Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.40. Wol ärgern dumpfen Sinn des Geistes Widersprüche, Dem feinern aber sind sie duft'ge Wohlgerüche. Denn in der Endlichkeit thut nur durch Widerspruch Unendlichkeit sich kund, wie Segen in dem Fluch. Die höchsten Dinge, die dein Denken nie kann denken, Gerad' auf diese muß sich stets dein Denken lenken. Was du erkennest als unwesenhaften Schein, Bekennest du zugleich als wesenhaft allein. Und was als Wirklichkeit dir steht vor allen Sinnen, Macht in Unwirkliches der höchste Sinn zerrinnen. Nur wenn du so zugleich bejahest und verneinest, Fühlst du, daß im Gemüt du Gott und Welt vereinest. 40. Wol aͤrgern dumpfen Sinn des Geiſtes Widerſpruͤche, Dem feinern aber ſind ſie duft'ge Wohlgeruͤche. Denn in der Endlichkeit thut nur durch Widerſpruch Unendlichkeit ſich kund, wie Segen in dem Fluch. Die hoͤchſten Dinge, die dein Denken nie kann denken, Gerad' auf dieſe muß ſich ſtets dein Denken lenken. Was du erkenneſt als unweſenhaften Schein, Bekenneſt du zugleich als weſenhaft allein. Und was als Wirklichkeit dir ſteht vor allen Sinnen, Macht in Unwirkliches der hoͤchſte Sinn zerrinnen. Nur wenn du ſo zugleich bejaheſt und verneineſt, Fuͤhlſt du, daß im Gemuͤt du Gott und Welt vereineſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0264" n="254"/> <div n="2"> <head>40.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wol aͤrgern dumpfen Sinn des Geiſtes Widerſpruͤche,</l><lb/> <l>Dem feinern aber ſind ſie duft'ge Wohlgeruͤche.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Denn in der Endlichkeit thut nur durch Widerſpruch</l><lb/> <l>Unendlichkeit ſich kund, wie Segen in dem Fluch.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Die hoͤchſten Dinge, die dein Denken nie kann denken,</l><lb/> <l>Gerad' auf dieſe muß ſich ſtets dein Denken lenken.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Was du erkenneſt als unweſenhaften Schein,</l><lb/> <l>Bekenneſt du zugleich als weſenhaft allein.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Und was als Wirklichkeit dir ſteht vor allen Sinnen,</l><lb/> <l>Macht in Unwirkliches der hoͤchſte Sinn zerrinnen.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Nur wenn du ſo zugleich bejaheſt und verneineſt,</l><lb/> <l>Fuͤhlſt du, daß im Gemuͤt du Gott und Welt vereineſt.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [254/0264]
40.
Wol aͤrgern dumpfen Sinn des Geiſtes Widerſpruͤche,
Dem feinern aber ſind ſie duft'ge Wohlgeruͤche.
Denn in der Endlichkeit thut nur durch Widerſpruch
Unendlichkeit ſich kund, wie Segen in dem Fluch.
Die hoͤchſten Dinge, die dein Denken nie kann denken,
Gerad' auf dieſe muß ſich ſtets dein Denken lenken.
Was du erkenneſt als unweſenhaften Schein,
Bekenneſt du zugleich als weſenhaft allein.
Und was als Wirklichkeit dir ſteht vor allen Sinnen,
Macht in Unwirkliches der hoͤchſte Sinn zerrinnen.
Nur wenn du ſo zugleich bejaheſt und verneineſt,
Fuͤhlſt du, daß im Gemuͤt du Gott und Welt vereineſt.
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