ganze Tage in seinem Lande reisen, ohne eine Spur von Kultur oder nur von mittelmässig geschliffenem Menschen- verstande zu finden. Stiermässig sind die meisten Men- schen in diesen Gegenden. Sagt man nur zu einem statt: "Gelobet sei Jesus Christ," Guten Tag, oder Guten Morgen etc. so ist der Mensch schon ganz perplex, und sieht einen gleich mit dem Ketzerrichterischen Gesicht an. Die Weibspersonen erschrecken, sehen weg, machen ein Kreuz, und die Männer antworten anfangs gar nicht mehr.
Den 13ten April.
Heute fragte man mich, ob ich die Suppe vor dem Braten oder nach dem Fleisch essen wolte?
Das Gesinde weis bei Tisch von Dr. Faust gar viel zum Gelächter zu erzählen. -- Das hören sie von ihren Pfaffen auf der Kanzel. Die, welche ich in Wirthshäusern gesehen habe, sind auch die allerunwür- digsten, unwissendsten, und schlechtesten Geschöpfe.
Ein Wirth in Tyrol, zeigte mir ein Kraut, sonst Petersschlüssel genannt, das aber zu sehr vertrocknet war, als daß ichs botanisch kennen konnte, etwa ein Sym- phytum etc. Sechs Blätter auf jeder Seite, sollten die 12. Apostel, ein fol. apice pinnatum oben solte Jes. Chr., und der Stengel der Fruktifikation sollte den Petro vom Erlöser geschenkten Schlüssel bedeuten. Ge- gen alle Hexereien, Teufeleien, und besonders wenn ein Mensch nicht sterben könnte, solte es vortreflich seyn, es wachse nur auf den höchsten Gebürgen etc. Dergleichen Dinge machen ihnen offenbar die Pfaffen weis; die Pfaffen, deren Leben Müssigang und Wohlleben ist,
statt,
ganze Tage in ſeinem Lande reiſen, ohne eine Spur von Kultur oder nur von mittelmaͤſſig geſchliffenem Menſchen- verſtande zu finden. Stiermaͤſſig ſind die meiſten Men- ſchen in dieſen Gegenden. Sagt man nur zu einem ſtatt: „Gelobet ſei Jeſus Chriſt,“ Guten Tag, oder Guten Morgen ꝛc. ſo iſt der Menſch ſchon ganz perplex, und ſieht einen gleich mit dem Ketzerrichteriſchen Geſicht an. Die Weibsperſonen erſchrecken, ſehen weg, machen ein Kreuz, und die Maͤnner antworten anfangs gar nicht mehr.
Den 13ten April.
Heute fragte man mich, ob ich die Suppe vor dem Braten oder nach dem Fleiſch eſſen wolte?
Das Geſinde weis bei Tiſch von Dr. Fauſt gar viel zum Gelaͤchter zu erzaͤhlen. — Das hoͤren ſie von ihren Pfaffen auf der Kanzel. Die, welche ich in Wirthshaͤuſern geſehen habe, ſind auch die allerunwuͤr- digſten, unwiſſendſten, und ſchlechteſten Geſchoͤpfe.
Ein Wirth in Tyrol, zeigte mir ein Kraut, ſonſt Petersſchluͤſſel genannt, das aber zu ſehr vertrocknet war, als daß ichs botaniſch kennen konnte, etwa ein Sym- phytum etc. Sechs Blaͤtter auf jeder Seite, ſollten die 12. Apoſtel, ein fol. apice pinnatum oben ſolte Jeſ. Chr., und der Stengel der Fruktifikation ſollte den Petro vom Erloͤſer geſchenkten Schluͤſſel bedeuten. Ge- gen alle Hexereien, Teufeleien, und beſonders wenn ein Menſch nicht ſterben koͤnnte, ſolte es vortreflich ſeyn, es wachſe nur auf den hoͤchſten Gebuͤrgen ꝛc. Dergleichen Dinge machen ihnen offenbar die Pfaffen weis; die Pfaffen, deren Leben Muͤſſigang und Wohlleben iſt,
ſtatt,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0496"n="458"/>
ganze Tage in ſeinem Lande reiſen, ohne eine Spur von<lb/>
Kultur oder nur von mittelmaͤſſig geſchliffenem Menſchen-<lb/>
verſtande zu finden. Stiermaͤſſig ſind die meiſten Men-<lb/>ſchen in dieſen Gegenden. Sagt man nur zu einem<lb/>ſtatt: „Gelobet ſei Jeſus Chriſt,“ Guten Tag, oder<lb/>
