machte. Man glaubt aber nicht wie dickroth sich Manns- und Weibspersonen anstreichen.
Den 20sten Jun.
Das häsliche Wetter verdarb mir wieder die botani- sche Excursion, im Jardin Royal. Es regnete heute wie ichs noch nie gesehen habe, und gestern war die Hitze gegen Abend ganz erschrecklich. Und kaum regnets eine Stunde, so ist Paris der allerhäslichste Ort in der Welt. Alle Gossenwasser laufen über, spülen den Koth aus allen Löchern, schlemmen ihn von den Bergen, dergleichen vie- le in der Stadt sind, aus den Ställen, aus den Schlacht- häusern, aus den vielen Marktplätzen etc. zusammen. Ei- ner besprützt den andern, es stinkt überall, als wenns ein einziges grosses Kloak wäre. Kommen dann noch die grossen Lastwagen darzu, die so schwer daher fallen und den Koth an den Häusern hinaufsprützen, so ists das al- lerunangenehmste Schicksal, wenn man weit zu gehen hat. Ich war heute so unglücklich, ich muste auf
La Bibliotheq. de Couvent des Jacobins ge- hen, wenn ich ein seltenes Buch, den Honoratus Fa- bri, das ich noch nie durchgesehen, kennen lernen wollte. Das Buch verräth einen Kopf, der in unsern Zeiten viel Wissenschaften würde gesammelt haben. Nur die un- glückliche Gewohnheit der vorigen Zeiten, die man vom Aristoteles gelernt hatte, und für Philosophie hielt, die Erklär- und Demonstrirsucht aller Erscheinungen der Na- tur verdarb ihm die Zeit, und hinderte ihn am Beobach- ten. Ich ging den ersten Theil von den Pflanzen durch, und fand darin schon manches, das ich nicht erwartet hatte.
Den
machte. Man glaubt aber nicht wie dickroth ſich Manns- und Weibsperſonen anſtreichen.
Den 20ſten Jun.
Das haͤsliche Wetter verdarb mir wieder die botani- ſche Excurſion, im Jardin Royal. Es regnete heute wie ichs noch nie geſehen habe, und geſtern war die Hitze gegen Abend ganz erſchrecklich. Und kaum regnets eine Stunde, ſo iſt Paris der allerhaͤslichſte Ort in der Welt. Alle Goſſenwaſſer laufen uͤber, ſpuͤlen den Koth aus allen Loͤchern, ſchlemmen ihn von den Bergen, dergleichen vie- le in der Stadt ſind, aus den Staͤllen, aus den Schlacht- haͤuſern, aus den vielen Marktplaͤtzen ꝛc. zuſammen. Ei- ner beſpruͤtzt den andern, es ſtinkt uͤberall, als wenns ein einziges groſſes Kloak waͤre. Kommen dann noch die groſſen Laſtwagen darzu, die ſo ſchwer daher fallen und den Koth an den Haͤuſern hinaufſpruͤtzen, ſo iſts das al- lerunangenehmſte Schickſal, wenn man weit zu gehen hat. Ich war heute ſo ungluͤcklich, ich muſte auf
La Bibliotheq. de Couvent des Jacobins ge- hen, wenn ich ein ſeltenes Buch, den Honoratus Fa- bri, das ich noch nie durchgeſehen, kennen lernen wollte. Das Buch verraͤth einen Kopf, der in unſern Zeiten viel Wiſſenſchaften wuͤrde geſammelt haben. Nur die un- gluͤckliche Gewohnheit der vorigen Zeiten, die man vom Ariſtoteles gelernt hatte, und fuͤr Philoſophie hielt, die Erklaͤr- und Demonſtrirſucht aller Erſcheinungen der Na- tur verdarb ihm die Zeit, und hinderte ihn am Beobach- ten. Ich ging den erſten Theil von den Pflanzen durch, und fand darin ſchon manches, das ich nicht erwartet hatte.
