Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
47.
Vernimm die Fabeln, die ich nicht gefabelt habe;
Als Mann erzähl' ich dir, was ich gehört als Knabe.
Die zahme Ente schwamm auf ihrem Pfuhl zufrieden,
Wo von dem Hausherrn ihr das Futter war beschieden.
Die wilde Ente flog vorbei mit Lustgeschrei;
Die zahme blickt hinauf, verwundert, was es sei?
"Mein wilder Vetter, ei, wohin?" -- Zur Quellenflut
Auf Bergen, weil das Land versengt hat Sommerglut.
"Zu Quellen? ei! kennst du die Quellen, warst du dort?"
Ich nicht, die Mutter wars, und nach ihr zieht michs fort.
"Und weißt du denn den Weg?" Ich weiß ihn nicht, ich fühle
Den Trieb nur und den Zug entgegen jener Kühle.
Die zahme spricht: Bin ich nicht auch von deinem Stamm,
Und fühle keinen Trieb und Zug aus meinem Schlamm.
47.
Vernimm die Fabeln, die ich nicht gefabelt habe;
Als Mann erzaͤhl' ich dir, was ich gehoͤrt als Knabe.
Die zahme Ente ſchwamm auf ihrem Pfuhl zufrieden,
Wo von dem Hausherrn ihr das Futter war beſchieden.
Die wilde Ente flog vorbei mit Luſtgeſchrei;
Die zahme blickt hinauf, verwundert, was es ſei?
„Mein wilder Vetter, ei, wohin?“ — Zur Quellenflut
Auf Bergen, weil das Land verſengt hat Sommerglut.
„Zu Quellen? ei! kennſt du die Quellen, warſt du dort?“
Ich nicht, die Mutter wars, und nach ihr zieht michs fort.
„Und weißt du denn den Weg?“ Ich weiß ihn nicht, ich fuͤhle
Den Trieb nur und den Zug entgegen jener Kuͤhle.
Die zahme ſpricht: Bin ich nicht auch von deinem Stamm,
Und fuͤhle keinen Trieb und Zug aus meinem Schlamm.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0056" n="46"/>
        <div n="2">
          <head>47.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Vernimm die Fabeln, die ich nicht gefabelt habe;</l><lb/>
              <l>Als Mann erza&#x0364;hl' ich dir, was ich geho&#x0364;rt als Knabe.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Die zahme Ente &#x017F;chwamm auf ihrem Pfuhl zufrieden,</l><lb/>
              <l>Wo von dem Hausherrn ihr das Futter war be&#x017F;chieden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Die wilde Ente flog vorbei mit Lu&#x017F;tge&#x017F;chrei;</l><lb/>
              <l>Die zahme blickt hinauf, verwundert, was es &#x017F;ei?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>&#x201E;Mein wilder Vetter, ei, wohin?&#x201C; &#x2014; Zur Quellenflut</l><lb/>
              <l>Auf Bergen, weil das Land ver&#x017F;engt hat Sommerglut.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>&#x201E;Zu Quellen? ei! kenn&#x017F;t du die Quellen, war&#x017F;t du dort?&#x201C;</l><lb/>
              <l>Ich nicht, die Mutter wars, und nach ihr zieht michs fort.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>&#x201E;Und weißt du denn den Weg?&#x201C; Ich weiß ihn nicht, ich fu&#x0364;hle</l><lb/>
              <l>Den Trieb nur und den Zug entgegen jener Ku&#x0364;hle.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Die zahme &#x017F;pricht: Bin ich nicht auch von deinem Stamm,</l><lb/>
              <l>Und fu&#x0364;hle keinen Trieb und Zug aus meinem Schlamm.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0056] 47. Vernimm die Fabeln, die ich nicht gefabelt habe; Als Mann erzaͤhl' ich dir, was ich gehoͤrt als Knabe. Die zahme Ente ſchwamm auf ihrem Pfuhl zufrieden, Wo von dem Hausherrn ihr das Futter war beſchieden. Die wilde Ente flog vorbei mit Luſtgeſchrei; Die zahme blickt hinauf, verwundert, was es ſei? „Mein wilder Vetter, ei, wohin?“ — Zur Quellenflut Auf Bergen, weil das Land verſengt hat Sommerglut. „Zu Quellen? ei! kennſt du die Quellen, warſt du dort?“ Ich nicht, die Mutter wars, und nach ihr zieht michs fort. „Und weißt du denn den Weg?“ Ich weiß ihn nicht, ich fuͤhle Den Trieb nur und den Zug entgegen jener Kuͤhle. Die zahme ſpricht: Bin ich nicht auch von deinem Stamm, Und fuͤhle keinen Trieb und Zug aus meinem Schlamm.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/56
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/56>, abgerufen am 30.12.2024.