Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.Einströmt er dem Geruch als Lenzduft, Sehnsuchtshauch, Und strömt im Athem aus als Seufzeropferrauch. Er strömt durch den Geschmack ins Mark und ins Gehirne, Und als Gedanke tritt er leuchtend aus der Stirne. Er strömt als irdischer Empfindungen Gewühle Ins Herz, und aus der Brust als himmlische Gefühle. Du fühlest: Was du bist, ist er in dir, nicht du; Und strömst in dem Gefühl dich deinem Urquell zu. 83. Du bist, und bist auch nicht. Du bist, weil durch dich ist Was ist; und bist nicht, weil du das, was ist, nicht bist. Du bist das Seiende, und das Nichtseiende, Seyngebende und von dem Seyn befreiende. Du bist einfaches Licht, und siebenfache Farben Sind Welten, die durch dich den Schein des Seyns erwarben. Durchs Licht erscheinen sie, das Licht nicht sind die Farben, Im Lichte sind sie dann, wann sie im Scheine starben. Einſtroͤmt er dem Geruch als Lenzduft, Sehnſuchtshauch, Und ſtroͤmt im Athem aus als Seufzeropferrauch. Er ſtroͤmt durch den Geſchmack ins Mark und ins Gehirne, Und als Gedanke tritt er leuchtend aus der Stirne. Er ſtroͤmt als irdiſcher Empfindungen Gewuͤhle Ins Herz, und aus der Bruſt als himmliſche Gefuͤhle. Du fuͤhleſt: Was du biſt, iſt er in dir, nicht du; Und ſtroͤmſt in dem Gefuͤhl dich deinem Urquell zu. 83. Du biſt, und biſt auch nicht. Du biſt, weil durch dich iſt Was iſt; und biſt nicht, weil du das, was iſt, nicht biſt. Du biſt das Seiende, und das Nichtſeiende, Seyngebende und von dem Seyn befreiende. Du biſt einfaches Licht, und ſiebenfache Farben Sind Welten, die durch dich den Schein des Seyns erwarben. Durchs Licht erſcheinen ſie, das Licht nicht ſind die Farben, Im Lichte ſind ſie dann, wann ſie im Scheine ſtarben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0079" n="69"/> <lg n="5"> <l>Einſtroͤmt er dem Geruch als Lenzduft, Sehnſuchtshauch,</l><lb/> <l>Und ſtroͤmt im Athem aus als Seufzeropferrauch.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Er ſtroͤmt durch den Geſchmack ins Mark und ins Gehirne,</l><lb/> <l>Und als Gedanke tritt er leuchtend aus der Stirne.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Er ſtroͤmt als irdiſcher Empfindungen Gewuͤhle</l><lb/> <l>Ins Herz, und aus der Bruſt als himmliſche Gefuͤhle.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Du fuͤhleſt: Was du biſt, iſt er in dir, nicht du;</l><lb/> <l>Und ſtroͤmſt in dem Gefuͤhl dich deinem Urquell zu.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head>83.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Du biſt, und biſt auch nicht. Du biſt, weil durch dich iſt</l><lb/> <l>Was iſt; und biſt nicht, weil du das, was iſt, nicht biſt.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Du biſt das Seiende, und das Nichtſeiende,</l><lb/> <l>Seyngebende und von dem Seyn befreiende.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Du biſt einfaches Licht, und ſiebenfache Farben</l><lb/> <l>Sind Welten, die durch dich den Schein des Seyns erwarben.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Durchs Licht erſcheinen ſie, das Licht nicht ſind die Farben,</l><lb/> <l>Im Lichte ſind ſie dann, wann ſie im Scheine ſtarben.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0079]
Einſtroͤmt er dem Geruch als Lenzduft, Sehnſuchtshauch,
Und ſtroͤmt im Athem aus als Seufzeropferrauch.
Er ſtroͤmt durch den Geſchmack ins Mark und ins Gehirne,
Und als Gedanke tritt er leuchtend aus der Stirne.
Er ſtroͤmt als irdiſcher Empfindungen Gewuͤhle
Ins Herz, und aus der Bruſt als himmliſche Gefuͤhle.
Du fuͤhleſt: Was du biſt, iſt er in dir, nicht du;
Und ſtroͤmſt in dem Gefuͤhl dich deinem Urquell zu.
83.
Du biſt, und biſt auch nicht. Du biſt, weil durch dich iſt
Was iſt; und biſt nicht, weil du das, was iſt, nicht biſt.
Du biſt das Seiende, und das Nichtſeiende,
Seyngebende und von dem Seyn befreiende.
Du biſt einfaches Licht, und ſiebenfache Farben
Sind Welten, die durch dich den Schein des Seyns erwarben.
Durchs Licht erſcheinen ſie, das Licht nicht ſind die Farben,
Im Lichte ſind ſie dann, wann ſie im Scheine ſtarben.
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