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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Zur Einleitung.

In der Geschichte eines jeden Volkes hat es goldene Zeitalter
gegeben, wo sich der menschliche Geist von dem rohen kriegerischen
Handwerk, welches meist die Triebfeder des ganzen Staatenlebens aus-
machte, abwandte und sein ganzes Denken und Können fast nur den
Künsten und Wissenschaften zulenkte. Dann feierten diese ihre höchsten
Triumphe, es schien, als habe es nur eines leisen Anstoßes bedurft, um
die gährenden Kräfte zu entfalten, und dem edelsten Wettstreit verdanken
wir die unerreichten Kunstwerke der Griechen, die wunderbaren Bauten
der Römer, die mannigfachen imposanten Reste einer früheren Zeit.

Und doch ist aus den Resultaten glanzvoller Epochen für die
Industrie wenig Ersprießliches zu melden. Es fehlten zu allen Zeiten
die Chronisten, die nicht nur der Thaten eines Alexander und Cäsar
gedachten, sondern auch den Mann würdigten, der grübelnd und
sinnend der Natur ihre Geheimnisse und Kräfte ablauschte, um sie in
den Dienst der Menschheit zu stellen, oder der mit bedeutender Geistes-
kraft Erfindungen machte, die der moderne Mensch so selbstverständlich
und nichtachtend ansieht.

Wichtige, einschneidende Erfindungen sind schon früher und zu allen
Zeiten gemacht worden.

Welcher hochbedeutsame Schritt war es beispielsweise, als man
zum erstenmale den Wind zum Treiben der Schiffe ausnutzte, als
man dem Schlitten ein drehendes Rad untersetzte und ihn zum Wagen
machte.

Niemand kennt heute den Erfinder des Segels oder des Wagens,
niemand brachte das Genie, welches diese wunderbaren Entdeckungen
machte, auf die Nachwelt.

Es hat eine unendliche Zeit gedauert, bis die Geschichtsforscher
anfingen, der Industrie einen Platz in ihren Werken einzuräumen, vor
allem erst seit jener Zeit, wo die Verwertung der Dampfkräfte die
kolossalsten Umwälzungen auf allen Gebieten hervorbrachte.

Seit dieser Zeit entwickelte sich in allen Zweigen ein rastloser
Eifer, neue Industrieen entstanden, Physik und Chemie, die Bahnbrecher
der Industrie überhasteten sich fast in epochemachenden Entdeckungen.

Auch der unbedeutendste Erwerbszweig ist heute auf die Benutzung
von Erfindungen angewiesen, das ganze Getriebe ist von Grund aus
umgestaltet worden.

Zur Einleitung.

In der Geſchichte eines jeden Volkes hat es goldene Zeitalter
gegeben, wo ſich der menſchliche Geiſt von dem rohen kriegeriſchen
Handwerk, welches meiſt die Triebfeder des ganzen Staatenlebens aus-
machte, abwandte und ſein ganzes Denken und Können faſt nur den
Künſten und Wiſſenſchaften zulenkte. Dann feierten dieſe ihre höchſten
Triumphe, es ſchien, als habe es nur eines leiſen Anſtoßes bedurft, um
die gährenden Kräfte zu entfalten, und dem edelſten Wettſtreit verdanken
wir die unerreichten Kunſtwerke der Griechen, die wunderbaren Bauten
der Römer, die mannigfachen impoſanten Reſte einer früheren Zeit.

Und doch iſt aus den Reſultaten glanzvoller Epochen für die
Induſtrie wenig Erſprießliches zu melden. Es fehlten zu allen Zeiten
die Chroniſten, die nicht nur der Thaten eines Alexander und Cäſar
gedachten, ſondern auch den Mann würdigten, der grübelnd und
ſinnend der Natur ihre Geheimniſſe und Kräfte ablauſchte, um ſie in
den Dienſt der Menſchheit zu ſtellen, oder der mit bedeutender Geiſtes-
kraft Erfindungen machte, die der moderne Menſch ſo ſelbſtverſtändlich
und nichtachtend anſieht.

Wichtige, einſchneidende Erfindungen ſind ſchon früher und zu allen
Zeiten gemacht worden.

Welcher hochbedeutſame Schritt war es beiſpielsweiſe, als man
zum erſtenmale den Wind zum Treiben der Schiffe ausnutzte, als
man dem Schlitten ein drehendes Rad unterſetzte und ihn zum Wagen
machte.

Niemand kennt heute den Erfinder des Segels oder des Wagens,
niemand brachte das Genie, welches dieſe wunderbaren Entdeckungen
machte, auf die Nachwelt.

Es hat eine unendliche Zeit gedauert, bis die Geſchichtsforſcher
anfingen, der Induſtrie einen Platz in ihren Werken einzuräumen, vor
allem erſt ſeit jener Zeit, wo die Verwertung der Dampfkräfte die
koloſſalſten Umwälzungen auf allen Gebieten hervorbrachte.

Seit dieſer Zeit entwickelte ſich in allen Zweigen ein raſtloſer
Eifer, neue Induſtrieen entſtanden, Phyſik und Chemie, die Bahnbrecher
der Induſtrie überhaſteten ſich faſt in epochemachenden Entdeckungen.

Auch der unbedeutendſte Erwerbszweig iſt heute auf die Benutzung
von Erfindungen angewieſen, das ganze Getriebe iſt von Grund aus
umgeſtaltet worden.

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. [III]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/9>, abgerufen am 21.11.2024.