/ im besagten sechsten Buche/ zu lesen ist. 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Worbey dann zu mercken/ daß manche gerechte Sache/ durch die Wolredenheit/verdüstert/ und ihr eine unscheinbare Gestalt gegeben: Hingegen eine böse ungerechte Sache öffters verblümt/aufgemutzt/und/ mit einem betrieglichem glimpfflichen Scheine/ heraus gestrichen/ also daß/ durch listige Wort-Krämer/ die gute wolmeinende Richter verblendet/ verleitet und betrogen werden. Da dann das gebogene Recht und Billigkeit eine Zeitlang in Betrübnus leben und trauren muß; iedoch/ durch göttliche Gunst/ endlich noch wol den Sieg erlanget und erfreuet wird/ wiewol zu bedauren ist/ daß man die unverfälschte </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[Metamorphosis, S. 146]/0322]
Talamon war ein Sohn des Aeacus/ des Sohns Jovis/ der das Ameisen-Volck bekame/ und einer von den Höllen-Richtern worden. Wie/ im besagten sechsten Buche/ zu lesen ist. Dieser Ajax nun ist ein auserlesner Kriegs-Held vor Troja gewest/ von vortrefflicher Stärcke/ groß von Person/ und eines Haupts länger/ als alle andere Griechische Helden. Er warff den Hector/ mit einem Steine/ zur Erden/ und hieb auf ihn loß. Er/ und der andere Ajax/ widerstunden der gantzen Trojanischen
Macht/ und beschirmten die Griechische Schiffe. Endlich kam er in einen Zungen-Streit/ mit dem durchtriebenen Fuchs dem Ulysses/ deme er nicht wiederstehen konte; also/ daß ihm die Waffen seines Vettern Achilles abgesprochen worden. Worauf er sich selbsten/ vor Schaam getödtet/ wie aus nachfolgenden zu ersehen.
Ende des zwölften Buchs.
Ausleg- und Sinn-gebender
Erklärung/
über die
METAMORPHOSIS,
oder
Verwandlungs -Bücher/
Des
Publius Ovidius Naso.
Dreyzehendes Buch.
ALhier haben wir nun den scharffen Streit/ zwischen dem Ajax und Ulysses/ um die Waffen des grossen Kriegshelden Achilles/ welche/ dem Ulysses von wegen der Tugend seiner Wolredenheit/ und nachdrucklichen Redner-Kunst zugesprochen und gegeben worden. Woraus zu sehen ist/ daß die Hertz-bewegende Wolredenheit von sehr grossem Vermögen; also daß/ dafern sie mit Weisheit und Vorsichtigkeit/ fest vereinigt/ sie allen Kriegszeug/ alle Rüstungen/ Wehr und Waffen/ alle Leibskräffte übertreffe. Dieser Ajax/ des Telamons Sohn/ war sehr groß von Gestalt und Leibs-kräfften: aber klein gnug von Vernunfft/ Muht und Gedult/ und nicht behend mit der Zunge. Ulysses dargegen nicht groß von Leibe/ sondern von Geiste/klug/ vernünfftig und wolberedt/ gedultig/ behend im Rahten/ vorsichtig in Anschlägen/ wacker/ munter auch muhtig und tapffere Thaten mit den Waffen auszurichten geschickt: Welche Gaben/ einen grossen Capitain/ oder Feld-Hauptmann gewaltig zu zieren pflegen. Die aber/ so gantz hitzig/ gächzornig und ungedultig sind/ verursachen ihnen selbsten mehrmalen den Tod und Untergang: Wie/ durch diesen starcken Ajax/ der sich selbst entleibte/ gezeiget wird. Dessen Blut verwandelte sich in eine rohte Blume/ dardurch anzudeuten/ und in Betrachtung zu stellen/ was es mit einem sterblichen Menschen sey/ als der/ ob er auch noch so groß
und starck von Leibe wäre/ endlich doch sterben muß; Alsdann er anders nichts/ als eine Blum auf dem Felde/ das ist/ vergänglich und hinfällig zu seyn/ erscheinet: dieweil sein Leben ein kurtzes Ziel hat/ welches er nicht überschreiten mag/ sondern/ nachdem er eine kleine Zeit alhier verdrießlich und mühsamlich gewandelt hat/ zu Erde und Staube wird; also daß er auf dieser Welt nichts hinter sich verlässt/ dann unterweilen ein blühendes/ schönes Gerüchte/ wann er seinen augenblicklichen Lauff/ mit einem tugendlichen Leben/ vollendet und beschlossen hat.
Lehrliche Auslegung/ über den Tod des Ajax.Einige halten darfür/ es habe Ajax sein Wort nicht so wol/ und mit solcher Kunst vorbringen können/ unangesehen ihme sonsten diese Waffen verdiensts wegen besser/ als dem Ulysses zukommen; und folgbarlich/ von den Griechischen Herren/ unrecht geurtheilt worden sey. Worbey dann zu mercken/ daß manche gerechte Sache/ durch die Wolredenheit/verdüstert/ und ihr eine unscheinbare Gestalt gegeben: Hingegen eine böse ungerechte Sache öffters verblümt/aufgemutzt/und/ mit einem betrieglichem glimpfflichen Scheine/ heraus gestrichen/ also daß/ durch listige Wort-Krämer/ die gute wolmeinende Richter verblendet/ verleitet und betrogen werden. Da dann das gebogene Recht und Billigkeit eine Zeitlang in Betrübnus leben und trauren muß; iedoch/ durch göttliche Gunst/ endlich noch wol den Sieg erlanget und erfreuet wird/ wiewol zu bedauren ist/ daß man die unverfälschte
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Zitationshilfe: | Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 146]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/322>, abgerufen am 03.03.2025. |