Auch die bildenden Künste gehorchen, wie wir annehmen dürfen, irgend einem durchwaltenden Gesetze, enthalten irgend ein Allgemeines und Unveränderliches; ihre Anwendung und Beziehung ist indeß so mannichfach, daß Jeglicher, der unter- nimmt, den Zweck und Gebrauch der Kunst aus deren ver- einzelten Leistungen abzuleiten, gar leicht auf Ansichten ver- fällt, welche anderen vorhandenen oder möglichen widerspre- chen, und oftmals sogar viele treffliche Dinge der Kunst ganz unnöthiger Weise ausschließen.
Woher wohl, wenn nicht aus einer solchen Einseitigkeit und Gebundenheit, erklärte sich der lang genährte, so ganz müßige Streit über den Werth oder Unwerth der Andeutung von Begriffen und Gedanken des Verstandes durch vereinbar- lich zu Begriffes-Zeichen gestempelte Bilder? War nicht, wer solchen Bezeichnungen in der Kunst die höchste Stelle ein- räumte, eben nur der Befriedigung eingedenk, welche glück- liche Allegorieen ihm gewährt Hatten? War nicht im umge- kehrten Falle, wer sie durchaus verdrängen wollte, eben nur über sie hingegangen, weil andere Leistungen der Kunst ihm aus irgend einem Grunde näher gestanden? Wir indeß dür- fen ihn ganz an die Seite stellen, weil er die reine Kunstbe-
I. 1
I. Haushalt der Kunſt.
Auch die bildenden Kuͤnſte gehorchen, wie wir annehmen duͤrfen, irgend einem durchwaltenden Geſetze, enthalten irgend ein Allgemeines und Unveraͤnderliches; ihre Anwendung und Beziehung iſt indeß ſo mannichfach, daß Jeglicher, der unter- nimmt, den Zweck und Gebrauch der Kunſt aus deren ver- einzelten Leiſtungen abzuleiten, gar leicht auf Anſichten ver- faͤllt, welche anderen vorhandenen oder moͤglichen widerſpre- chen, und oftmals ſogar viele treffliche Dinge der Kunſt ganz unnoͤthiger Weiſe ausſchließen.
Woher wohl, wenn nicht aus einer ſolchen Einſeitigkeit und Gebundenheit, erklaͤrte ſich der lang genaͤhrte, ſo ganz muͤßige Streit uͤber den Werth oder Unwerth der Andeutung von Begriffen und Gedanken des Verſtandes durch vereinbar- lich zu Begriffes-Zeichen geſtempelte Bilder? War nicht, wer ſolchen Bezeichnungen in der Kunſt die hoͤchſte Stelle ein- raͤumte, eben nur der Befriedigung eingedenk, welche gluͤck- liche Allegorieen ihm gewaͤhrt Hatten? War nicht im umge- kehrten Falle, wer ſie durchaus verdraͤngen wollte, eben nur uͤber ſie hingegangen, weil andere Leiſtungen der Kunſt ihm aus irgend einem Grunde naͤher geſtanden? Wir indeß duͤr- fen ihn ganz an die Seite ſtellen, weil er die reine Kunſtbe-
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I.
Haushalt der Kunſt.
Auch die bildenden Kuͤnſte gehorchen, wie wir annehmen
duͤrfen, irgend einem durchwaltenden Geſetze, enthalten irgend
ein Allgemeines und Unveraͤnderliches; ihre Anwendung und
Beziehung iſt indeß ſo mannichfach, daß Jeglicher, der unter-
nimmt, den Zweck und Gebrauch der Kunſt aus deren ver-
einzelten Leiſtungen abzuleiten, gar leicht auf Anſichten ver-
faͤllt, welche anderen vorhandenen oder moͤglichen widerſpre-
chen, und oftmals ſogar viele treffliche Dinge der Kunſt
ganz unnoͤthiger Weiſe ausſchließen.
Woher wohl, wenn nicht aus einer ſolchen Einſeitigkeit
und Gebundenheit, erklaͤrte ſich der lang genaͤhrte, ſo ganz
muͤßige Streit uͤber den Werth oder Unwerth der Andeutung
von Begriffen und Gedanken des Verſtandes durch vereinbar-
lich zu Begriffes-Zeichen geſtempelte Bilder? War nicht, wer
ſolchen Bezeichnungen in der Kunſt die hoͤchſte Stelle ein-
raͤumte, eben nur der Befriedigung eingedenk, welche gluͤck-
liche Allegorieen ihm gewaͤhrt Hatten? War nicht im umge-
kehrten Falle, wer ſie durchaus verdraͤngen wollte, eben nur
uͤber ſie hingegangen, weil andere Leiſtungen der Kunſt ihm
aus irgend einem Grunde naͤher geſtanden? Wir indeß duͤr-
fen ihn ganz an die Seite ſtellen, weil er die reine Kunſtbe-
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 1. Berlin u. a., 1827, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01_1827/19>, abgerufen am 18.11.2024.
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