Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831.

Bild:
<< vorherige Seite
III.
Raphaels Leistungen zu Rom unter Julius II.

Bis zur Mitte des Jahres 1508 hatte Raphael demnach
für verschiedene Städte Italiens so viele und treffliche Werke
vollbracht, daß wir auf eine frühe Verbreitung seines Künst-
lernamens schließen dürfen, aus welcher seine Berufung nach
Rom sich hinlänglich zu erklären scheint. Wer denn auch un-
ter den gleichzeitigen Malern würde mit Raphael, wie er schon
damals war, sich haben vergleichen lassen? Etwa Michelan-
gelo
, oder Lionardo da Vinci? Der erste hatte um das Jahr
1508, nach wenigen, zum Theil nicht gelungenen Versuchen,
die Malerey fast aufgegeben; des anderen grübelnder Sinn
kaum jemals die höchste Erwartung nicht getäuscht. Oder
Perugino und andere gealterte Maler des funfzehnten Jahr-
hunderts? Wie denn überhaupt, bey allgemeinem Fortschrei-
ten, Niemand ungestraft durchaus beym Alten bleibt, so wa-
ren auch diese Künstler schon seit dem Jahre 1500 (seitdem
zuerst Lionardo allein, dann auch Michelangelo der Kunst durch
anatomische Forschungen neue Hülfswege eröffnet hatten) in
die gleichgültigste Mittelmäßigkeit zurückgesunken. Hingegen
empfahl den aufblühenden Raphael nicht allein die schönste
Anlage, nein, auch die vielseitigste technische Entwickelung,
Anstelligkeit, Gewandtheit, Rüstigkeit. Julius II., dessen Ruhm-

