Daß die Körpersubstanz der vollkommeneren Pflanzen aus Schichten von verschiedener Beschaffenheit besteht, konnte auch der primitivsten Betrachtung der Pflanzen seit den ältesten Zeiten nicht entgehen; schon die alten Sprachen hatten ja Worte zur Bezeichnung der augenfälligsten anatomischen Bestandtheile der Pflanzen, wie Rinde, Holz und Mark. Auch war leicht wahr- zunehmen, daß das Mark aus einer anscheinend homogenen saftigen Masse besteht, das Holz dagegen aus faseriger Substanz, während die Rinde der Holzpflanzen zum Theil häutige Schichten, zum Theil fasrige und markähnliche Beschaffenheit zeigt; die Gewinnung der Gespinstfasern z. B. des Flachses aus der Rinde gab schon im grauesten Alterthum eine, wenn auch vage Vor- stellung davon, wie durch Fäulniß und mechanische Behandlung die fasrigen von den markigen Theilen der Rinde sich sondern lassen. Auch verfehlten Aristoteles und Theophrast nicht, diese Bestandtheile der Pflanzensubstanz mit entsprechenden des thierischen Körpers in Parallele zu stellen und im ersten Buch wurde bereits gezeigt, wie Caesalpin im Sinne dieser seiner Lehrer das Mark als den eigentlich lebendigen Theil der Pflanze, als den Sitz der Pflanzenseele in Anspruch nahm und diesen Gedanken morphologisch und physiologisch weiter verwerthete; er bemerkte, daß der Wurzel gewöhnlich das Mark fehlt, daß der
Einleitung.
Daß die Körperſubſtanz der vollkommeneren Pflanzen aus Schichten von verſchiedener Beſchaffenheit beſteht, konnte auch der primitivſten Betrachtung der Pflanzen ſeit den älteſten Zeiten nicht entgehen; ſchon die alten Sprachen hatten ja Worte zur Bezeichnung der augenfälligſten anatomiſchen Beſtandtheile der Pflanzen, wie Rinde, Holz und Mark. Auch war leicht wahr- zunehmen, daß das Mark aus einer anſcheinend homogenen ſaftigen Maſſe beſteht, das Holz dagegen aus faſeriger Subſtanz, während die Rinde der Holzpflanzen zum Theil häutige Schichten, zum Theil faſrige und markähnliche Beſchaffenheit zeigt; die Gewinnung der Geſpinſtfaſern z. B. des Flachſes aus der Rinde gab ſchon im graueſten Alterthum eine, wenn auch vage Vor- ſtellung davon, wie durch Fäulniß und mechaniſche Behandlung die faſrigen von den markigen Theilen der Rinde ſich ſondern laſſen. Auch verfehlten Ariſtoteles und Theophraſt nicht, dieſe Beſtandtheile der Pflanzenſubſtanz mit entſprechenden des thieriſchen Körpers in Parallele zu ſtellen und im erſten Buch wurde bereits gezeigt, wie Caeſalpin im Sinne dieſer ſeiner Lehrer das Mark als den eigentlich lebendigen Theil der Pflanze, als den Sitz der Pflanzenſeele in Anſpruch nahm und dieſen Gedanken morphologiſch und phyſiologiſch weiter verwerthete; er bemerkte, daß der Wurzel gewöhnlich das Mark fehlt, daß der
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Einleitung.
Daß die Körperſubſtanz der vollkommeneren Pflanzen aus
Schichten von verſchiedener Beſchaffenheit beſteht, konnte auch
der primitivſten Betrachtung der Pflanzen ſeit den älteſten Zeiten
nicht entgehen; ſchon die alten Sprachen hatten ja Worte zur
Bezeichnung der augenfälligſten anatomiſchen Beſtandtheile der
Pflanzen, wie Rinde, Holz und Mark. Auch war leicht wahr-
zunehmen, daß das Mark aus einer anſcheinend homogenen
ſaftigen Maſſe beſteht, das Holz dagegen aus faſeriger Subſtanz,
während die Rinde der Holzpflanzen zum Theil häutige Schichten,
zum Theil faſrige und markähnliche Beſchaffenheit zeigt; die
Gewinnung der Geſpinſtfaſern z. B. des Flachſes aus der Rinde
gab ſchon im graueſten Alterthum eine, wenn auch vage Vor-
ſtellung davon, wie durch Fäulniß und mechaniſche Behandlung
die faſrigen von den markigen Theilen der Rinde ſich ſondern
laſſen. Auch verfehlten Ariſtoteles und Theophraſt nicht,
dieſe Beſtandtheile der Pflanzenſubſtanz mit entſprechenden des
thieriſchen Körpers in Parallele zu ſtellen und im erſten Buch
wurde bereits gezeigt, wie Caeſalpin im Sinne dieſer ſeiner
Lehrer das Mark als den eigentlich lebendigen Theil der Pflanze,
als den Sitz der Pflanzenſeele in Anſpruch nahm und dieſen
Gedanken morphologiſch und phyſiologiſch weiter verwerthete; er
bemerkte, daß der Wurzel gewöhnlich das Mark fehlt, daß der
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Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. [235]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/247>, abgerufen am 21.11.2024.
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