denn die Gänge streichen nicht horizontal, sie sinken gera- de hinab, aber nicht tief genug, und unten ist alles voll Felsen. An vielen Orten ist nur die allerdünnste Kruste von schwarzer Erde, und gleich darunter kömmt der härteste Fels. 4) Um Birkenfeld herum gibt es eine Art Kalkstein, die im Feuer nicht recht aufgehen will, und zum Bauen nicht viel ausgibt.
Den 8ten Sept.
Heute Vormittag beschäftigte ich mich mit Untersu- chung der Amphybien und Insekten dieser Gegend, und fand: -- eine Art Eidechsen, mit vergoldetem Rücken, und grauweissen Streifen an den Seiten. -- eine Menge Raupen auf den Bäumen, die jetzt erst ausgeschlupft waren. -- junge Frösche, die ihren kaularschen Schwanz noch hatten, wiewohl die Hinter- füsse schon alle beide völlig ausgebildet waren. -- Dann setzte ich meinen Stab weiter und kam nach
Kyrn, dem Residenzstädtchen des Fürsten Johann des XII. von Salm-Kyrburg, eine Stunde von Naumburg gelegen. Dieser Fürst hat lange in den grösten Zirkeln in Wien gelebt, denkt aber philosophisch, hat sich jetzt zurückgezogen, wohnt in einem Privathause, hat sehr wenig Bediente, und fast gar keine Wache, ist die Güte und Milde selbst, schenkt seinen Unterthanen mehr, als er von ihnen nimmt, und beschäftigt sich im hohen Alter blos mit sich und dem Glücke seiner Bürger. Seine Kleidung ist simpel, seine Tafel wird mit den Fi- schen, Krebsen, Hämmeln, und Gewächsen des Landes besetzt. Seine Lektüre sind blos die Zeitungen. -- Er liebt das Zudringen der Fremden nicht, er spielt nicht,
und
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denn die Gaͤnge ſtreichen nicht horizontal, ſie ſinken gera- de hinab, aber nicht tief genug, und unten iſt alles voll Felſen. An vielen Orten iſt nur die allerduͤnnſte Kruſte von ſchwarzer Erde, und gleich darunter koͤmmt der haͤrteſte Fels. 4) Um Birkenfeld herum gibt es eine Art Kalkſtein, die im Feuer nicht recht aufgehen will, und zum Bauen nicht viel ausgibt.
Den 8ten Sept.
Heute Vormittag beſchaͤftigte ich mich mit Unterſu- chung der Amphybien und Inſekten dieſer Gegend, und fand: — eine Art Eidechſen, mit vergoldetem Ruͤcken, und grauweiſſen Streifen an den Seiten. — eine Menge Raupen auf den Baͤumen, die jetzt erſt ausgeſchlupft waren. — junge Froͤſche, die ihren kaularſchen Schwanz noch hatten, wiewohl die Hinter- fuͤſſe ſchon alle beide voͤllig ausgebildet waren. — Dann ſetzte ich meinen Stab weiter und kam nach
Kyrn, dem Reſidenzſtaͤdtchen des Fuͤrſten Johann des XII. von Salm-Kyrburg, eine Stunde von Naumburg gelegen. Dieſer Fuͤrſt hat lange in den groͤſten Zirkeln in Wien gelebt, denkt aber philoſophiſch, hat ſich jetzt zuruͤckgezogen, wohnt in einem Privathauſe, hat ſehr wenig Bediente, und faſt gar keine Wache, iſt die Guͤte und Milde ſelbſt, ſchenkt ſeinen Unterthanen mehr, als er von ihnen nimmt, und beſchaͤftigt ſich im hohen Alter blos mit ſich und dem Gluͤcke ſeiner Buͤrger. Seine Kleidung iſt ſimpel, ſeine Tafel wird mit den Fi- ſchen, Krebſen, Haͤmmeln, und Gewaͤchſen des Landes beſetzt. Seine Lektuͤre ſind blos die Zeitungen. — Er liebt das Zudringen der Fremden nicht, er ſpielt nicht,
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denn die Gaͤnge ſtreichen nicht horizontal, ſie ſinken gera-
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voll Felſen. An vielen Orten iſt nur die allerduͤnnſte
Kruſte von ſchwarzer Erde, und gleich darunter koͤmmt
der haͤrteſte Fels. 4) Um Birkenfeld herum gibt es
eine Art Kalkſtein, die im Feuer nicht recht aufgehen
will, und zum Bauen nicht viel ausgibt.
Den 8ten Sept.
Heute Vormittag beſchaͤftigte ich mich mit Unterſu-
chung der Amphybien und Inſekten dieſer Gegend,
und fand: — eine Art Eidechſen, mit vergoldetem
Ruͤcken, und grauweiſſen Streifen an den Seiten. —
eine Menge Raupen auf den Baͤumen, die jetzt erſt
ausgeſchlupft waren. — junge Froͤſche, die ihren
kaularſchen Schwanz noch hatten, wiewohl die Hinter-
fuͤſſe ſchon alle beide voͤllig ausgebildet waren. — Dann
ſetzte ich meinen Stab weiter und kam nach
Kyrn, dem Reſidenzſtaͤdtchen des Fuͤrſten Johann
des XII. von Salm-Kyrburg, eine Stunde von
Naumburg gelegen. Dieſer Fuͤrſt hat lange in den
groͤſten Zirkeln in Wien gelebt, denkt aber philoſophiſch,
hat ſich jetzt zuruͤckgezogen, wohnt in einem Privathauſe,
hat ſehr wenig Bediente, und faſt gar keine Wache, iſt
die Guͤte und Milde ſelbſt, ſchenkt ſeinen Unterthanen
mehr, als er von ihnen nimmt, und beſchaͤftigt ſich im
hohen Alter blos mit ſich und dem Gluͤcke ſeiner Buͤrger.
Seine Kleidung iſt ſimpel, ſeine Tafel wird mit den Fi-
ſchen, Krebſen, Haͤmmeln, und Gewaͤchſen des Landes
beſetzt. Seine Lektuͤre ſind blos die Zeitungen. — Er
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 625. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/649>, abgerufen am 21.11.2024.
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