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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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einen Seite mit dem Bildnisse Raphaels in der Schule von
Athen, von der anderen mit der Büste des Bindo Altoviti
von Benvenuto Cellini. Er scheint mir, wie sehr er sucht
an den Thatbestand sich streng anzuschließen, doch hier einer
unfreywilligen Selbsttäuschung nicht entgangen zu seyn.

Die Vergleichung eines Gemäldes mit einer Büste, eines
Jünglings mit einem Funfziger, einer Copie (denn Wikar
konnte in Rom nur schlechte Kupferstiche, wie Morghens, oder
Copien, oder bestens eine Bause vom Bilde des Hauses Alto-
viti zur Hand haben) mit einem Originale, eines Raphaels
mit einem Cellini, unterliegt schon an sich selbst den größten
Mißlichkeiten. Wer könnte mit Zuversicht sagen, diese oder
jene andere Knochenbildung, welche der manierte Cellini in
seiner Büste angedeutet, war genau die Knochenbildung des
Bindo, wer, daß eben diese Knochenbildung im Verlaufe von
fünfunddreißig Jahren sich durchaus nicht geändert habe?
Allein nun auch angenommen, es seyen beide Bildnisse ein
genaues facsimile der Person, welche sie darstellen, welcher
Aufwand der Einbildung ist selbst dann noch erforderlich, sie
einander ganz ähnlich zu finden!

Eins noch erschwert die Vergleichung: Raphaels Bild-
niß (ein großes Hinderniß der Behauptung jener Conjectur)
ist ein Spiegelbild; der Spiegel aber, dessen der Künstler sich
bedient, war sichtlich nicht ganz plan. Daher sind in dem
Bilde einige Formen leicht verschoben, andere, auf welche
Missiri besonderes Gewicht legt, durch eine alte, ins Violette
gehende Oelretouche vom Auge bis in den Mundwinkel un-
deutlich geworden. Es ist daher mehr als wahrscheinlich,
daß Raphaels Antlitz in manchen Zügen planer und milder
gewesen, als es hier sich zeigt.

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einen Seite mit dem Bildniſſe Raphaels in der Schule von
Athen, von der anderen mit der Buͤſte des Bindo Altoviti
von Benvenuto Cellini. Er ſcheint mir, wie ſehr er ſucht
an den Thatbeſtand ſich ſtreng anzuſchließen, doch hier einer
unfreywilligen Selbſttaͤuſchung nicht entgangen zu ſeyn.

Die Vergleichung eines Gemaͤldes mit einer Buͤſte, eines
Juͤnglings mit einem Funfziger, einer Copie (denn Wikar
konnte in Rom nur ſchlechte Kupferſtiche, wie Morghens, oder
Copien, oder beſtens eine Bauſe vom Bilde des Hauſes Alto-
viti zur Hand haben) mit einem Originale, eines Raphaels
mit einem Cellini, unterliegt ſchon an ſich ſelbſt den groͤßten
Mißlichkeiten. Wer koͤnnte mit Zuverſicht ſagen, dieſe oder
jene andere Knochenbildung, welche der manierte Cellini in
ſeiner Buͤſte angedeutet, war genau die Knochenbildung des
Bindo, wer, daß eben dieſe Knochenbildung im Verlaufe von
fuͤnfunddreißig Jahren ſich durchaus nicht geaͤndert habe?
Allein nun auch angenommen, es ſeyen beide Bildniſſe ein
genaues facsimile der Perſon, welche ſie darſtellen, welcher
Aufwand der Einbildung iſt ſelbſt dann noch erforderlich, ſie
einander ganz aͤhnlich zu finden!

Eins noch erſchwert die Vergleichung: Raphaels Bild-
niß (ein großes Hinderniß der Behauptung jener Conjectur)
iſt ein Spiegelbild; der Spiegel aber, deſſen der Kuͤnſtler ſich
bedient, war ſichtlich nicht ganz plan. Daher ſind in dem
Bilde einige Formen leicht verſchoben, andere, auf welche
Miſſiri beſonderes Gewicht legt, durch eine alte, ins Violette
gehende Oelretouche vom Auge bis in den Mundwinkel un-
deutlich geworden. Es iſt daher mehr als wahrſcheinlich,
daß Raphaels Antlitz in manchen Zuͤgen planer und milder
geweſen, als es hier ſich zeigt.

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[115/0137] einen Seite mit dem Bildniſſe Raphaels in der Schule von Athen, von der anderen mit der Buͤſte des Bindo Altoviti von Benvenuto Cellini. Er ſcheint mir, wie ſehr er ſucht an den Thatbeſtand ſich ſtreng anzuſchließen, doch hier einer unfreywilligen Selbſttaͤuſchung nicht entgangen zu ſeyn. Die Vergleichung eines Gemaͤldes mit einer Buͤſte, eines Juͤnglings mit einem Funfziger, einer Copie (denn Wikar konnte in Rom nur ſchlechte Kupferſtiche, wie Morghens, oder Copien, oder beſtens eine Bauſe vom Bilde des Hauſes Alto- viti zur Hand haben) mit einem Originale, eines Raphaels mit einem Cellini, unterliegt ſchon an ſich ſelbſt den groͤßten Mißlichkeiten. Wer koͤnnte mit Zuverſicht ſagen, dieſe oder jene andere Knochenbildung, welche der manierte Cellini in ſeiner Buͤſte angedeutet, war genau die Knochenbildung des Bindo, wer, daß eben dieſe Knochenbildung im Verlaufe von fuͤnfunddreißig Jahren ſich durchaus nicht geaͤndert habe? Allein nun auch angenommen, es ſeyen beide Bildniſſe ein genaues facsimile der Perſon, welche ſie darſtellen, welcher Aufwand der Einbildung iſt ſelbſt dann noch erforderlich, ſie einander ganz aͤhnlich zu finden! Eins noch erſchwert die Vergleichung: Raphaels Bild- niß (ein großes Hinderniß der Behauptung jener Conjectur) iſt ein Spiegelbild; der Spiegel aber, deſſen der Kuͤnſtler ſich bedient, war ſichtlich nicht ganz plan. Daher ſind in dem Bilde einige Formen leicht verſchoben, andere, auf welche Miſſiri beſonderes Gewicht legt, durch eine alte, ins Violette gehende Oelretouche vom Auge bis in den Mundwinkel un- deutlich geworden. Es iſt daher mehr als wahrſcheinlich, daß Raphaels Antlitz in manchen Zuͤgen planer und milder geweſen, als es hier ſich zeigt. 8 *

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/137>, abgerufen am 27.04.2024.