Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 5. Leipzig, 1839.42. Die meisten Vögel bau'n für sich allein kein Nest, Für ihre Jungen nur bau'n sie's bequem und fest. So viele Menschen auch, sie würden ihre Kraft Nicht nutzen, thäten sie's nicht für Nachkommenschaft. 43. Des Kindes erster Trieb ist sinnliches Bedürfen, Und später wächst die Kraft zu geistigen Entwürfen. Wie alle Menschen nun von Anfang Kinder sind; Die Menschheit selber, war sie Anfangs auch ein Kind? Sie war's in einem Sinn, im andern Sinne nicht; Die Menschheit war ein Kind wie neugebornes Licht. Wie neugebornes Licht, im Osten angeglommen, Nicht gleich dem Mittag ist, doch ebenso vollkommen; Am Licht des Tages wird zur Blüte sich entfalten Nur was im Morgenthau der Knospe war enthalten: 42. Die meiſten Voͤgel bau'n fuͤr ſich allein kein Neſt, Fuͤr ihre Jungen nur bau'n ſie's bequem und feſt. So viele Menſchen auch, ſie wuͤrden ihre Kraft Nicht nutzen, thaͤten ſie's nicht fuͤr Nachkommenſchaft. 43. Des Kindes erſter Trieb iſt ſinnliches Beduͤrfen, Und ſpaͤter waͤchſt die Kraft zu geiſtigen Entwuͤrfen. Wie alle Menſchen nun von Anfang Kinder ſind; Die Menſchheit ſelber, war ſie Anfangs auch ein Kind? Sie war's in einem Sinn, im andern Sinne nicht; Die Menſchheit war ein Kind wie neugebornes Licht. Wie neugebornes Licht, im Oſten angeglommen, Nicht gleich dem Mittag iſt, doch ebenſo vollkommen; Am Licht des Tages wird zur Bluͤte ſich entfalten Nur was im Morgenthau der Knoſpe war enthalten: <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0156" n="146"/> <div n="2"> <head>42.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Die meiſten Voͤgel bau'n fuͤr ſich allein kein Neſt,</l><lb/> <l>Fuͤr ihre Jungen nur bau'n ſie's bequem und feſt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>So viele Menſchen auch, ſie wuͤrden ihre Kraft</l><lb/> <l>Nicht nutzen, thaͤten ſie's nicht fuͤr Nachkommenſchaft.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>43.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Des Kindes erſter Trieb iſt ſinnliches Beduͤrfen,</l><lb/> <l>Und ſpaͤter waͤchſt die Kraft zu geiſtigen Entwuͤrfen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Wie alle Menſchen nun von Anfang Kinder ſind;</l><lb/> <l>Die Menſchheit ſelber, war ſie Anfangs auch ein Kind?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Sie war's in einem Sinn, im andern Sinne nicht;</l><lb/> <l>Die Menſchheit war ein Kind wie neugebornes Licht.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wie neugebornes Licht, im Oſten angeglommen,</l><lb/> <l>Nicht gleich dem Mittag iſt, doch ebenſo vollkommen;</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Am Licht des Tages wird zur Bluͤte ſich entfalten</l><lb/> <l>Nur was im Morgenthau der Knoſpe war enthalten:</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [146/0156]
42.
Die meiſten Voͤgel bau'n fuͤr ſich allein kein Neſt,
Fuͤr ihre Jungen nur bau'n ſie's bequem und feſt.
So viele Menſchen auch, ſie wuͤrden ihre Kraft
Nicht nutzen, thaͤten ſie's nicht fuͤr Nachkommenſchaft.
43.
Des Kindes erſter Trieb iſt ſinnliches Beduͤrfen,
Und ſpaͤter waͤchſt die Kraft zu geiſtigen Entwuͤrfen.
Wie alle Menſchen nun von Anfang Kinder ſind;
Die Menſchheit ſelber, war ſie Anfangs auch ein Kind?
Sie war's in einem Sinn, im andern Sinne nicht;
Die Menſchheit war ein Kind wie neugebornes Licht.
Wie neugebornes Licht, im Oſten angeglommen,
Nicht gleich dem Mittag iſt, doch ebenſo vollkommen;
Am Licht des Tages wird zur Bluͤte ſich entfalten
Nur was im Morgenthau der Knoſpe war enthalten:
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