III.
Raphaels Leiſtungen zu Rom unter Julius II.

Bis zur Mitte des Jahres 1508 hatte Raphael demnach
fuͤr verſchiedene Staͤdte Italiens ſo viele und treffliche Werke
vollbracht, daß wir auf eine fruͤhe Verbreitung ſeines Kuͤnſt-
lernamens ſchließen duͤrfen, aus welcher ſeine Berufung nach
Rom ſich hinlaͤnglich zu erklaͤren ſcheint. Wer denn auch un-
ter den gleichzeitigen Malern wuͤrde mit Raphael, wie er ſchon
damals war, ſich haben vergleichen laſſen? Etwa Michelan-
gelo
, oder Lionardo da Vinci? Der erſte hatte um das Jahr
1508, nach wenigen, zum Theil nicht gelungenen Verſuchen,
die Malerey faſt aufgegeben; des anderen gruͤbelnder Sinn
kaum jemals die hoͤchſte Erwartung nicht getaͤuſcht. Oder
Perugino und andere gealterte Maler des funfzehnten Jahr-
hunderts? Wie denn uͤberhaupt, bey allgemeinem Fortſchrei-
ten, Niemand ungeſtraft durchaus beym Alten bleibt, ſo wa-
ren auch dieſe Kuͤnſtler ſchon ſeit dem Jahre 1500 (ſeitdem
zuerſt Lionardo allein, dann auch Michelangelo der Kunſt durch
anatomiſche Forſchungen neue Huͤlfswege eroͤffnet hatten) in
die gleichguͤltigſte Mittelmaͤßigkeit zuruͤckgeſunken. Hingegen
empfahl den aufbluͤhenden Raphael nicht allein die ſchoͤnſte
Anlage, nein, auch die vielſeitigſte techniſche Entwickelung,
Anſtelligkeit, Gewandtheit, Ruͤſtigkeit. Julius II., deſſen Ruhm-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0099" n="77"/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">III.</hi><lb/> <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphaels</persName> Lei&#x017F;tungen zu <placeName>Rom</placeName> unter </hi> <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118714090"> <hi rendition="#g">Julius</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> </persName>
              </hi> </head><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <p>Bis zur Mitte des Jahres 1508 hatte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> demnach<lb/>
fu&#x0364;r ver&#x017F;chiedene Sta&#x0364;dte <placeName>Italiens</placeName> &#x017F;o viele und treffliche Werke<lb/>
vollbracht, daß wir auf eine fru&#x0364;he Verbreitung &#x017F;eines Ku&#x0364;n&#x017F;t-<lb/>
lernamens &#x017F;chließen du&#x0364;rfen, aus welcher &#x017F;eine Berufung nach<lb/><placeName>Rom</placeName> &#x017F;ich hinla&#x0364;nglich zu erkla&#x0364;ren &#x017F;cheint. Wer denn auch un-<lb/>
ter den gleichzeitigen Malern wu&#x0364;rde mit <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName>, wie er &#x017F;chon<lb/>
damals war, &#x017F;ich haben vergleichen la&#x017F;&#x017F;en? Etwa <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118582143">Michelan-<lb/>
gelo</persName>, oder <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118640445">Lionardo da Vinci</persName>? Der er&#x017F;te hatte um das Jahr<lb/>
1508, nach wenigen, zum Theil nicht gelungenen Ver&#x017F;uchen,<lb/>
die Malerey fa&#x017F;t aufgegeben; des anderen gru&#x0364;belnder Sinn<lb/>
kaum jemals die ho&#x0364;ch&#x017F;te Erwartung nicht geta&#x0364;u&#x017F;cht. Oder<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119091771">Perugino</persName> und andere gealterte Maler des funfzehnten Jahr-<lb/>
hunderts? Wie denn u&#x0364;berhaupt, bey allgemeinem Fort&#x017F;chrei-<lb/>
ten, Niemand unge&#x017F;traft durchaus beym Alten bleibt, &#x017F;o wa-<lb/>
ren auch die&#x017F;e Ku&#x0364;n&#x017F;tler &#x017F;chon &#x017F;eit dem Jahre 1500 (&#x017F;eitdem<lb/>
zuer&#x017F;t <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118640445">Lionardo</persName> allein, dann auch <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118582143">Michelangelo</persName> der Kun&#x017F;t durch<lb/>
anatomi&#x017F;che For&#x017F;chungen neue Hu&#x0364;lfswege ero&#x0364;ffnet hatten) in<lb/>
die gleichgu&#x0364;ltig&#x017F;te Mittelma&#x0364;ßigkeit zuru&#x0364;ckge&#x017F;unken. Hingegen<lb/>
empfahl den aufblu&#x0364;henden <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597787">Raphael</persName> nicht allein die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te<lb/>
Anlage, nein, auch die viel&#x017F;eitig&#x017F;te techni&#x017F;che Entwickelung,<lb/>
An&#x017F;telligkeit, Gewandtheit, Ru&#x0364;&#x017F;tigkeit. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118714090">Julius <hi rendition="#aq">II.</hi></persName>, de&#x017F;&#x017F;en Ruhm-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0099] III. Raphaels Leiſtungen zu Rom unter Julius II. Bis zur Mitte des Jahres 1508 hatte Raphael demnach fuͤr verſchiedene Staͤdte Italiens ſo viele und treffliche Werke vollbracht, daß wir auf eine fruͤhe Verbreitung ſeines Kuͤnſt- lernamens ſchließen duͤrfen, aus welcher ſeine Berufung nach Rom ſich hinlaͤnglich zu erklaͤren ſcheint. Wer denn auch un- ter den gleichzeitigen Malern wuͤrde mit Raphael, wie er ſchon damals war, ſich haben vergleichen laſſen? Etwa Michelan- gelo, oder Lionardo da Vinci? Der erſte hatte um das Jahr 1508, nach wenigen, zum Theil nicht gelungenen Verſuchen, die Malerey faſt aufgegeben; des anderen gruͤbelnder Sinn kaum jemals die hoͤchſte Erwartung nicht getaͤuſcht. Oder Perugino und andere gealterte Maler des funfzehnten Jahr- hunderts? Wie denn uͤberhaupt, bey allgemeinem Fortſchrei- ten, Niemand ungeſtraft durchaus beym Alten bleibt, ſo wa- ren auch dieſe Kuͤnſtler ſchon ſeit dem Jahre 1500 (ſeitdem zuerſt Lionardo allein, dann auch Michelangelo der Kunſt durch anatomiſche Forſchungen neue Huͤlfswege eroͤffnet hatten) in die gleichguͤltigſte Mittelmaͤßigkeit zuruͤckgeſunken. Hingegen empfahl den aufbluͤhenden Raphael nicht allein die ſchoͤnſte Anlage, nein, auch die vielſeitigſte techniſche Entwickelung, Anſtelligkeit, Gewandtheit, Ruͤſtigkeit. Julius II., deſſen Ruhm-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/99
Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/99>, abgerufen am 18.11.2024.