Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875.

Bild:
<< vorherige Seite
Einleitung.

Daß die Körpersubstanz der vollkommeneren Pflanzen aus
Schichten von verschiedener Beschaffenheit besteht, konnte auch
der primitivsten Betrachtung der Pflanzen seit den ältesten Zeiten
nicht entgehen; schon die alten Sprachen hatten ja Worte zur
Bezeichnung der augenfälligsten anatomischen Bestandtheile der
Pflanzen, wie Rinde, Holz und Mark. Auch war leicht wahr-
zunehmen, daß das Mark aus einer anscheinend homogenen
saftigen Masse besteht, das Holz dagegen aus faseriger Substanz,
während die Rinde der Holzpflanzen zum Theil häutige Schichten,
zum Theil fasrige und markähnliche Beschaffenheit zeigt; die
Gewinnung der Gespinstfasern z. B. des Flachses aus der Rinde
gab schon im grauesten Alterthum eine, wenn auch vage Vor-
stellung davon, wie durch Fäulniß und mechanische Behandlung
die fasrigen von den markigen Theilen der Rinde sich sondern
lassen. Auch verfehlten Aristoteles und Theophrast nicht,
diese Bestandtheile der Pflanzensubstanz mit entsprechenden des
thierischen Körpers in Parallele zu stellen und im ersten Buch
wurde bereits gezeigt, wie Caesalpin im Sinne dieser seiner
Lehrer das Mark als den eigentlich lebendigen Theil der Pflanze,
als den Sitz der Pflanzenseele in Anspruch nahm und diesen
Gedanken morphologisch und physiologisch weiter verwerthete; er
bemerkte, daß der Wurzel gewöhnlich das Mark fehlt, daß der

Einleitung.

