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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Längenmessungen und Längenmaßvergleichungen.
also der Platinstab bei verschiedenen Wärmegraden verschiedene Länge
hatte, so war festgesetzt, daß er bei der Temperatur des schmelzenden
Eises die richtige Länge darstellte. Während die alten Maße meist in
12 Teile geteilt wurden -- der Fuß hatte z. B. 12 Zoll -- wurde bei
der neuen Einheit die Zehnerteilung durchgeführt. 1 Meter hat 10 Dezi-
meter = 100 Zentimeter = 1000 Millimeter; 1000 Meter = ein Kilometer.
Als Einheit der Flächenmaße gilt ein Quadrat, dessen Seiten ein Meter
lang sind, das Quadratmeter; als Einheit der Raummaße der Würfel,
dessen Seiten ein Meter lang sind, das Kubikmeter. Die Gewichts-
einheit, das Kilogramm, wiegt soviel wie ein Kubikdezimeter destillierten
Wassers im Zustande seiner größten Dichte (bei 4° Wärme) im luftleeren
Raume. So war denn endlich ein unveränderliches Naturmaß geschaffen.
Wenn auch alle Meterstäbe plötzlich und alle Kilogramme verloren
gehen, aus den Messungen eines Meridianbogens ließe sich jederzeit
die Längeneinheit und aus dieser die Gewichtseinheit wieder herstellen.

Die Vorzüge des metrischen Systems waren so offenkundige, daß
Frankreich dasselbe noch im Jahre 1799 einführte, und jetzt benutzen
es fast alle Staaten der Erde. Im strengsten Sinne des Wortes ist
freilich auch das Meter kein Naturmaß. Als Mechain und Delambre
ihren Meridianbogen maßen, thaten sie es natürlich mit den Hilfs-
mitteln, die ihnen damals zu Gebote standen; spätere Messungen mit
verfeinerten Einrichtungen ergaben einen genaueren Werth, und nach
hundert Jahren wird man abermals bessere Resultate erreichen können;
die Länge des 10000000. Teiles des Meridianquadranten wird also
auch mit immer größerer Sicherheit festgestellt werden. Mit einem
solchen Maß aber, das jede neue Untersuchung wieder verändert, weiß
die Praxis nichts anzufangen, alle Maßstäbe müßten ja immer wieder
von neuem verändert werden; es ist daher festgesetzt, daß das im
Pariser Staatsarchiv aufbewahrte Platinmeter (metre des archives) als
alleinige Verkörperung der Längeneinheit gelten soll.

Längenmessungen und Längenmaßvergleichungen.

Es lag nun die Aufgabe vor, nach diesem Urmeter für den all-
gemeinen Verkehr Maßstäbe herzustellen. Man unterscheidet zwei Arten
von Maßstäben, Endmaße und Strichmaße; bei den Endmaßen hat der
Abstand zwischen den beiden Endflächen die verlangte Länge, während
diese bei den Strichmaßen durch den Abstand zweier auf dem Stabe
gezogener Striche dargestellt wird. Die Vergleichung zweier Strich-
maße -- auf diese soll zunächst eingegangen werden -- erscheint äußerst
einfach, man legt dieselbe so auf- oder aneinander, daß die Anfangs-
striche beider genau zusammenfallen, dann ist -- unter der Voraussetzung,
daß der eine von beiden richtig ist -- der Betrag um den die beiden
Endstriche von einander abstehen, der Fehler des zweiten Maßstabes.
Beim Aneinanderlegen der Nullstriche wird der Einstellungsfehler 0,1 mm

1*

Längenmeſſungen und Längenmaßvergleichungen.
alſo der Platinſtab bei verſchiedenen Wärmegraden verſchiedene Länge
hatte, ſo war feſtgeſetzt, daß er bei der Temperatur des ſchmelzenden
Eiſes die richtige Länge darſtellte. Während die alten Maße meiſt in
12 Teile geteilt wurden — der Fuß hatte z. B. 12 Zoll — wurde bei
der neuen Einheit die Zehnerteilung durchgeführt. 1 Meter hat 10 Dezi-
meter = 100 Zentimeter = 1000 Millimeter; 1000 Meter = ein Kilometer.
Als Einheit der Flächenmaße gilt ein Quadrat, deſſen Seiten ein Meter
lang ſind, das Quadratmeter; als Einheit der Raummaße der Würfel,
deſſen Seiten ein Meter lang ſind, das Kubikmeter. Die Gewichts-
einheit, das Kilogramm, wiegt ſoviel wie ein Kubikdezimeter deſtillierten
Waſſers im Zuſtande ſeiner größten Dichte (bei 4° Wärme) im luftleeren
Raume. So war denn endlich ein unveränderliches Naturmaß geſchaffen.
Wenn auch alle Meterſtäbe plötzlich und alle Kilogramme verloren
gehen, aus den Meſſungen eines Meridianbogens ließe ſich jederzeit
die Längeneinheit und aus dieſer die Gewichtseinheit wieder herſtellen.

