Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.34. Ich sprach: "Der Liebe Rausch verstehn nur trunkne Sinne;" Und daß ich recht es sprach, werd' ich mit Freuden inne. Ich freu' mich, daß mich nicht die Nüchternen verstehn, Und nur die Trunknen sich mit mir im Reigen drehn. 35. Du unterscheidest hier Vernunft und dort Verstand, Und zwischen beiden denkst du eine Scheidewand. Doch ohne Anstoß an den nur gedachten Schranken, Her und hinüber gehn die spielenden Gedanken. So unterscheidest du den Geist auch vom Gemüte, Wie am Basilikum vom duft'gen Blatt die Blüte. So unterscheidest du die Seele von dem Leib, Als seyen beide so getrennt wie Mann und Weib. Doch wie nicht Mann und Weib getrennt sind im Erkennen, So kann auch Seel' und Leib nicht die Erkenntnis trennen. 34. Ich ſprach: „Der Liebe Rauſch verſtehn nur trunkne Sinne;“ Und daß ich recht es ſprach, werd' ich mit Freuden inne. Ich freu' mich, daß mich nicht die Nuͤchternen verſtehn, Und nur die Trunknen ſich mit mir im Reigen drehn. 35. Du unterſcheideſt hier Vernunft und dort Verſtand, Und zwiſchen beiden denkſt du eine Scheidewand. Doch ohne Anſtoß an den nur gedachten Schranken, Her und hinuͤber gehn die ſpielenden Gedanken. So unterſcheideſt du den Geiſt auch vom Gemuͤte, Wie am Baſilikum vom duft'gen Blatt die Bluͤte. So unterſcheideſt du die Seele von dem Leib, Als ſeyen beide ſo getrennt wie Mann und Weib. Doch wie nicht Mann und Weib getrennt ſind im Erkennen, So kann auch Seel' und Leib nicht die Erkenntnis trennen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0041" n="31"/> <div n="2"> <head>34.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ich ſprach: „Der Liebe Rauſch verſtehn nur trunkne Sinne;“</l><lb/> <l>Und daß ich recht es ſprach, werd' ich mit Freuden inne.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Ich freu' mich, daß mich nicht die Nuͤchternen verſtehn,</l><lb/> <l>Und nur die Trunknen ſich mit mir im Reigen drehn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>35.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du unterſcheideſt hier Vernunft und dort Verſtand,</l><lb/> <l>Und zwiſchen beiden denkſt du eine Scheidewand.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Doch ohne Anſtoß an den nur gedachten Schranken,</l><lb/> <l>Her und hinuͤber gehn die ſpielenden Gedanken.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>So unterſcheideſt du den Geiſt auch vom Gemuͤte,</l><lb/> <l>Wie am Baſilikum vom duft'gen Blatt die Bluͤte.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>So unterſcheideſt du die Seele von dem Leib,</l><lb/> <l>Als ſeyen beide ſo getrennt wie Mann und Weib.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Doch wie nicht Mann und Weib getrennt ſind im Erkennen,</l><lb/> <l>So kann auch Seel' und Leib nicht die Erkenntnis trennen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [31/0041]
34.
Ich ſprach: „Der Liebe Rauſch verſtehn nur trunkne Sinne;“
Und daß ich recht es ſprach, werd' ich mit Freuden inne.
Ich freu' mich, daß mich nicht die Nuͤchternen verſtehn,
Und nur die Trunknen ſich mit mir im Reigen drehn.
35.
Du unterſcheideſt hier Vernunft und dort Verſtand,
Und zwiſchen beiden denkſt du eine Scheidewand.
Doch ohne Anſtoß an den nur gedachten Schranken,
Her und hinuͤber gehn die ſpielenden Gedanken.
So unterſcheideſt du den Geiſt auch vom Gemuͤte,
Wie am Baſilikum vom duft'gen Blatt die Bluͤte.
So unterſcheideſt du die Seele von dem Leib,
Als ſeyen beide ſo getrennt wie Mann und Weib.
Doch wie nicht Mann und Weib getrennt ſind im Erkennen,
So kann auch Seel' und Leib nicht die Erkenntnis trennen.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane05_1839/41>, abgerufen am 22.02.2025. |