Guten Morgen ꝛc. ſo iſt der Menſch ſchon ganz perplex,<lb/>
und ſieht einen gleich mit dem Ketzerrichteriſchen Geſicht<lb/>
an. Die Weibsperſonen erſchrecken, ſehen weg, machen<lb/>
ein Kreuz, und die Maͤnner antworten anfangs gar nicht<lb/>
mehr.</p></div><lb/><divn="3"><head>Den 13ten April.</head><lb/><p>Heute fragte man mich, ob ich die <hirendition="#fr">Suppe</hi> vor<lb/>
dem Braten oder nach dem Fleiſch eſſen wolte?</p><lb/><p>Das <hirendition="#fr">Geſinde</hi> weis bei Tiſch von Dr. <hirendition="#fr">Fauſt</hi> gar<lb/>
viel zum Gelaͤchter zu erzaͤhlen. — Das hoͤren ſie von<lb/>
ihren Pfaffen auf der Kanzel. Die, welche ich in<lb/>
Wirthshaͤuſern geſehen habe, ſind auch die allerunwuͤr-<lb/>
digſten, unwiſſendſten, und ſchlechteſten Geſchoͤpfe.</p><lb/><p>Ein Wirth in <hirendition="#fr">Tyrol,</hi> zeigte mir ein <hirendition="#fr">Kraut,</hi>ſonſt<lb/><hirendition="#fr">Petersſchluͤſſel</hi> genannt, das aber zu ſehr vertrocknet<lb/>
war, als daß ichs botaniſch kennen konnte, etwa ein <hirendition="#aq">Sym-<lb/>
phytum etc.</hi> Sechs Blaͤtter auf jeder Seite, ſollten<lb/>
die 12. Apoſtel, ein <hirendition="#aq">fol. apice pinnatum</hi> oben ſolte<lb/><hirendition="#fr">Jeſ. Chr.,</hi> und der Stengel der Fruktifikation ſollte den<lb/><hirendition="#fr">Petro</hi> vom Erloͤſer geſchenkten Schluͤſſel bedeuten. Ge-<lb/>
gen alle Hexereien, Teufeleien, und beſonders wenn ein<lb/>
Menſch nicht ſterben koͤnnte, ſolte es vortreflich ſeyn, es<lb/>
wachſe nur auf den hoͤchſten Gebuͤrgen ꝛc. Dergleichen<lb/>
Dinge machen ihnen offenbar die Pfaffen weis; die<lb/>
Pfaffen, deren Leben Muͤſſigang und Wohlleben iſt,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſtatt,</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[458/0496]
ganze Tage in ſeinem Lande reiſen, ohne eine Spur von
Kultur oder nur von mittelmaͤſſig geſchliffenem Menſchen-
verſtande zu finden. Stiermaͤſſig ſind die meiſten Men-
ſchen in dieſen Gegenden. Sagt man nur zu einem
ſtatt: „Gelobet ſei Jeſus Chriſt,“ Guten Tag, oder
Guten Morgen ꝛc. ſo iſt der Menſch ſchon ganz perplex,
und ſieht einen gleich mit dem Ketzerrichteriſchen Geſicht
an. Die Weibsperſonen erſchrecken, ſehen weg, machen
ein Kreuz, und die Maͤnner antworten anfangs gar nicht
mehr.
Den 13ten April.
Heute fragte man mich, ob ich die Suppe vor
dem Braten oder nach dem Fleiſch eſſen wolte?
Das Geſinde weis bei Tiſch von Dr. Fauſt gar
viel zum Gelaͤchter zu erzaͤhlen. — Das hoͤren ſie von
ihren Pfaffen auf der Kanzel. Die, welche ich in
Wirthshaͤuſern geſehen habe, ſind auch die allerunwuͤr-
digſten, unwiſſendſten, und ſchlechteſten Geſchoͤpfe.
Ein Wirth in Tyrol, zeigte mir ein Kraut, ſonſt
Petersſchluͤſſel genannt, das aber zu ſehr vertrocknet
war, als daß ichs botaniſch kennen konnte, etwa ein Sym-
phytum etc. Sechs Blaͤtter auf jeder Seite, ſollten
die 12. Apoſtel, ein fol. apice pinnatum oben ſolte
Jeſ. Chr., und der Stengel der Fruktifikation ſollte den
Petro vom Erloͤſer geſchenkten Schluͤſſel bedeuten. Ge-
gen alle Hexereien, Teufeleien, und beſonders wenn ein
Menſch nicht ſterben koͤnnte, ſolte es vortreflich ſeyn, es
wachſe nur auf den hoͤchſten Gebuͤrgen ꝛc. Dergleichen
Dinge machen ihnen offenbar die Pfaffen weis; die
Pfaffen, deren Leben Muͤſſigang und Wohlleben iſt,
ſtatt,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/496>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.