Die Vorzüge des metriſchen Syſtems waren ſo offenkundige, daß
Frankreich dasſelbe noch im Jahre 1799 einführte, und jetzt benutzen
es faſt alle Staaten der Erde. Im ſtrengſten Sinne des Wortes iſt
freilich auch das Meter kein Naturmaß. Als Méchain und Delambre
ihren Meridianbogen maßen, thaten ſie es natürlich mit den Hilfs-
mitteln, die ihnen damals zu Gebote ſtanden; ſpätere Meſſungen mit
verfeinerten Einrichtungen ergaben einen genaueren Werth, und nach
hundert Jahren wird man abermals beſſere Reſultate erreichen können;
die Länge des 10000000. Teiles des Meridianquadranten wird alſo
auch mit immer größerer Sicherheit feſtgeſtellt werden. Mit einem
ſolchen Maß aber, das jede neue Unterſuchung wieder verändert, weiß
die Praxis nichts anzufangen, alle Maßſtäbe müßten ja immer wieder
von neuem verändert werden; es iſt daher feſtgeſetzt, daß das im
Pariſer Staatsarchiv aufbewahrte Platinmeter (mêtre des archives) als
alleinige Verkörperung der Längeneinheit gelten ſoll.

Längenmeſſungen und Längenmaßvergleichungen.

Es lag nun die Aufgabe vor, nach dieſem Urmeter für den all-
gemeinen Verkehr Maßſtäbe herzuſtellen. Man unterſcheidet zwei Arten
von Maßſtäben, Endmaße und Strichmaße; bei den Endmaßen hat der
Abſtand zwiſchen den beiden Endflächen die verlangte Länge, während
dieſe bei den Strichmaßen durch den Abſtand zweier auf dem Stabe
gezogener Striche dargeſtellt wird. Die Vergleichung zweier Strich-
maße — auf dieſe ſoll zunächſt eingegangen werden — erſcheint äußerſt
einfach, man legt dieſelbe ſo auf- oder aneinander, daß die Anfangs-
ſtriche beider genau zuſammenfallen, dann iſt — unter der Vorausſetzung,
daß der eine von beiden richtig iſt — der Betrag um den die beiden
Endſtriche von einander abſtehen, der Fehler des zweiten Maßſtabes.
Beim Aneinanderlegen der Nullſtriche wird der Einſtellungsfehler 0,1 mm

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[3/0021] Längenmeſſungen und Längenmaßvergleichungen. alſo der Platinſtab bei verſchiedenen Wärmegraden verſchiedene Länge hatte, ſo war feſtgeſetzt, daß er bei der Temperatur des ſchmelzenden Eiſes die richtige Länge darſtellte. Während die alten Maße meiſt in 12 Teile geteilt wurden — der Fuß hatte z. B. 12 Zoll — wurde bei der neuen Einheit die Zehnerteilung durchgeführt. 1 Meter hat 10 Dezi- meter = 100 Zentimeter = 1000 Millimeter; 1000 Meter = ein Kilometer. Als Einheit der Flächenmaße gilt ein Quadrat, deſſen Seiten ein Meter lang ſind, das Quadratmeter; als Einheit der Raummaße der Würfel, deſſen Seiten ein Meter lang ſind, das Kubikmeter. Die Gewichts- einheit, das Kilogramm, wiegt ſoviel wie ein Kubikdezimeter deſtillierten Waſſers im Zuſtande ſeiner größten Dichte (bei 4° Wärme) im luftleeren Raume. So war denn endlich ein unveränderliches Naturmaß geſchaffen. Wenn auch alle Meterſtäbe plötzlich und alle Kilogramme verloren gehen, aus den Meſſungen eines Meridianbogens ließe ſich jederzeit die Längeneinheit und aus dieſer die Gewichtseinheit wieder herſtellen. Die Vorzüge des metriſchen Syſtems waren ſo offenkundige, daß Frankreich dasſelbe noch im Jahre 1799 einführte, und jetzt benutzen es faſt alle Staaten der Erde. Im ſtrengſten Sinne des Wortes iſt freilich auch das Meter kein Naturmaß. Als Méchain und Delambre ihren Meridianbogen maßen, thaten ſie es natürlich mit den Hilfs- mitteln, die ihnen damals zu Gebote ſtanden; ſpätere Meſſungen mit verfeinerten Einrichtungen ergaben einen genaueren Werth, und nach hundert Jahren wird man abermals beſſere Reſultate erreichen können; die Länge des 10000000. Teiles des Meridianquadranten wird alſo auch mit immer größerer Sicherheit feſtgeſtellt werden. Mit einem ſolchen Maß aber, das jede neue Unterſuchung wieder verändert, weiß die Praxis nichts anzufangen, alle Maßſtäbe müßten ja immer wieder von neuem verändert werden; es iſt daher feſtgeſetzt, daß das im Pariſer Staatsarchiv aufbewahrte Platinmeter (mêtre des archives) als alleinige Verkörperung der Längeneinheit gelten ſoll. Längenmeſſungen und Längenmaßvergleichungen. Es lag nun die Aufgabe vor, nach dieſem Urmeter für den all- gemeinen Verkehr Maßſtäbe herzuſtellen. Man unterſcheidet zwei Arten von Maßſtäben, Endmaße und Strichmaße; bei den Endmaßen hat der Abſtand zwiſchen den beiden Endflächen die verlangte Länge, während dieſe bei den Strichmaßen durch den Abſtand zweier auf dem Stabe gezogener Striche dargeſtellt wird. Die Vergleichung zweier Strich- maße — auf dieſe ſoll zunächſt eingegangen werden — erſcheint äußerſt einfach, man legt dieſelbe ſo auf- oder aneinander, daß die Anfangs- ſtriche beider genau zuſammenfallen, dann iſt — unter der Vorausſetzung, daß der eine von beiden richtig iſt — der Betrag um den die beiden Endſtriche von einander abſtehen, der Fehler des zweiten Maßſtabes. Beim Aneinanderlegen der Nullſtriche wird der Einſtellungsfehler 0,1 mm 1*

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/21>, abgerufen am 21.11.2024.