tragen, damit nicht Menschen in ihrer Jugend aufge- opfert, die Ausgelassenheit gepflanzt, und das Menschen- geschlecht endlich verschlimmert werde? Es ist unter die- sen Häusern ein eignes, das den Deutschen gewidmet ist; da könnten unsre Patrioten sehen, ob's rathsam sei, jeden Handwerksburschen wandern zu lassen? -- Die Huren vertheilen sich und laufen aus einem Hause ins andre. etc.
Bemerkungen.
Jetzt kam die Hitze, und gleich so stark, daß selbst die gemeinsten Verkäufer und Decroteurs aufm Pont- neuf Parasols über sich hielten. Alle Frauenspersonen gehn mit weissem oder schwarzen Flor vorm Gesicht, und selbst die Mannspersonen nehmen Parasols zum Herum- laufen mit.
Die Geistlichen stehen zum Theil hier in grossem An- sehen. -- Denn sonst sind sie sehr verachtet. Jeder- mann hält sich über sie auf. Nur in der Kirche sind sie respektirt. Auf die Bibliothek kam heute Vormittag ein Prior, oder Vorsteher eines Klosters etc. der hatte seinen Kirchenrock an, und brachte einen jungen Menschen mit, der ihm die Schleppe trug, und beständig heben muste, bis er wieder so mit ihm fortging.
Wenn die Franzosen nach langer Trennung wieder zusammen kommen, sprechen sie wenig, drucken nur die beiden Backen aneinander, ohne einander recht herzlich zu küssen, und so auch beim Abschiednehmen.
Der Staub war gleich so erstaunend groß, besonders in lebhaften Strassen, daß jeder seine Taschenbürste bei
sich
tragen, damit nicht Menſchen in ihrer Jugend aufge- opfert, die Ausgelaſſenheit gepflanzt, und das Menſchen- geſchlecht endlich verſchlimmert werde? Es iſt unter die- ſen Haͤuſern ein eignes, das den Deutſchen gewidmet iſt; da koͤnnten unſre Patrioten ſehen, ob’s rathſam ſei, jeden Handwerksburſchen wandern zu laſſen? — Die Huren vertheilen ſich und laufen aus einem Hauſe ins andre. ꝛc.
Bemerkungen.
Jetzt kam die Hitze, und gleich ſo ſtark, daß ſelbſt die gemeinſten Verkaͤufer und Decroteurs aufm Pont- neuf Paraſols uͤber ſich hielten. Alle Frauensperſonen gehn mit weiſſem oder ſchwarzen Flor vorm Geſicht, und ſelbſt die Mannsperſonen nehmen Paraſols zum Herum- laufen mit.
Die Geiſtlichen ſtehen zum Theil hier in groſſem An- ſehen. — Denn ſonſt ſind ſie ſehr verachtet. Jeder- mann haͤlt ſich uͤber ſie auf. Nur in der Kirche ſind ſie reſpektirt. Auf die Bibliothek kam heute Vormittag ein Prior, oder Vorſteher eines Kloſters ꝛc. der hatte ſeinen Kirchenrock an, und brachte einen jungen Menſchen mit, der ihm die Schleppe trug, und beſtaͤndig heben muſte, bis er wieder ſo mit ihm fortging.
Wenn die Franzoſen nach langer Trennung wieder zuſammen kommen, ſprechen ſie wenig, drucken nur die beiden Backen aneinander, ohne einander recht herzlich zu kuͤſſen, und ſo auch beim Abſchiednehmen.
Der Staub war gleich ſo erſtaunend groß, beſonders in lebhaften Straſſen, daß jeder ſeine Taſchenbuͤrſte bei
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tragen, damit nicht Menſchen in ihrer Jugend aufge-
opfert, die Ausgelaſſenheit gepflanzt, und das Menſchen-
geſchlecht endlich verſchlimmert werde? Es iſt unter die-
ſen Haͤuſern ein eignes, das den Deutſchen gewidmet iſt;
da koͤnnten unſre Patrioten ſehen, ob’s rathſam ſei, jeden
Handwerksburſchen wandern zu laſſen? — Die Huren
vertheilen ſich und laufen aus einem Hauſe ins andre. ꝛc.
Bemerkungen.
Jetzt kam die Hitze, und gleich ſo ſtark, daß ſelbſt
die gemeinſten Verkaͤufer und Decroteurs aufm Pont-
neuf Paraſols uͤber ſich hielten. Alle Frauensperſonen
gehn mit weiſſem oder ſchwarzen Flor vorm Geſicht, und
ſelbſt die Mannsperſonen nehmen Paraſols zum Herum-
laufen mit.
Die Geiſtlichen ſtehen zum Theil hier in groſſem An-
ſehen. — Denn ſonſt ſind ſie ſehr verachtet. Jeder-
mann haͤlt ſich uͤber ſie auf. Nur in der Kirche ſind ſie
reſpektirt. Auf die Bibliothek kam heute Vormittag ein
Prior, oder Vorſteher eines Kloſters ꝛc. der hatte ſeinen
Kirchenrock an, und brachte einen jungen Menſchen mit,
der ihm die Schleppe trug, und beſtaͤndig heben muſte,
bis er wieder ſo mit ihm fortging.
Wenn die Franzoſen nach langer Trennung wieder
zuſammen kommen, ſprechen ſie wenig, drucken nur die
beiden Backen aneinander, ohne einander recht herzlich
zu kuͤſſen, und ſo auch beim Abſchiednehmen.
Der Staub war gleich ſo erſtaunend groß, beſonders
in lebhaften Straſſen, daß jeder ſeine Taſchenbuͤrſte bei
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/163>, abgerufen am 21.11.2024.
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