Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rollenhagen, Gabriel: Vier Bücher Wunderbarlicher biß daher vnerhörter/ vnd vngleublicher Jndianischer reysen. Magdeburg, 1603.

Bild:
<< vorherige Seite
Das 21. Capittel/ von den
Schwanen.

DJe Schwanen sind auch in vnsern Lendern/ gar wol
bekand. Es wird aber von jhnen geschrieben/ wenn sie
nun Sterben sollen/ das sie als denn so lieblich anfan-
gen zusingen/ als kein gesang sein mag. Das haben die Hey-
den dahin gedeutet/ sie freweten sich das jhre Seelen ins ewig
Leben kommen sollen/ wie Lucianus schreibt/ das er sie vnter
die Cantores im Paradiß gefunden habe.

Die Gelerten aber in den Schulen/ haben daher den
gebrauch/ das sie die andechtige rede vnd gebeth/ die ein Mensch
kurtz für seinem Tod thut/ seinen letzten Schwanen gesangk
nennen. Also nennen sie Jacobs des Patriarchen/ vnd Moses
Testament: Die letzten wort Dauids Das gesang Simeonis/
vnd die Wort/ so der HErr Christus am Creutz geredet hat/
ein Schwanen gesangk.

Dieweil aber dennoch der Schwan keiner Nachtigalen/
sondern einer Ganß Hals/ Schnabel/ Zunge vnd Stimme
hat/ so haben die Gelerten/ jederzeit sehr an diesem Schwa-
nen gesangk gezweiffelt. Wie Plinius sehreibt. lib. 10. cap. 23.
Olorum morte narratur flebilis cantus: Falso vtarbitror,
aliquot experimentis.
Das ist. Man saget/ die Schwanen
sterben mit einem kleglichen gesang. Vnd wie ich halte/ ists
falsch. Denn es ist etliche mahl versucht.

Es halten sich aber in Pommern bey dem Fürstlichen
Schloß/ Wolgast/ viel Schwanen. Desgleichen werden auff
der Sprew/ von dem Kuhrfürsten von Brandenburg viel ge-
halten. Wie auch zum Strahlsund/ vnd zu Erffurt/ vnd in
andern Stetten Wennn sie aber eins Natürlichen Tods ster-
ben/ strecken sie sich auff den Bauch hin/ legen den Hals nieder
zur Erden/ vnd heben jhn offt wider auff/ bis sie gar beliegen.
bleiben. Jhr gesang ist aber/ als das gruntzen eines fliegenden

Kra-
Das 21. Capittel/ von den
Schwanen.

DJe Schwanen ſind auch in vnſern Lendern/ gar wol
bekand. Es wird aber von jhnen geſchrieben/ wenn ſie
nun Sterben ſollen/ das ſie als denn ſo lieblich anfan-
gen zuſingen/ als kein geſang ſein mag. Das haben die Hey-
den dahin gedeutet/ ſie freweten ſich das jhre Seelen ins ewig
Leben kommen ſollen/ wie Lucianus ſchreibt/ das er ſie vnter
die Cantores im Paradiß gefunden habe.

Die Gelerten aber in den Schulen/ haben daher den
gebrauch/ das ſie die andechtige rede vnd gebeth/ die ein Menſch
kurtz fuͤr ſeinem Tod thut/ ſeinen letzten Schwanen geſangk
nennen. Alſo nennen ſie Jacobs des Patriarchen/ vnd Moſes
Teſtament: Die letzten wort Dauids Das geſang Simeonis/
vnd die Wort/ ſo der HErr Chriſtus am Creutz geredet hat/
ein Schwanen geſangk.

