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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

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la Pace malte. Bramante aber versuchte, dem Raphael die
andere Hälfte der Sixtina zuzuwenden *)."

Dieser neuen Version läßt die Wahrscheinlichkeit nicht
sich absprechen; denn Raphael kann dem Anblicke eines so
merkwürdigen Werkes nicht sich entzogen haben, dem Eindruck
desselben nicht ausgewichen seyn. Doch ist darin noch immer
eine höchst mißliche Allgemeinheit. Denn, ohne ausgemacht
zu haben, wann Raphael zuerst jene Arbeit in der Sixtina
gesehen, und in welchen bestimmten Einzelnheiten er dieselbe
nachgeahmt habe, dürften wir der Gefahr, etwas ganz Fal-
sches zu meinen und zu behaupten, gar nicht ausweichen
können.

Die Versöhnung Julius II. mit dem Buonarota kann
frühestens gegen Ablauf des Jahres 1506 stattgefunden haben,
da nicht früher Bologna in den Besitz des Pabstes gelangt
ist. Wendete nun der Künstler, nach der Angabe des Vasari,
darauf sechzehn Monate zu Bologna auf die colossale Statue
des Pabstes, so konnte er, unumgängliche Geschäftszögerungen
und eigene Angelegenheiten hinzugenommen, nicht wohl vor
dem Jahre 1509 nach Rom zurückgekehrt seyn. Unternahm
er nun unverzüglich die malerische Verzierung der Decke der
sixtinischen Kappelle? Wir wissen davon durchaus nichts Be-
stimmtes und Sicheres. Indeß versetzte Vasari die Beendi-
gung dieses Werkes unstreitig in das letzte oder vorletzte Jahr
der Regierung Julius II. **). Gab er nun ferner der ma-

*) Vas . ed. P. cc. p. 731. s.
**) Id. ib. p. 737. -- "Dove che finita la cappella (Sistina) ed
innanzi che venisse quel Papa a morte, ordino S. S. se morisse, al
Cardinale etc. che facesse finire la sua sepoltura -- al che fare di

la Pace malte. Bramante aber verſuchte, dem Raphael die
andere Haͤlfte der Sixtina zuzuwenden *).“

Dieſer neuen Verſion laͤßt die Wahrſcheinlichkeit nicht
ſich abſprechen; denn Raphael kann dem Anblicke eines ſo
merkwuͤrdigen Werkes nicht ſich entzogen haben, dem Eindruck
deſſelben nicht ausgewichen ſeyn. Doch iſt darin noch immer
eine hoͤchſt mißliche Allgemeinheit. Denn, ohne ausgemacht
zu haben, wann Raphael zuerſt jene Arbeit in der Sixtina
geſehen, und in welchen beſtimmten Einzelnheiten er dieſelbe
nachgeahmt habe, duͤrften wir der Gefahr, etwas ganz Fal-
ſches zu meinen und zu behaupten, gar nicht ausweichen
koͤnnen.

Die Verſoͤhnung Julius II. mit dem Buonarota kann
fruͤheſtens gegen Ablauf des Jahres 1506 ſtattgefunden haben,
da nicht fruͤher Bologna in den Beſitz des Pabſtes gelangt
iſt. Wendete nun der Kuͤnſtler, nach der Angabe des Vaſari,
darauf ſechzehn Monate zu Bologna auf die coloſſale Statue
des Pabſtes, ſo konnte er, unumgaͤngliche Geſchaͤftszoͤgerungen
und eigene Angelegenheiten hinzugenommen, nicht wohl vor
dem Jahre 1509 nach Rom zuruͤckgekehrt ſeyn. Unternahm
er nun unverzuͤglich die maleriſche Verzierung der Decke der
ſixtiniſchen Kappelle? Wir wiſſen davon durchaus nichts Be-
ſtimmtes und Sicheres. Indeß verſetzte Vaſari die Beendi-
gung dieſes Werkes unſtreitig in das letzte oder vorletzte Jahr
der Regierung Julius II. **). Gab er nun ferner der ma-

*) Vas . ed. P. cc. p. 731. s.
**) Id. ib. p. 737. — „Dove che finita la cappella (Sistina) ed
innanzi che venisse quel Papa a morte, ordinò S. S. se morisse, al
Cardinale etc. che facesse finire la sua sepoltura — al che fare di
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[93/0115] la Pace malte. Bramante aber verſuchte, dem Raphael die andere Haͤlfte der Sixtina zuzuwenden *).“ Dieſer neuen Verſion laͤßt die Wahrſcheinlichkeit nicht ſich abſprechen; denn Raphael kann dem Anblicke eines ſo merkwuͤrdigen Werkes nicht ſich entzogen haben, dem Eindruck deſſelben nicht ausgewichen ſeyn. Doch iſt darin noch immer eine hoͤchſt mißliche Allgemeinheit. Denn, ohne ausgemacht zu haben, wann Raphael zuerſt jene Arbeit in der Sixtina geſehen, und in welchen beſtimmten Einzelnheiten er dieſelbe nachgeahmt habe, duͤrften wir der Gefahr, etwas ganz Fal- ſches zu meinen und zu behaupten, gar nicht ausweichen koͤnnen. Die Verſoͤhnung Julius II. mit dem Buonarota kann fruͤheſtens gegen Ablauf des Jahres 1506 ſtattgefunden haben, da nicht fruͤher Bologna in den Beſitz des Pabſtes gelangt iſt. Wendete nun der Kuͤnſtler, nach der Angabe des Vaſari, darauf ſechzehn Monate zu Bologna auf die coloſſale Statue des Pabſtes, ſo konnte er, unumgaͤngliche Geſchaͤftszoͤgerungen und eigene Angelegenheiten hinzugenommen, nicht wohl vor dem Jahre 1509 nach Rom zuruͤckgekehrt ſeyn. Unternahm er nun unverzuͤglich die maleriſche Verzierung der Decke der ſixtiniſchen Kappelle? Wir wiſſen davon durchaus nichts Be- ſtimmtes und Sicheres. Indeß verſetzte Vaſari die Beendi- gung dieſes Werkes unſtreitig in das letzte oder vorletzte Jahr der Regierung Julius II. **). Gab er nun ferner der ma- *) Vas . ed. P. cc. p. 731. s. **) Id. ib. p. 737. — „Dove che finita la cappella (Sistina) ed innanzi che venisse quel Papa a morte, ordinò S. S. se morisse, al Cardinale etc. che facesse finire la sua sepoltura — al che fare di

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/115>, abgerufen am 26.04.2024.