Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
86.
Mein Herz, sieh an den Baum in seiner Blütenpracht;
Es wird ihm gar nicht schwer, was ihn so herrlich macht.
Aus seinem Innern scheint, er braucht sich nicht zu zwingen,
Ein Strom von Lust und Licht und Liebe zu entspringen.
Mit Mühe ringt er nicht, das Einzle zu gebären;
Das Ganze lebt und wirkt, er lässet es gewähren.
Du solltest deine Pflicht, wie er die seine, thun,
Dann wärest du so licht, und bist so trübe nun.

87.
Die Bienen wollen auch wie gute Nachbarsleute
Behandelt seyn, um gern mit dir zu theilen Beute.
Wenn jemand stirbt im Haus, must du's nicht nur ansagen
Den Nachbarn, sondern auch dem Bienenstocke klagen.
Begrüßen must du ihn mit einem frommen Spruch,
Und breiten drüberhin zugleich ein Trauertuch;
86.
Mein Herz, ſieh an den Baum in ſeiner Bluͤtenpracht;
Es wird ihm gar nicht ſchwer, was ihn ſo herrlich macht.
Aus ſeinem Innern ſcheint, er braucht ſich nicht zu zwingen,
Ein Strom von Luſt und Licht und Liebe zu entſpringen.
Mit Muͤhe ringt er nicht, das Einzle zu gebaͤren;
Das Ganze lebt und wirkt, er laͤſſet es gewaͤhren.
Du ſollteſt deine Pflicht, wie er die ſeine, thun,
Dann waͤreſt du ſo licht, und biſt ſo truͤbe nun.

87.
Die Bienen wollen auch wie gute Nachbarsleute
Behandelt ſeyn, um gern mit dir zu theilen Beute.
Wenn jemand ſtirbt im Haus, muſt du's nicht nur anſagen
Den Nachbarn, ſondern auch dem Bienenſtocke klagen.
Begruͤßen muſt du ihn mit einem frommen Spruch,
Und breiten druͤberhin zugleich ein Trauertuch;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0087" n="77"/>
        <div n="2">
          <head>86.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Mein Herz, &#x017F;ieh an den Baum in &#x017F;einer Blu&#x0364;tenpracht;</l><lb/>
              <l>Es wird ihm gar nicht &#x017F;chwer, was ihn &#x017F;o herrlich macht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Aus &#x017F;einem Innern &#x017F;cheint, er braucht &#x017F;ich nicht zu zwingen,</l><lb/>
              <l>Ein Strom von Lu&#x017F;t und Licht und Liebe zu ent&#x017F;pringen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Mit Mu&#x0364;he ringt er nicht, das Einzle zu geba&#x0364;ren;</l><lb/>
              <l>Das Ganze lebt und wirkt, er la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et es gewa&#x0364;hren.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Du &#x017F;ollte&#x017F;t deine Pflicht, wie er die &#x017F;eine, thun,</l><lb/>
              <l>Dann wa&#x0364;re&#x017F;t du &#x017F;o licht, und bi&#x017F;t &#x017F;o tru&#x0364;be nun.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head>87.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Die Bienen wollen auch wie gute Nachbarsleute</l><lb/>
              <l>Behandelt &#x017F;eyn, um gern mit dir zu theilen Beute.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Wenn jemand &#x017F;tirbt im Haus, mu&#x017F;t du's nicht nur an&#x017F;agen</l><lb/>
              <l>Den Nachbarn, &#x017F;ondern auch dem Bienen&#x017F;tocke klagen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Begru&#x0364;ßen mu&#x017F;t du ihn mit einem frommen Spruch,</l><lb/>
              <l>Und breiten dru&#x0364;berhin zugleich ein Trauertuch;</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[77/0087] 86. Mein Herz, ſieh an den Baum in ſeiner Bluͤtenpracht; Es wird ihm gar nicht ſchwer, was ihn ſo herrlich macht. Aus ſeinem Innern ſcheint, er braucht ſich nicht zu zwingen, Ein Strom von Luſt und Licht und Liebe zu entſpringen. Mit Muͤhe ringt er nicht, das Einzle zu gebaͤren; Das Ganze lebt und wirkt, er laͤſſet es gewaͤhren. Du ſollteſt deine Pflicht, wie er die ſeine, thun, Dann waͤreſt du ſo licht, und biſt ſo truͤbe nun. 87. Die Bienen wollen auch wie gute Nachbarsleute Behandelt ſeyn, um gern mit dir zu theilen Beute. Wenn jemand ſtirbt im Haus, muſt du's nicht nur anſagen Den Nachbarn, ſondern auch dem Bienenſtocke klagen. Begruͤßen muſt du ihn mit einem frommen Spruch, Und breiten druͤberhin zugleich ein Trauertuch;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/87
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/87>, abgerufen am 03.12.2024.