Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836.43. Zum Flaschenkürbisse sprach stolz ein Küchentopf: Wie bist du gegen mich ein unerfahrner Tropf. Mich formte Fleiß und Müh, dem Nutzen hier zu dienen; Du bist, ich weiß nicht wie, alswie aus nichts erschienen. Die Sonne wärmte dich, weil mich das Feuer hitzte; Im Schatten ruhtest du, weil ich am Herde schwitzte. Und jetzt bist du herein, sag an wozu, gekommen; Was nützest du, nachdem man dich vom Zweig genommen? Der Flaschenkürbis sprach: Was ists worauf du pochst? Ich kühle das Getränk, wenn du die Speise kochst. Voll kühlen Saftes wuchs ich einst, nun ist die Höle Gefüllt mit frischer Flut, Wein, Honig, Milch und Oele. Zwei von ungleichem Stamm, sind wir an gleicher Stäte Desselben Haushalts nur verschiednes Hausgeräthe. Du ein Gefäß der Glut, ich ein Gefäß der Huld, Ist unser Schicksal doch weder Verdienst noch Schuld. 43. Zum Flaſchenkuͤrbiſſe ſprach ſtolz ein Kuͤchentopf: Wie biſt du gegen mich ein unerfahrner Tropf. Mich formte Fleiß und Muͤh, dem Nutzen hier zu dienen; Du biſt, ich weiß nicht wie, alswie aus nichts erſchienen. Die Sonne waͤrmte dich, weil mich das Feuer hitzte; Im Schatten ruhteſt du, weil ich am Herde ſchwitzte. Und jetzt biſt du herein, ſag an wozu, gekommen; Was nuͤtzeſt du, nachdem man dich vom Zweig genommen? Der Flaſchenkuͤrbis ſprach: Was iſts worauf du pochſt? Ich kuͤhle das Getraͤnk, wenn du die Speiſe kochſt. Voll kuͤhlen Saftes wuchs ich einſt, nun iſt die Hoͤle Gefuͤllt mit friſcher Flut, Wein, Honig, Milch und Oele. Zwei von ungleichem Stamm, ſind wir an gleicher Staͤte Deſſelben Haushalts nur verſchiednes Hausgeraͤthe. Du ein Gefaͤß der Glut, ich ein Gefaͤß der Huld, Iſt unſer Schickſal doch weder Verdienſt noch Schuld. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0261" n="251"/> <div n="2"> <head>43.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Zum Flaſchenkuͤrbiſſe ſprach ſtolz ein Kuͤchentopf:</l><lb/> <l>Wie biſt du gegen mich ein unerfahrner Tropf.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Mich formte Fleiß und Muͤh, dem Nutzen hier zu dienen;</l><lb/> <l>Du biſt, ich weiß nicht wie, alswie aus nichts erſchienen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Die Sonne waͤrmte dich, weil mich das Feuer hitzte;</l><lb/> <l>Im Schatten ruhteſt du, weil ich am Herde ſchwitzte.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Und jetzt biſt du herein, ſag an wozu, gekommen;</l><lb/> <l>Was nuͤtzeſt du, nachdem man dich vom Zweig genommen?</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Der Flaſchenkuͤrbis ſprach: Was iſts worauf du pochſt?</l><lb/> <l>Ich kuͤhle das Getraͤnk, wenn du die Speiſe kochſt.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Voll kuͤhlen Saftes wuchs ich einſt, nun iſt die Hoͤle</l><lb/> <l>Gefuͤllt mit friſcher Flut, Wein, Honig, Milch und Oele.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Zwei von ungleichem Stamm, ſind wir an gleicher Staͤte</l><lb/> <l>Deſſelben Haushalts nur verſchiednes Hausgeraͤthe.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Du ein Gefaͤß der Glut, ich ein Gefaͤß der Huld,</l><lb/> <l>Iſt unſer Schickſal doch weder Verdienſt noch Schuld.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [251/0261]
43.
Zum Flaſchenkuͤrbiſſe ſprach ſtolz ein Kuͤchentopf:
Wie biſt du gegen mich ein unerfahrner Tropf.
Mich formte Fleiß und Muͤh, dem Nutzen hier zu dienen;
Du biſt, ich weiß nicht wie, alswie aus nichts erſchienen.
Die Sonne waͤrmte dich, weil mich das Feuer hitzte;
Im Schatten ruhteſt du, weil ich am Herde ſchwitzte.
Und jetzt biſt du herein, ſag an wozu, gekommen;
Was nuͤtzeſt du, nachdem man dich vom Zweig genommen?
Der Flaſchenkuͤrbis ſprach: Was iſts worauf du pochſt?
Ich kuͤhle das Getraͤnk, wenn du die Speiſe kochſt.
Voll kuͤhlen Saftes wuchs ich einſt, nun iſt die Hoͤle
Gefuͤllt mit friſcher Flut, Wein, Honig, Milch und Oele.
Zwei von ungleichem Stamm, ſind wir an gleicher Staͤte
Deſſelben Haushalts nur verſchiednes Hausgeraͤthe.
Du ein Gefaͤß der Glut, ich ein Gefaͤß der Huld,
Iſt unſer Schickſal doch weder Verdienſt noch Schuld.
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Zitationshilfe: | Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 1. Leipzig, 1836, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rueckert_brahmane01_1836/261>, abgerufen am 25.07.2024. |