Die Fremden werden hier sehr wohl aufgenommen. Ein Soldat meldete mir gleich, daß ich noch eben recht zur Komödie käme, aber Schlaf und Ruhe waren mir lieber.
Den 9ten Mai.
Esterhas. Die Nächte sind in Ungarn -- wie in allen heissen Ländern -- kalt, und doch sind die Ungri- schen Betten nur dünn, und haben oben weiter nichts, als eine schlechte leichte Decke. Ich deckte meinen Pelz darüber, und befand mich ganz gut dabei.
Mein erster Gang war in die Gärten des Fürsten, die mir beinahe lieber sind, als Prater und Augarten. Hohe Alleen wechseln mit kleinem Buschwerk ab. Die breiten Strassen, die auf das Schloß zulaufen, gehen im Walde Stundenlang fort. Jede Allee schließt ein Gebäude, ein Sonnentempel, ein Lusthaus etc. Vor vielen andern schönen Gärten hat dieser Garten schöne Springbrunnen voraus. Im Park darneben sind Fa- sanerien, Plätze für die Hirsche, für die wilden Schwei- ne etc. so daß man zur Jagd alles sehr nahe bei der Hand hat. In allen Anlagen des Gartens herrscht der neueste Englische oder Naturgemässe Geschmack. Es sind We- ge im Gebüsche, wo man gewiß von niemanden gesehen oder gehöret wird.
Weil die Vorfahren des Fürsten au den Nebellionen in Ungarn nicht Theil nahmen; so ward dieser Familie vom Kaiserlichen Hause erlaubt, eigene Soldaten zu halten, die hier und auf einer kleinen Forteresse liegen, die der Fürst zu Bewahrung des Familienschatzes auf ei- nem seiner Güter hat. Es sind 120 -- 125. Mann, ei- gene Unterthanen. Sie tragen blau und weis, sind
schöne
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Die Fremden werden hier ſehr wohl aufgenommen. Ein Soldat meldete mir gleich, daß ich noch eben recht zur Komoͤdie kaͤme, aber Schlaf und Ruhe waren mir lieber.
Den 9ten Mai.
Eſterhas. Die Naͤchte ſind in Ungarn — wie in allen heiſſen Laͤndern — kalt, und doch ſind die Ungri- ſchen Betten nur duͤnn, und haben oben weiter nichts, als eine ſchlechte leichte Decke. Ich deckte meinen Pelz daruͤber, und befand mich ganz gut dabei.
Mein erſter Gang war in die Gaͤrten des Fuͤrſten, die mir beinahe lieber ſind, als Prater und Augarten. Hohe Alleen wechſeln mit kleinem Buſchwerk ab. Die breiten Straſſen, die auf das Schloß zulaufen, gehen im Walde Stundenlang fort. Jede Allee ſchließt ein Gebaͤude, ein Sonnentempel, ein Luſthaus ꝛc. Vor vielen andern ſchoͤnen Gaͤrten hat dieſer Garten ſchoͤne Springbrunnen voraus. Im Park darneben ſind Fa- ſanerien, Plaͤtze fuͤr die Hirſche, fuͤr die wilden Schwei- ne ꝛc. ſo daß man zur Jagd alles ſehr nahe bei der Hand hat. In allen Anlagen des Gartens herrſcht der neueſte Engliſche oder Naturgemaͤſſe Geſchmack. Es ſind We- ge im Gebuͤſche, wo man gewiß von niemanden geſehen oder gehoͤret wird.
Weil die Vorfahren des Fuͤrſten au den Nebellionen in Ungarn nicht Theil nahmen; ſo ward dieſer Familie vom Kaiſerlichen Hauſe erlaubt, eigene Soldaten zu halten, die hier und auf einer kleinen Fortereſſe liegen, die der Fuͤrſt zu Bewahrung des Familienſchatzes auf ei- nem ſeiner Guͤter hat. Es ſind 120 — 125. Mann, ei- gene Unterthanen. Sie tragen blau und weis, ſind
ſchoͤne
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Die Fremden werden hier ſehr wohl aufgenommen.
Ein Soldat meldete mir gleich, daß ich noch eben recht
zur Komoͤdie kaͤme, aber Schlaf und Ruhe waren mir
lieber.
Den 9ten Mai.
Eſterhas. Die Naͤchte ſind in Ungarn — wie
in allen heiſſen Laͤndern — kalt, und doch ſind die Ungri-
ſchen Betten nur duͤnn, und haben oben weiter nichts,
als eine ſchlechte leichte Decke. Ich deckte meinen Pelz
daruͤber, und befand mich ganz gut dabei.
Mein erſter Gang war in die Gaͤrten des Fuͤrſten,
die mir beinahe lieber ſind, als Prater und Augarten.
Hohe Alleen wechſeln mit kleinem Buſchwerk ab. Die
breiten Straſſen, die auf das Schloß zulaufen, gehen
im Walde Stundenlang fort. Jede Allee ſchließt ein
Gebaͤude, ein Sonnentempel, ein Luſthaus ꝛc. Vor
vielen andern ſchoͤnen Gaͤrten hat dieſer Garten ſchoͤne
Springbrunnen voraus. Im Park darneben ſind Fa-
ſanerien, Plaͤtze fuͤr die Hirſche, fuͤr die wilden Schwei-
ne ꝛc. ſo daß man zur Jagd alles ſehr nahe bei der Hand
hat. In allen Anlagen des Gartens herrſcht der neueſte
Engliſche oder Naturgemaͤſſe Geſchmack. Es ſind We-
ge im Gebuͤſche, wo man gewiß von niemanden geſehen
oder gehoͤret wird.
Weil die Vorfahren des Fuͤrſten au den Nebellionen
in Ungarn nicht Theil nahmen; ſo ward dieſer Familie
vom Kaiſerlichen Hauſe erlaubt, eigene Soldaten zu
halten, die hier und auf einer kleinen Fortereſſe liegen,
die der Fuͤrſt zu Bewahrung des Familienſchatzes auf ei-
nem ſeiner Guͤter hat. Es ſind 120 — 125. Mann, ei-
gene Unterthanen. Sie tragen blau und weis, ſind
ſchoͤne
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/601>, abgerufen am 21.12.2024.
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