Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.89. Wenn du nach Ehre strebst, die dir die Welt soll geben, So mußt du, statt dir selbst, ihr zu Gefallen leben. Nicht leben in der That, nur leben auf den Schein; Nicht was du selber willst, was sie will, mußt du seyn. Wenn du nach Reichthum strebst, nach welchem alle streben, Mußt du darum in Kampf mit allen dich begeben; Was andre haben, mußt du dir verloren achten, Und was du haben willst, zu rauben ihnen trachten. Und wenn du gar zugleich geehrt willst seyn und reich, So mußt du seyn der Welt ein Freund und Feind zugleich; Mußt stehlen ihren Schatz, und stehlen ihre Gunst; Das ist die misslichste und undankbarste Kunst. Drum rath' ich: Laß die Welt, wen sie will ehren, ehren, Und ihren Sold, wer ihn begehren will, begehren. Sich selbst in Ehren und sich selber reich zu halten, Ist Mannes Würd' und Kraft, derselben sollst du walten. Rückert, Lehrgedicht V. 13
89. Wenn du nach Ehre ſtrebſt, die dir die Welt ſoll geben, So mußt du, ſtatt dir ſelbſt, ihr zu Gefallen leben. Nicht leben in der That, nur leben auf den Schein; Nicht was du ſelber willſt, was ſie will, mußt du ſeyn. Wenn du nach Reichthum ſtrebſt, nach welchem alle ſtreben, Mußt du darum in Kampf mit allen dich begeben; Was andre haben, mußt du dir verloren achten, Und was du haben willſt, zu rauben ihnen trachten. Und wenn du gar zugleich geehrt willſt ſeyn und reich, So mußt du ſeyn der Welt ein Freund und Feind zugleich; Mußt ſtehlen ihren Schatz, und ſtehlen ihre Gunſt; Das iſt die miſſlichſte und undankbarſte Kunſt. Drum rath' ich: Laß die Welt, wen ſie will ehren, ehren, Und ihren Sold, wer ihn begehren will, begehren. Sich ſelbſt in Ehren und ſich ſelber reich zu halten, Iſt Mannes Wuͤrd' und Kraft, derſelben ſollſt du walten. Ruͤckert, Lehrgedicht V. 13
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89.
Wenn du nach Ehre ſtrebſt, die dir die Welt ſoll geben,
So mußt du, ſtatt dir ſelbſt, ihr zu Gefallen leben.
Nicht leben in der That, nur leben auf den Schein;
Nicht was du ſelber willſt, was ſie will, mußt du ſeyn.
Wenn du nach Reichthum ſtrebſt, nach welchem alle ſtreben,
Mußt du darum in Kampf mit allen dich begeben;
Was andre haben, mußt du dir verloren achten,
Und was du haben willſt, zu rauben ihnen trachten.
Und wenn du gar zugleich geehrt willſt ſeyn und reich,
So mußt du ſeyn der Welt ein Freund und Feind zugleich;
Mußt ſtehlen ihren Schatz, und ſtehlen ihre Gunſt;
Das iſt die miſſlichſte und undankbarſte Kunſt.
Drum rath' ich: Laß die Welt, wen ſie will ehren, ehren,
Und ihren Sold, wer ihn begehren will, begehren.
Sich ſelbſt in Ehren und ſich ſelber reich zu halten,
Iſt Mannes Wuͤrd' und Kraft, derſelben ſollſt du walten.
Ruͤckert, Lehrgedicht V. 13
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