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Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

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71.
Der Vorzeit Sprache sei dir heil'ge Hieroglyphe,
Die du bewahren mußt stumm in des Busens Tiefe.
Sie lebet nicht im Ohr, sie schwebet nicht vom Munde;
Sie dringt vom Grab hervor, und klingt im Herzensgrunde.
Die Jünger mühen sich mit nicht'ger Eitelkeit
Zu haschen einen Klang, den längst verweht die Zeit.
Sie suchen ihren Mund recht närrisch zu verrenken,
Um mit erzwungnem Laut Buchstaben zu beschenken.
Sie denken, so den Geist des Lebens einzusenken
Dem Buchstab, den sie sich als einen todten denken.
Was werden sie mit der Beschwörungskunst erreichen,
Wenn zu Scheinleben sie erwecken Wörterleichen?
Das geist'ge Bild entsetzt sich vor der Körperfratze,
Und selbst erkennt sich nicht die Sprach' in dem Geschwatze.
Rückert, Lehrgedicht V. 4
71.
Der Vorzeit Sprache ſei dir heil'ge Hieroglyphe,
Die du bewahren mußt ſtumm in des Buſens Tiefe.
Sie lebet nicht im Ohr, ſie ſchwebet nicht vom Munde;
Sie dringt vom Grab hervor, und klingt im Herzensgrunde.
Die Juͤnger muͤhen ſich mit nicht'ger Eitelkeit
Zu haſchen einen Klang, den laͤngſt verweht die Zeit.
Sie ſuchen ihren Mund recht naͤrriſch zu verrenken,
Um mit erzwungnem Laut Buchſtaben zu beſchenken.
Sie denken, ſo den Geiſt des Lebens einzuſenken
Dem Buchſtab, den ſie ſich als einen todten denken.
Was werden ſie mit der Beſchwoͤrungskunſt erreichen,
Wenn zu Scheinleben ſie erwecken Woͤrterleichen?
Das geiſt'ge Bild entſetzt ſich vor der Koͤrperfratze,
Und ſelbſt erkennt ſich nicht die Sprach' in dem Geſchwatze.
Ruͤckert, Lehrgedicht V. 4
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[73/0083] 71. Der Vorzeit Sprache ſei dir heil'ge Hieroglyphe, Die du bewahren mußt ſtumm in des Buſens Tiefe. Sie lebet nicht im Ohr, ſie ſchwebet nicht vom Munde; Sie dringt vom Grab hervor, und klingt im Herzensgrunde. Die Juͤnger muͤhen ſich mit nicht'ger Eitelkeit Zu haſchen einen Klang, den laͤngſt verweht die Zeit. Sie ſuchen ihren Mund recht naͤrriſch zu verrenken, Um mit erzwungnem Laut Buchſtaben zu beſchenken. Sie denken, ſo den Geiſt des Lebens einzuſenken Dem Buchſtab, den ſie ſich als einen todten denken. Was werden ſie mit der Beſchwoͤrungskunſt erreichen, Wenn zu Scheinleben ſie erwecken Woͤrterleichen? Das geiſt'ge Bild entſetzt ſich vor der Koͤrperfratze, Und ſelbſt erkennt ſich nicht die Sprach' in dem Geſchwatze. Ruͤckert, Lehrgedicht V. 4

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Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/83>, abgerufen am 21.11.2024.