Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.Achtes Buch. [Spaltenumbruch]
IN diesem achten Buch kommt uns erstlich der/ vom Minos belägerte/ König Nisus vor. Da wir dann nicht/ so wol einer Erzehlung/ als verständliche Nachsinnung/ oder aber andere Lehre daraus zu ziehen/ nöhtig haben. Wollen uns dann dieses Gedichte dergestalt auslegen/ daß/ gleichwie Nisus/ innerhalb seiner Stadt Alcathoe/ von der Minos/ seines Feindes gewaltiger Heers-Krafft umringet/ belagert und bestürmt ward: also auch der Mensch/ seiner Seelen nach/ in dieser Welt umringet/ angefochten und bestritten wird von allen schnöden Gebrechen/ Untugenden und Sünden. Wann er aber/ in seinem Haupte oder Sinnen/ die/ alles übertreffende aufrichtige/ Liebe Gottes behält; gleichwie Nisus auf dem Haupt hatte das/ durch Göttliches Vorsehen/ ihm verliehene/ kräfftige Purpur-Haar/ so ihm zur Beschirmung diente/ so wird er bewahrt/ und seine Seele unbeschädigt erhalten. Dafern er aber unachtsam oder schläffrig wird/ und/ wie die Scylla gethan/ sein Gemüht beginnet zu erheben/ auf den Thurn des Hochmuhts zu steigen/ grosse Lust und Wolgefallen an dem Ohrjuckendem süssen Gethöne des eiteln Lobs und der Ehre zu haben: So fänget man an grosse Lust und Neigung zum Minos zu gewinnen/ dem man in grossem Pracht siehet/ da er sich/ mit einem schönen Federbusch/ und guldnem Schilde/ gezieret und heraus geputzt/ das ist/ man beginnet die Welt/ und dero vergängliche Lüste zu lieben/ und/ mit grossem Behagen/ auf die kurtze und vergängliche Freude/ und den gläntzenden/ ungewissen Reichthum dieser Welt zusehen. Nachdem nun der Mensch gefallen in einen tieffen Schlaff der Sünden zum Tode; wird er des köstlichen Kleinods des Purpur-Haars/ der Göttlichen Liebe/ beraubet/ und verlieret/ der Seelen nach/ seine Krone/ Herrschafft/ Reich und Leben. Dann wird Scylla/ seine Tochter/ oder sein Gemühte leichtfertig/ fleugt/ wie die Lerche/ unterweilen in die Höhe/ bekümmert sich mit göttlichen Gedancken/ und fället aber gählings wiederum herunter/ in die irrdischen Lüste/ und [Spaltenumbruch] Sorgfältigkeiten dieser Welt. Dieses heisset dann an Minos Schiff oder Schiffseegeln hangen/ oder unbeständig/ langs denen Meerswellen des unruhig oder ungestümen Meers/ dahin fliegen. Endlich kommt der fressende Adler/ oder Sperber/ der das Gemüht/ durch Zweiffel und Mistrauen/ zu verderben und zu zerreissen suchet. Scylla/ die ihres eignen Vatters und Vatterlands Verrähterin/ auch von Minos veracht und geschändet ward/ weiset/ daß alle Boßheit und Verrähterey GOtt/ und den Menschen misfällig seyn/ und gemeiniglich/ mit harter Straffe/ Verachtung und Schande belohnet werde/ also/ daß dem Verräther auch niemand günstig sey. Etliche schreiben/ daß Minos/ an statt des ihr schuldigen Dancks/ sie im Meer ersäuffen lassen/ und sie von den Meerswellen an eine Steinklippe/ bey Peloponnesus/ Scylla genennet/ getrieben worden/ auch ihr Leichnam