Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

tragen, damit nicht Menschen in ihrer Jugend aufge-
opfert, die Ausgelassenheit gepflanzt, und das Menschen-
geschlecht endlich verschlimmert werde? Es ist unter die-
sen Häusern ein eignes, das den Deutschen gewidmet ist;
da könnten unsre Patrioten sehen, ob's rathsam sei, jeden
Handwerksburschen wandern zu lassen? -- Die Huren
vertheilen sich und laufen aus einem Hause ins andre. etc.

Bemerkungen.

Jetzt kam die Hitze, und gleich so stark, daß selbst
die gemeinsten Verkäufer und Decroteurs aufm Pont-
neuf Parasols über sich hielten. Alle Frauenspersonen
gehn mit weissem oder schwarzen Flor vorm Gesicht, und
selbst die Mannspersonen nehmen Parasols zum Herum-
laufen mit.

Die Geistlichen stehen zum Theil hier in grossem An-
sehen. -- Denn sonst sind sie sehr verachtet. Jeder-
mann hält sich über sie auf. Nur in der Kirche sind sie
respektirt. Auf die Bibliothek kam heute Vormittag ein
Prior, oder Vorsteher eines Klosters etc. der hatte seinen
Kirchenrock an, und brachte einen jungen Menschen mit,
der ihm die Schleppe trug, und beständig heben muste,
bis er wieder so mit ihm fortging.

Wenn die Franzosen nach langer Trennung wieder
zusammen kommen, sprechen sie wenig, drucken nur die
beiden Backen aneinander, ohne einander recht herzlich
zu küssen, und so auch beim Abschiednehmen.

Der Staub war gleich so erstaunend groß, besonders
in lebhaften Strassen, daß jeder seine Taschenbürste bei

sich

tragen, damit nicht Menſchen in ihrer Jugend aufge-
opfert, die Ausgelaſſenheit gepflanzt, und das Menſchen-
geſchlecht endlich verſchlimmert werde? Es iſt unter die-
ſen Haͤuſern ein eignes, das den Deutſchen gewidmet iſt;
da koͤnnten unſre Patrioten ſehen, ob’s rathſam ſei, jeden
Handwerksburſchen wandern zu laſſen? — Die Huren
vertheilen ſich und laufen aus einem Hauſe ins andre. ꝛc.

Bemerkungen.

Jetzt kam die Hitze, und gleich ſo ſtark, daß ſelbſt
die gemeinſten Verkaͤufer und Decroteurs aufm Pont-
neuf Paraſols uͤber ſich hielten. Alle Frauensperſonen
gehn mit weiſſem oder ſchwarzen Flor vorm Geſicht, und
ſelbſt die Mannsperſonen nehmen Paraſols zum Herum-
laufen mit.

Die Geiſtlichen ſtehen zum Theil hier in groſſem An-
ſehen. — Denn ſonſt ſind ſie ſehr verachtet. Jeder-
mann haͤlt ſich uͤber ſie auf. Nur in der Kirche ſind ſie
reſpektirt. Auf die Bibliothek kam heute Vormittag ein
Prior, oder Vorſteher eines Kloſters ꝛc. der hatte ſeinen
Kirchenrock an, und brachte einen jungen Menſchen mit,
der ihm die Schleppe trug, und beſtaͤndig heben muſte,
bis er wieder ſo mit ihm fortging.

Wenn die Franzoſen nach langer Trennung wieder
zuſammen kommen, ſprechen ſie wenig, drucken nur die
beiden Backen aneinander, ohne einander recht herzlich
zu kuͤſſen, und ſo auch beim Abſchiednehmen.

Der Staub war gleich ſo erſtaunend groß, beſonders
in lebhaften Straſſen, daß jeder ſeine Taſchenbuͤrſte bei

