es ideell, sei es reell, so realisirt, daß ihre Unendlichkeit uns Gegenstand wird: die Größe; sodann diejenige, welche die Unendlichkeit der Freiheit in der Macht des Schaffens oder Zerstörens darstellt; endlich die in der Größe ihrer Schöpfung oder Zerstörung mit ruhiger Selbstgewißheit in sich verhar¬ rende Macht: die Majestät. In der Größe erhebt sich die Freiheit über ihre Schranken; in der Macht enfaltet sie po¬ sitiv oder negativ die Stärke ihres Wesens; in der Majestät erscheint sie eben so groß als mächtig. Hieraus folgt, daß das Gemeine als die Negation des Erhabenen 1. diejenige Form des Häßlichen ist, die eine Existenz unter die Schranken herabsetzt, welche ihr zukommen: die Kleinlichkeit; 2. die¬ jenige Form, welche eine Existenz hinter demjenigen Maaß von Kraft zurückbleiben läßt, das ihr nach ihrem Wesen einwohnen sollte: die Schwächlichkeit; 3. diejenige, welche Beschränktheit und Ohnmacht mit der Unterordnung der Freiheit unter die Unfreiheit vereinigt: die Niedrigkeit. Es stehen sich also von Seiten des Erhabenen und Gemeinen als Wechselbegriffe einander gegenüber das Große und das Kleinliche; das Mächtige und das Schwächliche; das Majestätische und das Niedrige; Gegensätze, die in concreto nach ihren feineren Schattirungen noch mit vielen andern Namen bezeichnet werden.
I. Das Kleinliche.
Größe (magnitudo) überhaupt ist noch nicht erhaben; zwanzig Millionen Thaler sind ein großes Vermögen, das zu besitzen wahrscheinlich recht angenehm ist, allein etwas Erhabenes liegt gewiß nicht darin. So ist denn auch Klein¬
es ideell, ſei es reell, ſo realiſirt, daß ihre Unendlichkeit uns Gegenſtand wird: die Größe; ſodann diejenige, welche die Unendlichkeit der Freiheit in der Macht des Schaffens oder Zerſtörens darſtellt; endlich die in der Größe ihrer Schöpfung oder Zerſtörung mit ruhiger Selbſtgewißheit in ſich verhar¬ rende Macht: die Majeſtät. In der Größe erhebt ſich die Freiheit über ihre Schranken; in der Macht enfaltet ſie po¬ ſitiv oder negativ die Stärke ihres Weſens; in der Majeſtät erſcheint ſie eben ſo groß als mächtig. Hieraus folgt, daß das Gemeine als die Negation des Erhabenen 1. diejenige Form des Häßlichen iſt, die eine Exiſtenz unter die Schranken herabſetzt, welche ihr zukommen: die Kleinlichkeit; 2. die¬ jenige Form, welche eine Exiſtenz hinter demjenigen Maaß von Kraft zurückbleiben läßt, das ihr nach ihrem Weſen einwohnen ſollte: die Schwächlichkeit; 3. diejenige, welche Beſchränktheit und Ohnmacht mit der Unterordnung der Freiheit unter die Unfreiheit vereinigt: die Niedrigkeit. Es ſtehen ſich alſo von Seiten des Erhabenen und Gemeinen als Wechſelbegriffe einander gegenüber das Große und das Kleinliche; das Mächtige und das Schwächliche; das Majeſtätiſche und das Niedrige; Gegenſätze, die in concreto nach ihren feineren Schattirungen noch mit vielen andern Namen bezeichnet werden.
I. Das Kleinliche.
Größe (magnitudo) überhaupt iſt noch nicht erhaben; zwanzig Millionen Thaler ſind ein großes Vermögen, das zu beſitzen wahrſcheinlich recht angenehm iſt, allein etwas Erhabenes liegt gewiß nicht darin. So iſt denn auch Klein¬
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es ideell, ſei es reell, ſo realiſirt, daß ihre Unendlichkeit uns
Gegenſtand wird: die Größe; ſodann diejenige, welche die
Unendlichkeit der Freiheit in der Macht des Schaffens oder
Zerſtörens darſtellt; endlich die in der Größe ihrer Schöpfung
oder Zerſtörung mit ruhiger Selbſtgewißheit in ſich verhar¬
rende Macht: die Majeſtät. In der Größe erhebt ſich die
Freiheit über ihre Schranken; in der Macht enfaltet ſie po¬
ſitiv oder negativ die Stärke ihres Weſens; in der Majeſtät
erſcheint ſie eben ſo groß als mächtig. Hieraus folgt, daß
das Gemeine als die Negation des Erhabenen 1. diejenige
Form des Häßlichen iſt, die eine Exiſtenz unter die Schranken
herabſetzt, welche ihr zukommen: die Kleinlichkeit; 2. die¬
jenige Form, welche eine Exiſtenz hinter demjenigen Maaß
von Kraft zurückbleiben läßt, das ihr nach ihrem Weſen
einwohnen ſollte: die Schwächlichkeit; 3. diejenige, welche
Beſchränktheit und Ohnmacht mit der Unterordnung der
Freiheit unter die Unfreiheit vereinigt: die Niedrigkeit.
Es ſtehen ſich alſo von Seiten des Erhabenen und Gemeinen
als Wechſelbegriffe einander gegenüber das Große und
das Kleinliche; das Mächtige und das Schwächliche; das
Majeſtätiſche und das Niedrige; Gegenſätze, die in concreto
nach ihren feineren Schattirungen noch mit vielen andern
Namen bezeichnet werden.
I. Das Kleinliche.
Größe (magnitudo) überhaupt iſt noch nicht erhaben;
zwanzig Millionen Thaler ſind ein großes Vermögen, das
zu beſitzen wahrſcheinlich recht angenehm iſt, allein etwas
Erhabenes liegt gewiß nicht darin. So iſt denn auch Klein¬
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Rosenkranz, Karl: Ästhetik des Häßlichen. Königsberg, 1853, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rosenkranz_aesthetik_1853/202>, abgerufen am 19.11.2024.
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