Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.Er ruft hinauf: Warum trag' ich des Thierreichs Krone Du sitzest, kleines Thier, dort auf der Freiheit Throne. Wie kommt es, daß du hast ein Glück, das mir nicht ward? Es rief herab: Das kommt von unsrer Lebensart. Ihr esset Fleisch und Blut, und habet schweren Muth; Ich esse Knosp' und Frucht, und habe leichtes Blut. Entbehrung ist Genuß, Genuß ist eine Bürde; Herr König, unvereint ist leichter Sinn und Würde. 84. Den Wald erfüllte laut der Löwe mit Gebrülle, Daß mit dem blut'gen Raub er seinen Rachen fülle; Als unterm Rasen leis' ein Ameislöwchen sprach: Was jagt so ungestüm dem Wild der Wilde nach? Ich sitze still im Sand, um ruhig zu verspeisen Die durch den Trichter mir herrollenden Ameisen; 4*
Er ruft hinauf: Warum trag' ich des Thierreichs Krone Du ſitzeſt, kleines Thier, dort auf der Freiheit Throne. Wie kommt es, daß du haſt ein Gluͤck, das mir nicht ward? Es rief herab: Das kommt von unſrer Lebensart. Ihr eſſet Fleiſch und Blut, und habet ſchweren Muth; Ich eſſe Knoſp' und Frucht, und habe leichtes Blut. Entbehrung iſt Genuß, Genuß iſt eine Buͤrde; Herr Koͤnig, unvereint iſt leichter Sinn und Wuͤrde. 84. Den Wald erfuͤllte laut der Loͤwe mit Gebruͤlle, Daß mit dem blut'gen Raub er ſeinen Rachen fuͤlle; Als unterm Raſen leiſ' ein Ameisloͤwchen ſprach: Was jagt ſo ungeſtuͤm dem Wild der Wilde nach? Ich ſitze ſtill im Sand, um ruhig zu verſpeiſen Die durch den Trichter mir herrollenden Ameiſen; 4*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0085" n="75"/> <lg n="4"> <l>Er ruft hinauf: Warum trag' ich des Thierreichs Krone</l><lb/> <l>Du ſitzeſt, kleines Thier, dort auf der Freiheit Throne.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Wie kommt es, daß du haſt ein Gluͤck, das mir nicht ward?</l><lb/> <l>Es rief herab: Das kommt von unſrer Lebensart.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ihr eſſet Fleiſch und Blut, und habet ſchweren Muth;</l><lb/> <l>Ich eſſe Knoſp' und Frucht, und habe leichtes Blut.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Entbehrung iſt Genuß, Genuß iſt eine Buͤrde;</l><lb/> <l>Herr Koͤnig, unvereint iſt leichter Sinn und Wuͤrde.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>84.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Den Wald erfuͤllte laut der Loͤwe mit Gebruͤlle,</l><lb/> <l>Daß mit dem blut'gen Raub er ſeinen Rachen fuͤlle;</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Als unterm Raſen leiſ' ein Ameisloͤwchen ſprach:</l><lb/> <l>Was jagt ſo ungeſtuͤm dem Wild der Wilde nach?</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ich ſitze ſtill im Sand, um ruhig zu verſpeiſen</l><lb/> <l>Die durch den Trichter mir herrollenden Ameiſen;</l> </lg><lb/> <fw place="bottom" type="sig">4*</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0085]
Er ruft hinauf: Warum trag' ich des Thierreichs Krone
Du ſitzeſt, kleines Thier, dort auf der Freiheit Throne.
Wie kommt es, daß du haſt ein Gluͤck, das mir nicht ward?
Es rief herab: Das kommt von unſrer Lebensart.
Ihr eſſet Fleiſch und Blut, und habet ſchweren Muth;
Ich eſſe Knoſp' und Frucht, und habe leichtes Blut.
Entbehrung iſt Genuß, Genuß iſt eine Buͤrde;
Herr Koͤnig, unvereint iſt leichter Sinn und Wuͤrde.
84.
Den Wald erfuͤllte laut der Loͤwe mit Gebruͤlle,
Daß mit dem blut'gen Raub er ſeinen Rachen fuͤlle;
Als unterm Raſen leiſ' ein Ameisloͤwchen ſprach:
Was jagt ſo ungeſtuͤm dem Wild der Wilde nach?
Ich ſitze ſtill im Sand, um ruhig zu verſpeiſen
Die durch den Trichter mir herrollenden Ameiſen;
4*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/85 |
Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/85>, abgerufen am 25.07.2024. |