Dieweil aber dennoch der Schwan keiner Nachtigalen/
ſondern einer Ganß Hals/ Schnabel/ Zunge vnd Stimme
hat/ ſo haben die Gelerten/ jederzeit ſehr an dieſem Schwa-
nen geſangk gezweiffelt. Wie Plinius ſehreibt. lib. 10. cap. 23.
Olorum morte narratur flebilis cantus: Falſo vtarbitror,
aliquot experimentis.
Das iſt. Man ſaget/ die Schwanen
ſterben mit einem kleglichen geſang. Vnd wie ich halte/ iſts
falſch. Denn es iſt etliche mahl verſucht.

Es halten ſich aber in Pommern bey dem Fuͤrſtlichen
Schloß/ Wolgaſt/ viel Schwanen. Desgleichen werden auff
der Sprew/ von dem Kuhrfuͤrſten von Brandenburg viel ge-
halten. Wie auch zum Strahlſund/ vnd zu Erffurt/ vnd in
andern Stetten Wenn̄ ſie aber eins Natuͤrlichen Tods ſter-
ben/ ſtrecken ſie ſich auff den Bauch hin/ legen den Hals nieder
zur Erden/ vnd heben jhn offt wider auff/ bis ſie gar beliegen.
bleiben. Jhr geſang iſt aber/ als das gruntzen eines fliegenden

