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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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I. Die Messungen.

1. Die Erfindung der Maße und der Gewichte.

Die Erfindung des Längenmaßes.

Messungen und Maße sind uralt, fast so alt wie das Menschen-
geschlecht selbst; in jenen Tagen des grauen Altertums, als der Menschen
noch wenige waren, so wenige, daß die allgütige Mutter Natur alle
Bedürfnisse des Lebens in überreichem Maße befriedigte, als der
Nomade auf seinen Wanderzügen überall wo auch immer er seine Zelte
aufschlagen mochte, für Mensch und Vieh den Tisch gedeckt fand, als
der Begriff des Mein und Dein noch nicht vorhanden war, da machte
sich auch ein Bedürfnis nach Maßvergleichungen noch nicht geltend.
Bald aber begann die Bevölkerung sich zu vermehren und auszubreiten,
sie sah sich gezwungen, in harter Arbeit dem Boden seine Früchte ab-
zuringen, Handel und Wandel blühten empor, und wie mit wachsender
Kultur das Eigentum an Wert gewann, erhielten auch die Hilfsmittel,
letzteren zu bestimmen, eine erhöhte Bedeutung, das Verlangen nach
Maßen und Gewichten machte sich geltend. Wo die Wiege derselben
gestanden, welchem Volke ihre Einführung zu verdanken sei, das wird sich
wohl niemals mit Sicherheit feststellen lassen, doch scheinen die alten
Babylonier um die systematische Ausarbeitung der Maße sich ein
besonderes Verdienst erworben zu haben. In fortwährendem Verkehr
mit der Natur stehend, entnahmen die Urvölker auch ihre Maße der
Natur -- was war wohl auch einfacher, als die Länge eines Acker-
stückes nach der Anzahl der Schritte zu bemessen, die nötig waren, um
dasselbe abzugehen? Viele der Bezeichnungen, wie Arm, Elle, Fuß,
Hand, Daumen, Schritt, Spanne, Klafter deuten auf diesen Ursprung
hin. Hatte die Menschheit der Vorzeit gleichsam instinktiv zu Natur-
maßen gegriffen, so wurden die Gelehrten späterer Jahrhunderte durch
wissenschaftliche Gründe zu dem gleichen Vorgehen geführt. Ein
Naturmaß hat den Vorzug, daß es sich jederzeit leicht und sicher wieder

Das Buch der Erfindungen. 1
I. Die Meſſungen.

1. Die Erfindung der Maße und der Gewichte.

Die Erfindung des Längenmaßes.

Meſſungen und Maße ſind uralt, faſt ſo alt wie das Menſchen-
geſchlecht ſelbſt; in jenen Tagen des grauen Altertums, als der Menſchen
noch wenige waren, ſo wenige, daß die allgütige Mutter Natur alle
Bedürfniſſe des Lebens in überreichem Maße befriedigte, als der
Nomade auf ſeinen Wanderzügen überall wo auch immer er ſeine Zelte
aufſchlagen mochte, für Menſch und Vieh den Tiſch gedeckt fand, als
der Begriff des Mein und Dein noch nicht vorhanden war, da machte
ſich auch ein Bedürfnis nach Maßvergleichungen noch nicht geltend.
Bald aber begann die Bevölkerung ſich zu vermehren und auszubreiten,
ſie ſah ſich gezwungen, in harter Arbeit dem Boden ſeine Früchte ab-
zuringen, Handel und Wandel blühten empor, und wie mit wachſender
Kultur das Eigentum an Wert gewann, erhielten auch die Hilfsmittel,
letzteren zu beſtimmen, eine erhöhte Bedeutung, das Verlangen nach
Maßen und Gewichten machte ſich geltend. Wo die Wiege derſelben
geſtanden, welchem Volke ihre Einführung zu verdanken ſei, das wird ſich
wohl niemals mit Sicherheit feſtſtellen laſſen, doch ſcheinen die alten
Babylonier um die ſyſtematiſche Ausarbeitung der Maße ſich ein
beſonderes Verdienſt erworben zu haben. In fortwährendem Verkehr
mit der Natur ſtehend, entnahmen die Urvölker auch ihre Maße der
Natur — was war wohl auch einfacher, als die Länge eines Acker-
ſtückes nach der Anzahl der Schritte zu bemeſſen, die nötig waren, um
daſſelbe abzugehen? Viele der Bezeichnungen, wie Arm, Elle, Fuß,
Hand, Daumen, Schritt, Spanne, Klafter deuten auf dieſen Urſprung
hin. Hatte die Menſchheit der Vorzeit gleichſam inſtinktiv zu Natur-
maßen gegriffen, ſo wurden die Gelehrten ſpäterer Jahrhunderte durch
wiſſenſchaftliche Gründe zu dem gleichen Vorgehen geführt. Ein
Naturmaß hat den Vorzug, daß es ſich jederzeit leicht und ſicher wieder

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[[1]/0019] I. Die Meſſungen. 1. Die Erfindung der Maße und der Gewichte. Die Erfindung des Längenmaßes. Meſſungen und Maße ſind uralt, faſt ſo alt wie das Menſchen- geſchlecht ſelbſt; in jenen Tagen des grauen Altertums, als der Menſchen noch wenige waren, ſo wenige, daß die allgütige Mutter Natur alle Bedürfniſſe des Lebens in überreichem Maße befriedigte, als der Nomade auf ſeinen Wanderzügen überall wo auch immer er ſeine Zelte aufſchlagen mochte, für Menſch und Vieh den Tiſch gedeckt fand, als der Begriff des Mein und Dein noch nicht vorhanden war, da machte ſich auch ein Bedürfnis nach Maßvergleichungen noch nicht geltend. Bald aber begann die Bevölkerung ſich zu vermehren und auszubreiten, ſie ſah ſich gezwungen, in harter Arbeit dem Boden ſeine Früchte ab- zuringen, Handel und Wandel blühten empor, und wie mit wachſender Kultur das Eigentum an Wert gewann, erhielten auch die Hilfsmittel, letzteren zu beſtimmen, eine erhöhte Bedeutung, das Verlangen nach Maßen und Gewichten machte ſich geltend. Wo die Wiege derſelben geſtanden, welchem Volke ihre Einführung zu verdanken ſei, das wird ſich wohl niemals mit Sicherheit feſtſtellen laſſen, doch ſcheinen die alten Babylonier um die ſyſtematiſche Ausarbeitung der Maße ſich ein beſonderes Verdienſt erworben zu haben. In fortwährendem Verkehr mit der Natur ſtehend, entnahmen die Urvölker auch ihre Maße der Natur — was war wohl auch einfacher, als die Länge eines Acker- ſtückes nach der Anzahl der Schritte zu bemeſſen, die nötig waren, um daſſelbe abzugehen? Viele der Bezeichnungen, wie Arm, Elle, Fuß, Hand, Daumen, Schritt, Spanne, Klafter deuten auf dieſen Urſprung hin. Hatte die Menſchheit der Vorzeit gleichſam inſtinktiv zu Natur- maßen gegriffen, ſo wurden die Gelehrten ſpäterer Jahrhunderte durch wiſſenſchaftliche Gründe zu dem gleichen Vorgehen geführt. Ein Naturmaß hat den Vorzug, daß es ſich jederzeit leicht und ſicher wieder Das Buch der Erfindungen. 1

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/19>, abgerufen am 21.11.2024.