Den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0278"n="254"/>
machte. Man glaubt aber nicht wie dickroth ſich Manns-<lb/>
und Weibsperſonen anſtreichen.</p></div><lb/><divn="3"><head>Den 20ſten Jun.</head><lb/><p>Das haͤsliche Wetter verdarb mir wieder die botani-<lb/>ſche Excurſion, im <hirendition="#aq">Jardin Royal.</hi> Es regnete heute<lb/>
wie ichs noch nie geſehen habe, und geſtern war die Hitze<lb/>
gegen Abend ganz erſchrecklich. Und kaum regnets eine<lb/>
Stunde, ſo iſt <hirendition="#fr">Paris</hi> der allerhaͤslichſte Ort in der Welt.<lb/>
Alle Goſſenwaſſer laufen uͤber, ſpuͤlen den Koth aus allen<lb/>
Loͤchern, ſchlemmen ihn von den Bergen, dergleichen vie-<lb/>
le in der Stadt ſind, aus den Staͤllen, aus den Schlacht-<lb/>
haͤuſern, aus den vielen Marktplaͤtzen ꝛc. zuſammen. Ei-<lb/>
ner beſpruͤtzt den andern, es ſtinkt uͤberall, als wenns ein<lb/>
einziges groſſes Kloak waͤre. Kommen dann noch die<lb/>
groſſen Laſtwagen darzu, die ſo ſchwer daher fallen und<lb/>
den Koth an den Haͤuſern hinaufſpruͤtzen, ſo iſts das al-<lb/>
lerunangenehmſte Schickſal, wenn man weit zu gehen<lb/>
hat. Ich war heute ſo ungluͤcklich, ich muſte auf</p><lb/><p><hirendition="#aq">La Bibliotheq. de Couvent des Jacobins</hi> ge-<lb/>
hen, wenn ich ein ſeltenes Buch, den <hirendition="#aq">Honoratus Fa-<lb/>
bri,</hi> das ich noch nie durchgeſehen, kennen lernen wollte.<lb/>
Das Buch verraͤth einen Kopf, der in unſern Zeiten viel<lb/>
Wiſſenſchaften wuͤrde geſammelt haben. Nur die un-<lb/>
gluͤckliche Gewohnheit der vorigen Zeiten, die man vom<lb/><hirendition="#fr">Ariſtoteles</hi> gelernt hatte, und fuͤr Philoſophie hielt, die<lb/>
Erklaͤr- und Demonſtrirſucht aller Erſcheinungen der Na-<lb/>
tur verdarb ihm die Zeit, und hinderte ihn am Beobach-<lb/>
ten. Ich ging den erſten Theil von den Pflanzen durch,<lb/>
und fand darin ſchon manches, das ich nicht erwartet<lb/>
hatte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Den</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[254/0278]
machte. Man glaubt aber nicht wie dickroth ſich Manns-
und Weibsperſonen anſtreichen.
Den 20ſten Jun.
Das haͤsliche Wetter verdarb mir wieder die botani-
ſche Excurſion, im Jardin Royal. Es regnete heute
wie ichs noch nie geſehen habe, und geſtern war die Hitze
gegen Abend ganz erſchrecklich. Und kaum regnets eine
Stunde, ſo iſt Paris der allerhaͤslichſte Ort in der Welt.
Alle Goſſenwaſſer laufen uͤber, ſpuͤlen den Koth aus allen
Loͤchern, ſchlemmen ihn von den Bergen, dergleichen vie-
le in der Stadt ſind, aus den Staͤllen, aus den Schlacht-
haͤuſern, aus den vielen Marktplaͤtzen ꝛc. zuſammen. Ei-
ner beſpruͤtzt den andern, es ſtinkt uͤberall, als wenns ein
einziges groſſes Kloak waͤre. Kommen dann noch die
groſſen Laſtwagen darzu, die ſo ſchwer daher fallen und
den Koth an den Haͤuſern hinaufſpruͤtzen, ſo iſts das al-
lerunangenehmſte Schickſal, wenn man weit zu gehen
hat. Ich war heute ſo ungluͤcklich, ich muſte auf
La Bibliotheq. de Couvent des Jacobins ge-
hen, wenn ich ein ſeltenes Buch, den Honoratus Fa-
bri, das ich noch nie durchgeſehen, kennen lernen wollte.
Das Buch verraͤth einen Kopf, der in unſern Zeiten viel
Wiſſenſchaften wuͤrde geſammelt haben. Nur die un-
gluͤckliche Gewohnheit der vorigen Zeiten, die man vom
Ariſtoteles gelernt hatte, und fuͤr Philoſophie hielt, die
Erklaͤr- und Demonſtrirſucht aller Erſcheinungen der Na-
tur verdarb ihm die Zeit, und hinderte ihn am Beobach-
ten. Ich ging den erſten Theil von den Pflanzen durch,
und fand darin ſchon manches, das ich nicht erwartet
hatte.
Den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/278>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.