allda so lange gelegen sey/ bis er von denen Seevögelen aufgefressen worden. Zenodotes schreibet/ daß man sie/ an dem Vordertheil des Schiffes Minos/ angebunden/ und so lange mit geschleppet/ bis sie ihren Geist aufgegeben habe. Andere sagen/ sie sey so trostloß und verzweiffelt worden/ nachdem sie sich von dem Minos verachtet gesehen/ daß sie sich endlich/ für Unmuht/ selbsten ins Meer gestürtzt und ersäuffet habe: Darauf sie dann die Götter in ein Meerwunder verwandelt/ umgeben mit grausamen Hunden/ welche sie stetig zerrissen. Einige wollen/ daß zwey Scyllen gewesen/ indem sie dieser noch eine andere/ so nicht des Nisus/ sondern Phorcis Tochter gewesen/ zuordnen: worvon wir/ im vierzehnten Buche/ handeln werden. Von der Pasiphae. PAsiphae war eine Tochter der Sonne/ und Perseis und des Minos Gemahlin/ wie wir/ im vorhergehendem Buche/ erzehlet haben. So hatte Neptunus dem Minos/ einen sehr schönen weisen Stier/ zu opffern/ gesandt/ den aber Minos behalten/ und also sein Gelübte nicht vollzogen: Achtes Buch. [Spaltenumbruch]
IN diesem achten Buch kommt uns erstlich der/ vom Minos belägerte/ König Nisus vor. Da wir dann nicht/ so wol einer Erzehlung/ als verständliche Nachsinnung/ oder aber andere Lehre daraus zu ziehen/ nöhtig haben. Wollen uns dann dieses Gedichte dergestalt auslegen/ daß/ gleichwie Nisus/ innerhalb seiner Stadt Alcathoe/ von der Minos/ seines Feindes gewaltiger Heers-Krafft umringet/ belagert und bestürmt ward: also auch der Mensch/ seiner Seelen nach/ in dieser Welt umringet/ angefochten und bestritten wird von allen schnöden Gebrechen/ Untugenden und Sünden. Wann er aber/ in seinem Haupte oder Sinnen/ die/ alles übertreffende aufrichtige/ Liebe Gottes behält; gleichwie Nisus auf dem Haupt hatte das/ durch Göttliches Vorsehen/ ihm verliehene/ kräfftige Purpur-Haar/ so ihm zur Beschirmung diente/ so wird er bewahrt/ und seine Seele unbeschädigt erhalten. Dafern er aber unachtsam oder schläffrig wird/ und/ wie die Scylla gethan/ sein Gemüht beginnet zu erheben/ auf den Thurn des Hochmuhts zu steigen/ grosse Lust und Wolgefallen an dem Ohrjuckendem süssen Gethöne des eiteln Lobs und der Ehre zu haben: So fänget man an grosse Lust und Neigung zum Minos zu gewinnen/ dem man in grossem Pracht siehet/ da er sich/ mit einem schönen Federbusch/ und guldnem Schilde/ gezieret und heraus geputzt/ das ist/ man beginnet die Welt/ und dero vergängliche Lüste zu lieben/ und/ mit grossem Behagen/ auf die kurtze und vergängliche Freude/ und den gläntzenden/ ungewissen Reichthum dieser Welt zusehen. Nachdem nun der Mensch gefallen in einen tieffen Schlaff der Sünden zum Tode; wird er des köstlichen Kleinods des Purpur-Haars/ der Göttlichen Liebe/ beraubet/ und verlieret/ der Seelen nach/ seine Krone/ Herrschafft/ Reich und Leben. Dann wird Scylla/ seine Tochter/ oder sein Gemühte leichtfertig/ fleugt/ wie die Lerche/ unterweilen in die Höhe/ bekümmert sich