Daß die Körperſubſtanz der vollkommeneren Pflanzen aus
Schichten von verſchiedener Beſchaffenheit beſteht, konnte auch
der primitivſten Betrachtung der Pflanzen ſeit den älteſten Zeiten
nicht entgehen; ſchon die alten Sprachen hatten ja Worte zur
Bezeichnung der augenfälligſten anatomiſchen Beſtandtheile der
Pflanzen, wie Rinde, Holz und Mark. Auch war leicht wahr-
zunehmen, daß das Mark aus einer anſcheinend homogenen
ſaftigen Maſſe beſteht, das Holz dagegen aus faſeriger Subſtanz,
während die Rinde der Holzpflanzen zum Theil häutige Schichten,
zum Theil faſrige und markähnliche Beſchaffenheit zeigt; die
Gewinnung der Geſpinſtfaſern z. B. des Flachſes aus der Rinde
gab ſchon im graueſten Alterthum eine, wenn auch vage Vor-
ſtellung davon, wie durch Fäulniß und mechaniſche Behandlung
die faſrigen von den markigen Theilen der Rinde ſich ſondern
laſſen. Auch verfehlten Ariſtoteles und Theophraſt nicht,
dieſe Beſtandtheile der Pflanzenſubſtanz mit entſprechenden des
thieriſchen Körpers in Parallele zu ſtellen und im erſten Buch
wurde bereits gezeigt, wie Caeſalpin im Sinne dieſer ſeiner
Lehrer das Mark als den eigentlich lebendigen Theil der Pflanze,
als den Sitz der Pflanzenſeele in Anſpruch nahm und dieſen
Gedanken morphologiſch und phyſiologiſch weiter verwerthete; er
bemerkte, daß der Wurzel gewöhnlich das Mark fehlt, daß der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0247" n="[235]"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>Daß die Körper&#x017F;ub&#x017F;tanz der vollkommeneren Pflanzen aus<lb/>
Schichten von ver&#x017F;chiedener Be&#x017F;chaffenheit be&#x017F;teht, konnte auch<lb/>
der primitiv&#x017F;ten Betrachtung der Pflanzen &#x017F;eit den älte&#x017F;ten Zeiten<lb/>
nicht entgehen; &#x017F;chon die alten Sprachen hatten ja Worte zur<lb/>
Bezeichnung der augenfällig&#x017F;ten anatomi&#x017F;chen Be&#x017F;tandtheile der<lb/>
Pflanzen, wie Rinde, Holz und Mark. Auch war leicht wahr-<lb/>
zunehmen, daß das Mark aus einer an&#x017F;cheinend homogenen<lb/>
&#x017F;aftigen Ma&#x017F;&#x017F;e be&#x017F;teht, das Holz dagegen aus fa&#x017F;eriger Sub&#x017F;tanz,<lb/>
während die Rinde der Holzpflanzen zum Theil häutige Schichten,<lb/>
zum Theil fa&#x017F;rige und markähnliche Be&#x017F;chaffenheit zeigt; die<lb/>
Gewinnung der Ge&#x017F;pin&#x017F;tfa&#x017F;ern z. B. des Flach&#x017F;es aus der Rinde<lb/>
gab &#x017F;chon im graue&#x017F;ten Alterthum eine, wenn auch vage Vor-<lb/>
&#x017F;tellung davon, wie durch Fäulniß und mechani&#x017F;che Behandlung<lb/>
die fa&#x017F;rigen von den markigen Theilen der Rinde &#x017F;ich &#x017F;ondern<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Auch verfehlten <hi rendition="#g">Ari&#x017F;toteles</hi> und <hi rendition="#g">Theophra&#x017F;t</hi> nicht,<lb/>
die&#x017F;e Be&#x017F;tandtheile der Pflanzen&#x017F;ub&#x017F;tanz mit ent&#x017F;prechenden des<lb/>
thieri&#x017F;chen Körpers in Parallele zu &#x017F;tellen und im er&#x017F;ten Buch<lb/>
wurde bereits gezeigt, wie <hi rendition="#g">Cae&#x017F;alpin</hi> im Sinne die&#x017F;er &#x017F;einer<lb/>
Lehrer das Mark als den eigentlich lebendigen Theil der Pflanze,<lb/>
als den Sitz der Pflanzen&#x017F;eele in An&#x017F;pruch nahm und die&#x017F;en<lb/>
Gedanken morphologi&#x017F;ch und phy&#x017F;iologi&#x017F;ch weiter verwerthete; er<lb/>
bemerkte, daß der Wurzel gewöhnlich das Mark fehlt, daß der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[235]/0247] Einleitung. Daß die Körperſubſtanz der vollkommeneren Pflanzen aus Schichten von verſchiedener Beſchaffenheit beſteht, konnte auch der primitivſten Betrachtung der Pflanzen ſeit den älteſten Zeiten nicht entgehen; ſchon die alten Sprachen hatten ja Worte zur Bezeichnung der augenfälligſten anatomiſchen Beſtandtheile der Pflanzen, wie Rinde, Holz und Mark. Auch war leicht wahr- zunehmen, daß das Mark aus einer anſcheinend homogenen ſaftigen Maſſe beſteht, das Holz dagegen aus faſeriger Subſtanz, während die Rinde der Holzpflanzen zum Theil häutige Schichten, zum Theil faſrige und markähnliche Beſchaffenheit zeigt; die Gewinnung der Geſpinſtfaſern z. B. des Flachſes aus der Rinde gab ſchon im graueſten Alterthum eine, wenn auch vage Vor- ſtellung davon, wie durch Fäulniß und mechaniſche Behandlung die faſrigen von den markigen Theilen der Rinde ſich ſondern laſſen. Auch verfehlten Ariſtoteles und Theophraſt nicht, dieſe Beſtandtheile der Pflanzenſubſtanz mit entſprechenden des thieriſchen Körpers in Parallele zu ſtellen und im erſten Buch wurde bereits gezeigt, wie Caeſalpin im Sinne dieſer ſeiner Lehrer das Mark als den eigentlich lebendigen Theil der Pflanze, als den Sitz der Pflanzenſeele in Anſpruch nahm und dieſen Gedanken morphologiſch und phyſiologiſch weiter verwerthete; er bemerkte, daß der Wurzel gewöhnlich das Mark fehlt, daß der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/247
Zitationshilfe: Sachs, Julius: Geschichte der Botanik. München, 1875, S. [235]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sachs_botanik_1875/247>, abgerufen am 22.12.2024.