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Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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1. Der alte Herr erzählt.

Alljährlich um die Sommerzeit tauchen Erinnerungen in mir auf, Jugenderinnerungen, schön und trübe zugleich, die mich mit unwiderstehlicher Macht gefangen nehmen. Es ist wie eine Märchenwelt, was vor meiner Seele lebendig wird, wie ein uralter Zauberwald der Romantik, der mir seine Wunder erschließt. Hundert Wasserarme durchkreuzen ihn in anmuthigen Windungen, und durch die Blätterkuppeln fällt tanzendes Sonnenlicht auf die leise bewegte Flut. Die weißen Wasserrosen duften zwischen ihren breiten Blättern und wiegen sich nach einer alten Melodie, die aus der Ferne dringt. Aus dem Schilfe nickt die Blumenbinse mit roth blühendem Fächer, und vom Erlenzweige flattert die rankende Winde herab. Blaue Libellen und dunkle Waldschmetterlinge fliegen hinüber und herüber, die Mücken spielen und die goldene Biene summt flüchtig vorbei. Es ist still am hellen Tage,

1. Der alte Herr erzählt.

Alljährlich um die Sommerzeit tauchen Erinnerungen in mir auf, Jugenderinnerungen, schön und trübe zugleich, die mich mit unwiderstehlicher Macht gefangen nehmen. Es ist wie eine Märchenwelt, was vor meiner Seele lebendig wird, wie ein uralter Zauberwald der Romantik, der mir seine Wunder erschließt. Hundert Wasserarme durchkreuzen ihn in anmuthigen Windungen, und durch die Blätterkuppeln fällt tanzendes Sonnenlicht auf die leise bewegte Flut. Die weißen Wasserrosen duften zwischen ihren breiten Blättern und wiegen sich nach einer alten Melodie, die aus der Ferne dringt. Aus dem Schilfe nickt die Blumenbinse mit roth blühendem Fächer, und vom Erlenzweige flattert die rankende Winde herab. Blaue Libellen und dunkle Waldschmetterlinge fliegen hinüber und herüber, die Mücken spielen und die goldene Biene summt flüchtig vorbei. Es ist still am hellen Tage,

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[0007] 1. Der alte Herr erzählt. Alljährlich um die Sommerzeit tauchen Erinnerungen in mir auf, Jugenderinnerungen, schön und trübe zugleich, die mich mit unwiderstehlicher Macht gefangen nehmen. Es ist wie eine Märchenwelt, was vor meiner Seele lebendig wird, wie ein uralter Zauberwald der Romantik, der mir seine Wunder erschließt. Hundert Wasserarme durchkreuzen ihn in anmuthigen Windungen, und durch die Blätterkuppeln fällt tanzendes Sonnenlicht auf die leise bewegte Flut. Die weißen Wasserrosen duften zwischen ihren breiten Blättern und wiegen sich nach einer alten Melodie, die aus der Ferne dringt. Aus dem Schilfe nickt die Blumenbinse mit roth blühendem Fächer, und vom Erlenzweige flattert die rankende Winde herab. Blaue Libellen und dunkle Waldschmetterlinge fliegen hinüber und herüber, die Mücken spielen und die goldene Biene summt flüchtig vorbei. Es ist still am hellen Tage,

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:15:33Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:15:33Z)

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Zitationshilfe: Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/7>, abgerufen am 26.04.2024.