mit göttlichen Gedancken/ und fället aber gählings wiederum herunter/ in die irrdischen Lüste/ und [Spaltenumbruch] Sorgfältigkeiten dieser Welt. Dieses heisset dann an Minos Schiff oder Schiffseegeln hangen/ oder unbeständig/ langs denen Meerswellen des unruhig oder ungestümen Meers/ dahin fliegen. Endlich kommt der fressende Adler/ oder Sperber/ der das Gemüht/ durch Zweiffel und Mistrauen/ zu verderben und zu zerreissen suchet. Scylla/ die ihres eignen Vatters und Vatterlands Verrähterin/ auch von Minos veracht und geschändet ward/ weiset/ daß alle Boßheit und Verrähterey GOtt/ und den Menschen misfällig seyn/ und gemeiniglich/ mit harter Straffe/ Verachtung und Schande belohnet werde/ also/ daß dem Verräther auch niemand günstig sey. Etliche schreiben/ daß Minos/ an statt des ihr schuldigen Dancks/ sie im Meer ersäuffen lassen/ und sie von den Meerswellen an eine Steinklippe/ bey Peloponnesus/ Scylla genennet/ getrieben worden/ auch ihr Leichnam allda so lange gelegen sey/ bis er von denen Seevögelen aufgefressen worden. Zenodotes schreibet/ daß man sie/ an dem Vordertheil des Schiffes Minos/ angebunden/ und so lange mit geschleppet/ bis sie ihren Geist aufgegeben habe. Andere sagen/ sie sey so trostloß und verzweiffelt worden/ nachdem sie sich von dem Minos verachtet gesehen/ daß sie sich endlich/ für Unmuht/ selbsten ins Meer gestürtzt und ersäuffet habe: Darauf sie dann die Götter in ein Meerwunder verwandelt/ umgeben mit grausamen Hunden/ welche sie stetig zerrissen. Einige wollen/ daß zwey Scyllen gewesen/ indem sie dieser noch eine andere/ so nicht des Nisus/ sondern Phorcis Tochter gewesen/ zuordnen: worvon wir/ im vierzehnten Buche/ handeln werden. Von der Pasiphae. PAsiphae war eine Tochter der Sonne/ und Perseis und des Minos Gemahlin/ wie wir/ im vorhergehendem Buche/ erzehlet haben. 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Nachdem nun der Mensch gefallen in einen tieffen Schlaff der Sünden zum Tode; wird er des köstlichen Kleinods des Purpur-Haars/ der Göttlichen Liebe/ beraubet/ und verlieret/ der Seelen nach/ seine Krone/ Herrschafft/ Reich und Leben. Dann wird <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3468">Scylla</persName>/ seine Tochter/ oder sein Gemühte leichtfertig/ fleugt/ wie die Lerche/ unterweilen in die Höhe/ bekümmert sich mit göttlichen Gedancken/ und fället aber gählings wiederum herunter/ in die irrdischen Lüste/ und <cb/> Sorgfältigkeiten dieser Welt. Dieses heisset dann an <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1566 http://d-nb.info/gnd/119146487 http://viaf.org/viaf/50029271">Minos</persName> Schiff oder Schiffseegeln hangen/ oder unbeständig/ langs denen Meerswellen des unruhig oder ungestümen Meers/ dahin fliegen. 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Ausleg- und Sinn-gebender
Erklärung/
der
METAMORPHOSIS
oder
Verwandlungs-Bücher/
Des
Publius Ovidius Naso.
Achtes Buch.