ſich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0163" n="139"/>
tragen, damit nicht Men&#x017F;chen in ihrer Jugend aufge-<lb/>
opfert, die Ausgela&#x017F;&#x017F;enheit gepflanzt, und das Men&#x017F;chen-<lb/>
ge&#x017F;chlecht endlich ver&#x017F;chlimmert werde? Es i&#x017F;t unter die-<lb/>
&#x017F;en Ha&#x0364;u&#x017F;ern ein eignes, das den Deut&#x017F;chen gewidmet i&#x017F;t;<lb/>
da ko&#x0364;nnten un&#x017F;re Patrioten &#x017F;ehen, ob&#x2019;s rath&#x017F;am &#x017F;ei, jeden<lb/>
Handwerksbur&#x017F;chen wandern zu la&#x017F;&#x017F;en? &#x2014; Die Huren<lb/>
vertheilen &#x017F;ich und laufen aus einem Hau&#x017F;e ins andre. &#xA75B;c.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#fr">Bemerkungen.</hi> </head><lb/>
            <p>Jetzt kam die Hitze, und gleich &#x017F;o &#x017F;tark, daß &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
die gemein&#x017F;ten Verka&#x0364;ufer und Decroteurs aufm Pont-<lb/>
neuf Para&#x017F;ols u&#x0364;ber &#x017F;ich hielten. Alle Frauensper&#x017F;onen<lb/>
gehn mit wei&#x017F;&#x017F;em oder &#x017F;chwarzen Flor vorm Ge&#x017F;icht, und<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t die Mannsper&#x017F;onen nehmen Para&#x017F;ols zum Herum-<lb/>
laufen mit.</p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#fr">Gei&#x017F;tlichen</hi> &#x017F;tehen zum Theil hier in gro&#x017F;&#x017F;em An-<lb/>
&#x017F;ehen. &#x2014; Denn &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;ind &#x017F;ie &#x017F;ehr verachtet. Jeder-<lb/>
mann ha&#x0364;lt &#x017F;ich u&#x0364;ber &#x017F;ie auf. Nur in der Kirche &#x017F;ind &#x017F;ie<lb/>
re&#x017F;pektirt. Auf die Bibliothek kam heute Vormittag ein<lb/>
Prior, oder Vor&#x017F;teher eines Klo&#x017F;ters &#xA75B;c. der hatte &#x017F;einen<lb/>
Kirchenrock an, und brachte einen jungen Men&#x017F;chen mit,<lb/>
der ihm die Schleppe trug, und be&#x017F;ta&#x0364;ndig heben mu&#x017F;te,<lb/>
bis er wieder &#x017F;o mit ihm fortging.</p><lb/>
            <p>Wenn die Franzo&#x017F;en nach <hi rendition="#fr">langer Trennung</hi> wieder<lb/>
zu&#x017F;ammen kommen, &#x017F;prechen &#x017F;ie wenig, drucken nur die<lb/>
beiden Backen aneinander, ohne einander recht herzlich<lb/>
zu ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und &#x017F;o auch beim Ab&#x017F;chiednehmen.</p><lb/>
            <p>Der <hi rendition="#fr">Staub</hi> war gleich &#x017F;o er&#x017F;taunend groß, be&#x017F;onders<lb/>
in lebhaften Stra&#x017F;&#x017F;en, daß jeder &#x017F;eine Ta&#x017F;chenbu&#x0364;r&#x017F;te bei<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0163] tragen, damit nicht Menſchen in ihrer Jugend aufge- opfert, die Ausgelaſſenheit gepflanzt, und das Menſchen- geſchlecht endlich verſchlimmert werde? Es iſt unter die- ſen Haͤuſern ein eignes, das den Deutſchen gewidmet iſt; da koͤnnten unſre Patrioten ſehen, ob’s rathſam ſei, jeden Handwerksburſchen wandern zu laſſen? — Die Huren vertheilen ſich und laufen aus einem Hauſe ins andre. ꝛc. Bemerkungen. Jetzt kam die Hitze, und gleich ſo ſtark, daß ſelbſt die gemeinſten Verkaͤufer und Decroteurs aufm Pont- neuf Paraſols uͤber ſich hielten. Alle Frauensperſonen gehn mit weiſſem oder ſchwarzen Flor vorm Geſicht, und ſelbſt die Mannsperſonen nehmen Paraſols zum Herum- laufen mit. Die Geiſtlichen ſtehen zum Theil hier in groſſem An- ſehen. — Denn ſonſt ſind ſie ſehr verachtet. Jeder- mann haͤlt ſich uͤber ſie auf. Nur in der Kirche ſind ſie reſpektirt. Auf die Bibliothek kam heute Vormittag ein Prior, oder Vorſteher eines Kloſters ꝛc. der hatte ſeinen Kirchenrock an, und brachte einen jungen Menſchen mit, der ihm die Schleppe trug, und beſtaͤndig heben muſte, bis er wieder ſo mit ihm fortging. Wenn die Franzoſen nach langer Trennung wieder zuſammen kommen, ſprechen ſie wenig, drucken nur die beiden Backen aneinander, ohne einander recht herzlich zu kuͤſſen, und ſo auch beim Abſchiednehmen. Der Staub war gleich ſo erſtaunend groß, beſonders in lebhaften Straſſen, daß jeder ſeine Taſchenbuͤrſte bei ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/163
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/163>, abgerufen am 21.11.2024.