Gulden kosten. Ein kleines Böhmisches Kelchglas zum Tockaierwein kostet hier 17. Kreuzer.
Man hatte dem h. Nepomuk auf den Brücken jetzt wieder eine grüne Hütte von Zweigen gemacht. Vor dieser kniet das blinde Volk nieder und betet an! --
Den 17ten Mai.
Auch heute war die Witterung wieder so kalt und unfreundlich, daß die Wiener selbst über Katarrhe klagten.
Heute besah ich das Naturalienkabinet der Uni- versität. Es steht im Jesuiterkollegium, im zweiten Stock da, wo ehemals physikalische Experimente gemacht wurden. Hr. Prof. Well, ein guter Freund von Hrn. Dr. Conradi aus Oedenburg, hat es rangirt, und die Aufsicht darüber. Er ist eigentlich hier der erste Prof. Hist. Natur. vorher war er ein Apotheker, er hat es aber durch seinen Fleis weit gebracht. Er liest hier oben an grossen, schönen, offenen Plätzen, hat ein eigenes Sommer- und ein eigenes Winterauditorium, und hohlt dabei die Sachen aus den Schränken vor. Die Natura- lien sind in blauangestrichenen mit vergoldeten Leisten ge- zierten Glasschränken aufbewahrt, die in einer doppelten Reihe den langen Saal ganz hübsch hinablaufen. Hin- ten und vorn liegen Mineralien. Die Ordnung ist meist Lehmannisch. Jedes Metall ist meist von der lockern Erde da, bis zuletzt einige Praeparata kommen, als Regulus, Minium etc.
Die Thiere sind vierfüssige und Vögel ausge- stop[f]t auch in Glaskästen an der Wand. Von den er- stern sind nicht viele da, meist Glires und Mustelae.
Die
Gulden koſten. Ein kleines Boͤhmiſches Kelchglas zum Tockaierwein koſtet hier 17. Kreuzer.
Man hatte dem h. Nepomuk auf den Bruͤcken jetzt wieder eine gruͤne Huͤtte von Zweigen gemacht. Vor dieſer kniet das blinde Volk nieder und betet an! —
Den 17ten Mai.
Auch heute war die Witterung wieder ſo kalt und unfreundlich, daß die Wiener ſelbſt uͤber Katarrhe klagten.
Heute beſah ich das Naturalienkabinet der Uni- verſitaͤt. Es ſteht im Jeſuiterkollegium, im zweiten Stock da, wo ehemals phyſikaliſche Experimente gemacht wurden. Hr. Prof. Well, ein guter Freund von Hrn. Dr. Conradi aus Oedenburg, hat es rangirt, und die Aufſicht daruͤber. Er iſt eigentlich hier der erſte Prof. Hiſt. Natur. vorher war er ein Apotheker, er hat es aber durch ſeinen Fleis weit gebracht. Er lieſt hier oben an groſſen, ſchoͤnen, offenen Plaͤtzen, hat ein eigenes Sommer- und ein eigenes Winterauditorium, und hohlt dabei die Sachen aus den Schraͤnken vor. Die Natura- lien ſind in blauangeſtrichenen mit vergoldeten Leiſten ge- zierten Glasſchraͤnken aufbewahrt, die in einer doppelten Reihe den langen Saal ganz huͤbſch hinablaufen. Hin- ten und vorn liegen Mineralien. Die Ordnung iſt meiſt Lehmanniſch. Jedes Metall iſt meiſt von der lockern Erde da, bis zuletzt einige Praeparata kommen, als Regulus, Minium etc.
Die Thiere ſind vierfuͤſſige und Voͤgel ausge- ſtop[f]t auch in Glaskaͤſten an der Wand. Von den er- ſtern ſind nicht viele da, meiſt Glires und Muſtelae.
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Gulden koſten. Ein kleines Boͤhmiſches Kelchglas
zum Tockaierwein koſtet hier 17. Kreuzer.
Man hatte dem h. Nepomuk auf den Bruͤcken jetzt
wieder eine gruͤne Huͤtte von Zweigen gemacht. Vor
dieſer kniet das blinde Volk nieder und betet an! —
Den 17ten Mai.
Auch heute war die Witterung wieder ſo kalt und
unfreundlich, daß die Wiener ſelbſt uͤber Katarrhe
klagten.
Heute beſah ich das Naturalienkabinet der Uni-
verſitaͤt. Es ſteht im Jeſuiterkollegium, im zweiten
Stock da, wo ehemals phyſikaliſche Experimente gemacht
wurden. Hr. Prof. Well, ein guter Freund von Hrn.
Dr. Conradi aus Oedenburg, hat es rangirt, und
die Aufſicht daruͤber. Er iſt eigentlich hier der erſte Prof.
Hiſt. Natur. vorher war er ein Apotheker, er hat es
aber durch ſeinen Fleis weit gebracht. Er lieſt hier oben
an groſſen, ſchoͤnen, offenen Plaͤtzen, hat ein eigenes
Sommer- und ein eigenes Winterauditorium, und hohlt
dabei die Sachen aus den Schraͤnken vor. Die Natura-
lien ſind in blauangeſtrichenen mit vergoldeten Leiſten ge-
zierten Glasſchraͤnken aufbewahrt, die in einer doppelten
Reihe den langen Saal ganz huͤbſch hinablaufen. Hin-
ten und vorn liegen Mineralien. Die Ordnung iſt
meiſt Lehmanniſch. Jedes Metall iſt meiſt von der
lockern Erde da, bis zuletzt einige Praeparata kommen,
als Regulus, Minium etc.
Die Thiere ſind vierfuͤſſige und Voͤgel ausge-
ſtopft auch in Glaskaͤſten an der Wand. Von den er-
ſtern ſind nicht viele da, meiſt Glires und Muſtelae.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/632>, abgerufen am 21.11.2024.
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