Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
272.
So lange du noch kanst erröthen und erblassen,
Bist du von menschlichen Gefühlen nicht verlassen.
Nie mögen menschliche Gefühle dir entweichen
Soweit, daß du nicht kanst erröthen und erbleichen!
Erbleichen macht dich Furcht, erröthen macht dich Scham,
Furcht die vorm Bösen kommt, und Scham die nach ihm kam.
Nur wenn du diese Furcht und Scham in dir zu tödten
Vermagst, wirst du nicht mehr erblassen und erröthen.
Wer nicht das Böse kennt, erblaßt, erröthet nicht,
Das Thier am Boden hier, der Siddha dort im Licht.
Vom Thiere fern, kanst du nicht an den Siddha reichen,
Deswegen Furcht und Scham dich wechselnd überschleichen.
Du kanst dem Thiere nicht, noch auch dem Siddha gleichen,
Dagegen wechselt dein Erröthen mit Erbleichen.
O fürchte dich nur nicht, noch schäme dich der Zeichen
Der Menschlichkeit im Schamerröthen, Furchterbleichen!
272.
So lange du noch kanſt erroͤthen und erblaſſen,
Biſt du von menſchlichen Gefuͤhlen nicht verlaſſen.
Nie moͤgen menſchliche Gefuͤhle dir entweichen
Soweit, daß du nicht kanſt erroͤthen und erbleichen!
Erbleichen macht dich Furcht, erroͤthen macht dich Scham,
Furcht die vorm Boͤſen kommt, und Scham die nach ihm kam.
Nur wenn du dieſe Furcht und Scham in dir zu toͤdten
Vermagſt, wirſt du nicht mehr erblaſſen und erroͤthen.
Wer nicht das Boͤſe kennt, erblaßt, erroͤthet nicht,
Das Thier am Boden hier, der Siddha dort im Licht.
Vom Thiere fern, kanſt du nicht an den Siddha reichen,
Deswegen Furcht und Scham dich wechſelnd uͤberſchleichen.
Du kanſt dem Thiere nicht, noch auch dem Siddha gleichen,
Dagegen wechſelt dein Erroͤthen mit Erbleichen.
O fuͤrchte dich nur nicht, noch ſchaͤme dich der Zeichen
Der Menſchlichkeit im Schamerroͤthen, Furchterbleichen!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0175" n="165"/>
        <div n="2">
          <head>272.</head><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>So lange du noch kan&#x017F;t erro&#x0364;then und erbla&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Bi&#x017F;t du von men&#x017F;chlichen Gefu&#x0364;hlen nicht verla&#x017F;&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Nie mo&#x0364;gen men&#x017F;chliche Gefu&#x0364;hle dir entweichen</l><lb/>
              <l>Soweit, daß du nicht kan&#x017F;t erro&#x0364;then und erbleichen!</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Erbleichen macht dich Furcht, erro&#x0364;then macht dich Scham,</l><lb/>
              <l>Furcht die vorm Bo&#x0364;&#x017F;en kommt, und Scham die nach ihm kam.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Nur wenn du die&#x017F;e Furcht und Scham in dir zu to&#x0364;dten</l><lb/>
              <l>Vermag&#x017F;t, wir&#x017F;t du nicht mehr erbla&#x017F;&#x017F;en und erro&#x0364;then.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="5">
              <l>Wer nicht das Bo&#x0364;&#x017F;e kennt, erblaßt, erro&#x0364;thet nicht,</l><lb/>
              <l>Das Thier am Boden hier, der Siddha dort im Licht.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="6">
              <l>Vom Thiere fern, kan&#x017F;t du nicht an den Siddha reichen,</l><lb/>
              <l>Deswegen Furcht und Scham dich wech&#x017F;elnd u&#x0364;ber&#x017F;chleichen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="7">
              <l>Du kan&#x017F;t dem Thiere nicht, noch auch dem Siddha gleichen,</l><lb/>
              <l>Dagegen wech&#x017F;elt dein Erro&#x0364;then mit Erbleichen.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="8">
              <l>O fu&#x0364;rchte dich nur nicht, noch &#x017F;cha&#x0364;me dich der Zeichen</l><lb/>
              <l>Der Men&#x017F;chlichkeit im Schamerro&#x0364;then, Furchterbleichen!</l>
            </lg><lb/>
            <l>
</l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0175] 272. So lange du noch kanſt erroͤthen und erblaſſen, Biſt du von menſchlichen Gefuͤhlen nicht verlaſſen. Nie moͤgen menſchliche Gefuͤhle dir entweichen Soweit, daß du nicht kanſt erroͤthen und erbleichen! Erbleichen macht dich Furcht, erroͤthen macht dich Scham, Furcht die vorm Boͤſen kommt, und Scham die nach ihm kam. Nur wenn du dieſe Furcht und Scham in dir zu toͤdten Vermagſt, wirſt du nicht mehr erblaſſen und erroͤthen. Wer nicht das Boͤſe kennt, erblaßt, erroͤthet nicht, Das Thier am Boden hier, der Siddha dort im Licht. Vom Thiere fern, kanſt du nicht an den Siddha reichen, Deswegen Furcht und Scham dich wechſelnd uͤberſchleichen. Du kanſt dem Thiere nicht, noch auch dem Siddha gleichen, Dagegen wechſelt dein Erroͤthen mit Erbleichen. O fuͤrchte dich nur nicht, noch ſchaͤme dich der Zeichen Der Menſchlichkeit im Schamerroͤthen, Furchterbleichen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/175
Zitationshilfe: Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 2. Leipzig, 1837, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane02_1837/175>, abgerufen am 21.11.2024.