Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>
23.
Als Blütenalter ist die Jugend wol bekannt,
Mir aber sei hinfort das Alter so genannt.
Die junge Pflanz' ist grün; wielang muß sie sich mühn
Durch Blatt und Zweig hindurch, bis ihr gelingt zu blühn!
Ihr letztes ist das Blühn, nicht erstes, zweifelsohne;
Dann stirbt sie wann sie aufgesetzt die Blütenkrone.
Wie in der Jugend auch als Raupe kriecht, im Alter
Die blütengleiche Schwing' entfaltet der Zwiefalter.
Doch fragst du wo denn sei des Alters Schwing' und Blüte?
So sag' ich: außen nicht, doch innen im Gemüte.
Das ist die Blüte, die hier athmet Seelenduft,
Dis Silfenflügelpaar trägt über Welt und Gruft.
23.
Als Bluͤtenalter iſt die Jugend wol bekannt,
Mir aber ſei hinfort das Alter ſo genannt.
Die junge Pflanz' iſt gruͤn; wielang muß ſie ſich muͤhn
Durch Blatt und Zweig hindurch, bis ihr gelingt zu bluͤhn!
Ihr letztes iſt das Bluͤhn, nicht erſtes, zweifelsohne;
Dann ſtirbt ſie wann ſie aufgeſetzt die Bluͤtenkrone.
Wie in der Jugend auch als Raupe kriecht, im Alter
Die bluͤtengleiche Schwing' entfaltet der Zwiefalter.
Doch fragſt du wo denn ſei des Alters Schwing' und Bluͤte?
So ſag' ich: außen nicht, doch innen im Gemuͤte.
Das iſt die Bluͤte, die hier athmet Seelenduft,
Dis Silfenfluͤgelpaar traͤgt uͤber Welt und Gruft.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0031" n="21"/>
        <div n="2">
          <head>23.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Als Blu&#x0364;tenalter i&#x017F;t die Jugend wol bekannt,</l><lb/>
              <l>Mir aber &#x017F;ei hinfort das Alter &#x017F;o genannt.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Die junge Pflanz' i&#x017F;t gru&#x0364;n; wielang muß &#x017F;ie &#x017F;ich mu&#x0364;hn</l><lb/>
              <l>Durch Blatt und Zweig hindurch, bis ihr gelingt zu blu&#x0364;hn!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Ihr letztes i&#x017F;t das Blu&#x0364;hn, nicht er&#x017F;tes, zweifelsohne;</l><lb/>
              <l>Dann &#x017F;tirbt &#x017F;ie wann &#x017F;ie aufge&#x017F;etzt die Blu&#x0364;tenkrone.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Wie in der Jugend auch als Raupe kriecht, im Alter</l><lb/>
              <l>Die blu&#x0364;tengleiche Schwing' entfaltet der Zwiefalter.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Doch frag&#x017F;t du wo denn &#x017F;ei des Alters Schwing' und Blu&#x0364;te?</l><lb/>
              <l>So &#x017F;ag' ich: außen nicht, doch innen im Gemu&#x0364;te.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Das i&#x017F;t die Blu&#x0364;te, die hier athmet Seelenduft,</l><lb/>
              <l>Dis Silfenflu&#x0364;gelpaar tra&#x0364;gt u&#x0364;ber Welt und Gruft.</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0031] 23. Als Bluͤtenalter iſt die Jugend wol bekannt, Mir aber ſei hinfort das Alter ſo genannt. Die junge Pflanz' iſt gruͤn; wielang muß ſie ſich muͤhn Durch Blatt und Zweig hindurch, bis ihr gelingt zu bluͤhn! Ihr letztes iſt das Bluͤhn, nicht erſtes, zweifelsohne; Dann ſtirbt ſie wann ſie aufgeſetzt die Bluͤtenkrone. Wie in der Jugend auch als Raupe kriecht, im Alter Die bluͤtengleiche Schwing' entfaltet der Zwiefalter. Doch fragſt du wo denn ſei des Alters Schwing' und Bluͤte? So ſag' ich: außen nicht, doch innen im Gemuͤte. Das iſt die Bluͤte, die hier athmet Seelenduft, Dis Silfenfluͤgelpaar traͤgt uͤber Welt und Gruft.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/31
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane03_1837/31>, abgerufen am 21.11.2024.