Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.40. Wir bringen unsern Preis der Morgensonne dar, Die hell die Schöpfung macht und unsre Seele klar. Vor ihrer Ankunft geht der Morgenwind als Bothe, Und ihres Einzugs Fahn' erscheint im Morgenrothe. Ein Schauer meldet sie; und nun erscheint sie gleich, Und nimmt mit einem Blick Besitz von ihrem Reich. Den Nebelschleier hebt sie von den Berggestalten, Und drängt den Rest der Nacht zurück in Thälerfalten. Sie füllt mit Glanz das Thal gleich einer Opferschale, Und einen eignen Stral trinkt jede Blum' im Thale. Und wie die Blum' in Lust zum Licht empor sich richtet, So hat in Menschenbrust Bewußtseyn sich gelichtet. Traumschattengaukelei, Nachttäuschungstruggespinnst, Zerreißt, Licht der Natur, wo du den Sieg gewinnst. Streck' aus die Stralenhand, das Opfer zu empfangen,
Das dir die Schöpfung bringt und Herzen voll Verlangen. 40. Wir bringen unſern Preis der Morgenſonne dar, Die hell die Schoͤpfung macht und unſre Seele klar. Vor ihrer Ankunft geht der Morgenwind als Bothe, Und ihres Einzugs Fahn' erſcheint im Morgenrothe. Ein Schauer meldet ſie; und nun erſcheint ſie gleich, Und nimmt mit einem Blick Beſitz von ihrem Reich. Den Nebelſchleier hebt ſie von den Berggeſtalten, Und draͤngt den Reſt der Nacht zuruͤck in Thaͤlerfalten. Sie fuͤllt mit Glanz das Thal gleich einer Opferſchale, Und einen eignen Stral trinkt jede Blum' im Thale. Und wie die Blum' in Luſt zum Licht empor ſich richtet, So hat in Menſchenbruſt Bewußtſeyn ſich gelichtet. Traumſchattengaukelei, Nachttaͤuſchungstruggeſpinnſt, Zerreißt, Licht der Natur, wo du den Sieg gewinnſt. Streck' aus die Stralenhand, das Opfer zu empfangen,
Das dir die Schoͤpfung bringt und Herzen voll Verlangen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0231" n="221"/> <div n="2"> <head>40.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wir bringen unſern Preis der Morgenſonne dar,</l><lb/> <l>Die hell die Schoͤpfung macht und unſre Seele klar.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Vor ihrer Ankunft geht der Morgenwind als Bothe,</l><lb/> <l>Und ihres Einzugs Fahn' erſcheint im Morgenrothe.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Ein Schauer meldet ſie; und nun erſcheint ſie gleich,</l><lb/> <l>Und nimmt mit einem Blick Beſitz von ihrem Reich.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Den Nebelſchleier hebt ſie von den Berggeſtalten,</l><lb/> <l>Und draͤngt den Reſt der Nacht zuruͤck in Thaͤlerfalten.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Sie fuͤllt mit Glanz das Thal gleich einer Opferſchale,</l><lb/> <l>Und einen eignen Stral trinkt jede Blum' im Thale.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Und wie die Blum' in Luſt zum Licht empor ſich richtet,</l><lb/> <l>So hat in Menſchenbruſt Bewußtſeyn ſich gelichtet.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Traumſchattengaukelei, Nachttaͤuſchungstruggeſpinnſt,</l><lb/> <l>Zerreißt, Licht der Natur, wo du den Sieg gewinnſt.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Streck' aus die Stralenhand, das Opfer zu empfangen,</l><lb/> <l>Das dir die Schoͤpfung bringt und Herzen voll Verlangen.</l> </lg><lb/> <l> </l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [221/0231]
40.
Wir bringen unſern Preis der Morgenſonne dar,
Die hell die Schoͤpfung macht und unſre Seele klar.
Vor ihrer Ankunft geht der Morgenwind als Bothe,
Und ihres Einzugs Fahn' erſcheint im Morgenrothe.
Ein Schauer meldet ſie; und nun erſcheint ſie gleich,
Und nimmt mit einem Blick Beſitz von ihrem Reich.
Den Nebelſchleier hebt ſie von den Berggeſtalten,
Und draͤngt den Reſt der Nacht zuruͤck in Thaͤlerfalten.
Sie fuͤllt mit Glanz das Thal gleich einer Opferſchale,
Und einen eignen Stral trinkt jede Blum' im Thale.
Und wie die Blum' in Luſt zum Licht empor ſich richtet,
So hat in Menſchenbruſt Bewußtſeyn ſich gelichtet.
Traumſchattengaukelei, Nachttaͤuſchungstruggeſpinnſt,
Zerreißt, Licht der Natur, wo du den Sieg gewinnſt.
Streck' aus die Stralenhand, das Opfer zu empfangen,
Das dir die Schoͤpfung bringt und Herzen voll Verlangen.
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