IN diesem achten Buch kommt uns erstlich der/ vom Minos belägerte/ König Nisus vor. Da wir dann nicht/ so wol einer Erzehlung/ als verständliche Nachsinnung/ oder aber andere Lehre daraus zu ziehen/ nöhtig haben. Wollen uns dann dieses Gedichte dergestalt auslegen/ daß/ gleichwie Nisus/ innerhalb seiner Stadt Alcathoe/ von der Minos/ seines Feindes gewaltiger Heers-Krafft umringet/ belagert und bestürmt ward: also auch der Mensch/ seiner Seelen nach/ in dieser Welt umringet/ angefochten und bestritten wird von allen schnöden Gebrechen/ Untugenden und Sünden. Wann er aber/ in seinem Haupte oder Sinnen/ die/ alles übertreffende aufrichtige/ Liebe Gottes behält; gleichwie Nisus auf dem Haupt hatte das/ durch Göttliches Vorsehen/ ihm verliehene/ kräfftige Purpur-Haar/ so ihm zur Beschirmung diente/ so wird er bewahrt/ und seine Seele unbeschädigt erhalten. Dafern er aber unachtsam oder schläffrig wird/ und/ wie die Scylla gethan/ sein Gemüht beginnet zu erheben/ auf den Thurn des Hochmuhts zu steigen/ grosse Lust und Wolgefallen an dem Ohrjuckendem süssen Gethöne des eiteln Lobs und der Ehre zu haben: So fänget man an grosse Lust und Neigung zum Minos zu gewinnen/ dem man in grossem Pracht siehet/ da er sich/ mit einem schönen Federbusch/ und guldnem Schilde/ gezieret und heraus geputzt/ das ist/ man beginnet die Welt/ und dero vergängliche Lüste zu lieben/ und/ mit grossem Behagen/ auf die kurtze und vergängliche Freude/ und den gläntzenden/ ungewissen Reichthum dieser Welt zusehen. Nachdem nun der Mensch gefallen in einen tieffen Schlaff der Sünden zum Tode; wird er des köstlichen Kleinods des Purpur-Haars/ der Göttlichen Liebe/ beraubet/ und verlieret/ der Seelen nach/ seine Krone/ Herrschafft/ Reich und Leben. Dann wird Scylla/ seine Tochter/ oder sein Gemühte leichtfertig/ fleugt/ wie die Lerche/ unterweilen in die Höhe/ bekümmert sich mit göttlichen Gedancken/ und fället aber gählings wiederum herunter/ in die irrdischen Lüste/ und
Sorgfältigkeiten dieser Welt. Dieses heisset dann an Minos Schiff oder Schiffseegeln hangen/ oder unbeständig/ langs denen Meerswellen des unruhig oder ungestümen Meers/ dahin fliegen. Endlich kommt der fressende Adler/ oder Sperber/ der das Gemüht/ durch Zweiffel und Mistrauen/ zu verderben und zu zerreissen suchet. Scylla/ die ihres eignen Vatters und Vatterlands Verrähterin/ auch von Minos veracht und geschändet ward/ weiset/ daß alle Boßheit und Verrähterey GOtt/ und den Menschen misfällig seyn/ und gemeiniglich/ mit harter Straffe/ Verachtung und Schande belohnet werde/ also/ daß dem Verräther auch niemand günstig sey. Etliche schreiben/ daß Minos/ an statt des ihr schuldigen Dancks/ sie im Meer ersäuffen lassen/ und sie von den Meerswellen an eine Steinklippe/ bey Peloponnesus/ Scylla genennet/ getrieben worden/ auch ihr Leichnam allda so lange gelegen sey/ bis er von denen Seevögelen aufgefressen worden. Zenodotes schreibet/ daß man sie/ an dem Vordertheil des Schiffes Minos/ angebunden/ und so lange mit geschleppet/ bis sie ihren Geist aufgegeben habe. Andere sagen/ sie sey so trostloß und verzweiffelt worden/ nachdem sie sich von dem Minos verachtet gesehen/ daß sie sich endlich/ für Unmuht/ selbsten ins Meer gestürtzt und ersäuffet habe: Darauf sie dann die Götter in ein Meerwunder verwandelt/ umgeben mit grausamen Hunden/ welche sie stetig zerrissen. Einige wollen/ daß zwey Scyllen gewesen/ indem sie dieser noch eine andere/ so nicht des Nisus/ sondern Phorcis Tochter gewesen/ zuordnen: worvon wir/ im vierzehnten Buche/ handeln werden.
Von der Pasiphae.
PAsiphae war eine Tochter der Sonne/ und Perseis und des Minos Gemahlin/ wie wir/ im vorhergehendem Buche/ erzehlet haben. So hatte Neptunus dem Minos/ einen sehr schönen weisen Stier/ zu opffern/ gesandt/ den aber Minos behalten/ und also sein Gelübte nicht vollzogen:
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Zitationshilfe: | Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 97]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/273>, abgerufen am 03.03.2025. |