Kra-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0290" n="280"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Das 21. Capittel/ von den<lb/>
Schwanen.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>Je Schwanen &#x017F;ind auch in vn&#x017F;ern Lendern/ gar wol<lb/>
bekand. Es wird aber von jhnen ge&#x017F;chrieben/ wenn &#x017F;ie<lb/>
nun Sterben &#x017F;ollen/ das &#x017F;ie als denn &#x017F;o lieblich anfan-<lb/>
gen zu&#x017F;ingen/ als kein ge&#x017F;ang &#x017F;ein mag. Das haben die Hey-<lb/>
den dahin gedeutet/ &#x017F;ie freweten &#x017F;ich das jhre Seelen ins ewig<lb/>
Leben kommen &#x017F;ollen/ wie <hi rendition="#aq">Lucianus</hi> &#x017F;chreibt/ das er &#x017F;ie vnter<lb/>
die Cantores im Paradiß gefunden habe.</p><lb/>
          <p>Die Gelerten aber in den Schulen/ haben daher den<lb/>
gebrauch/ das &#x017F;ie die andechtige rede vnd gebeth/ die ein Men&#x017F;ch<lb/>
kurtz fu&#x0364;r &#x017F;einem Tod thut/ &#x017F;einen letzten Schwanen ge&#x017F;angk<lb/>
nennen. Al&#x017F;o nennen &#x017F;ie Jacobs des Patriarchen/ vnd Mo&#x017F;es<lb/>
Te&#x017F;tament: Die letzten wort Dauids Das ge&#x017F;ang Simeonis/<lb/>
vnd die Wort/ &#x017F;o der HErr <choice><sic>Chri&#x017F;tns</sic><corr>Chri&#x017F;tus</corr></choice> am Creutz geredet hat/<lb/>
ein Schwanen ge&#x017F;angk.</p><lb/>
          <p>Dieweil aber dennoch der Schwan keiner Nachtigalen/<lb/>
&#x017F;ondern einer Ganß Hals/ Schnabel/ Zunge vnd Stimme<lb/>
hat/ &#x017F;o haben die Gelerten/ jederzeit &#x017F;ehr an die&#x017F;em Schwa-<lb/>
nen ge&#x017F;angk gezweiffelt. Wie <hi rendition="#aq">Plinius</hi> &#x017F;ehreibt. <hi rendition="#aq">lib. 10. cap. 23.<lb/>
Olorum morte narratur flebilis cantus: Fal&#x017F;o vtarbitror,<lb/>
aliquot experimentis.</hi> Das i&#x017F;t. Man &#x017F;aget/ die Schwanen<lb/>
&#x017F;terben mit einem kleglichen ge&#x017F;ang. Vnd wie ich halte/ i&#x017F;ts<lb/>
fal&#x017F;ch. Denn es i&#x017F;t etliche mahl ver&#x017F;ucht.</p><lb/>
          <p>Es halten &#x017F;ich aber in Pommern bey dem Fu&#x0364;r&#x017F;tlichen<lb/>
Schloß/ Wolga&#x017F;t/ viel Schwanen. Desgleichen werden auff<lb/>
der Sprew/ von dem Kuhrfu&#x0364;r&#x017F;ten von Brandenburg viel ge-<lb/>
halten. Wie auch zum Strahl&#x017F;und/ vnd zu Erffurt/ vnd in<lb/>
andern Stetten Wenn&#x0304; &#x017F;ie aber eins Natu&#x0364;rlichen Tods &#x017F;ter-<lb/>
ben/ &#x017F;trecken &#x017F;ie &#x017F;ich auff den Bauch hin/ legen den Hals nieder<lb/>
zur Erden/ vnd heben jhn offt wider auff/ bis &#x017F;ie gar beliegen.<lb/>
bleiben. Jhr ge&#x017F;ang i&#x017F;t aber/ als das gruntzen eines fliegenden<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Kra-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0290] Das 21. Capittel/ von den Schwanen. DJe Schwanen ſind auch in vnſern Lendern/ gar wol bekand. Es wird aber von jhnen geſchrieben/ wenn ſie nun Sterben ſollen/ das ſie als denn ſo lieblich anfan- gen zuſingen/ als kein geſang ſein mag. Das haben die Hey- den dahin gedeutet/ ſie freweten ſich das jhre Seelen ins ewig Leben kommen ſollen/ wie Lucianus ſchreibt/ das er ſie vnter die Cantores im Paradiß gefunden habe. Die Gelerten aber in den Schulen/ haben daher den gebrauch/ das ſie die andechtige rede vnd gebeth/ die ein Menſch kurtz fuͤr ſeinem Tod thut/ ſeinen letzten Schwanen geſangk nennen. Alſo nennen ſie Jacobs des Patriarchen/ vnd Moſes Teſtament: Die letzten wort Dauids Das geſang Simeonis/ vnd die Wort/ ſo der HErr Chriſtus am Creutz geredet hat/ ein Schwanen geſangk. Dieweil aber dennoch der Schwan keiner Nachtigalen/ ſondern einer Ganß Hals/ Schnabel/ Zunge vnd Stimme hat/ ſo haben die Gelerten/ jederzeit ſehr an dieſem Schwa- nen geſangk gezweiffelt. Wie Plinius ſehreibt. lib. 10. cap. 23. Olorum morte narratur flebilis cantus: Falſo vtarbitror, aliquot experimentis. Das iſt. Man ſaget/ die Schwanen ſterben mit einem kleglichen geſang. Vnd wie ich halte/ iſts falſch. Denn es iſt etliche mahl verſucht. Es halten ſich aber in Pommern bey dem Fuͤrſtlichen Schloß/ Wolgaſt/ viel Schwanen. Desgleichen werden auff der Sprew/ von dem Kuhrfuͤrſten von Brandenburg viel ge- halten. Wie auch zum Strahlſund/ vnd zu Erffurt/ vnd in andern Stetten Wenn̄ ſie aber eins Natuͤrlichen Tods ſter- ben/ ſtrecken ſie ſich auff den Bauch hin/ legen den Hals nieder zur Erden/ vnd heben jhn offt wider auff/ bis ſie gar beliegen. bleiben. Jhr geſang iſt aber/ als das gruntzen eines fliegenden Kra-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rollenhagen_reysen_1603
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rollenhagen_reysen_1603/290
Zitationshilfe: Rollenhagen, Gabriel: Vier Bücher Wunderbarlicher biß daher vnerhörter/ vnd vngleublicher Jndianischer reysen. Magdeburg, 1603, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rollenhagen_reysen_1603/290>, abgerufen am 30.12.2024.