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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Die Laien.

Theologie und Philosophie, jede in ihrer Weise hinaus-
strebend über einen nicht befriedigenden Volksglauben, konn-
ten ihrerseits nur langsam, jenseits der engen Genossenschaf-
ten, an deren Theilnahme sie sich zunächst wandten, einen
Einfluss auf solche Kreise gewinnen, deren Vorstellungen in
eben jenem Volksglauben wurzelten. Während der ersten
Blüthezeit der theologischen und philosophischen Bestrebungen
wird kaum hier und da einmal eine Stimme laut, welche die Er-
wartung wecken könnte, dass der Glaube an Unvergänglichkeit
und göttliche Natur der Menschenseele oder an die Einwurze-
lung alles Seelischen in einem unvergänglichen Urgrunde, aus
einer Erkenntniss der Weisen und Erleuchteten eine Ueber-
zeugung des Volkes und der Ungelehrten werden möge. "Es
bleibt nach dem Tode des Leibes lebendig des Lebens Abbild:
denn das allein stammt von den Göttern" verkündet Pindar.
Aber so sicher und wie keines Widerspruches gewärtig er hier
die Annahme der Unsterblichkeit der Seele hinstellt und aus
ihrer Gottnatur begründet: damals kann dies nur eine Ueber-
zeugung abgesonderter, eigens so belehrter Vereinigungen ge-
wesen sein. Es kann nicht Zufall sein 1), dass in den auf uns
gekommenen Bruchstücken der lyrischen und halblyrischen (ele-

1) Gelehrte und besonders Philosophen späterer Zeit achteten auf
Aeusserungen eines spiritualistisch gerichteten Glaubens in alter Dichtung;
so gut sie aus Pindar (und in dem unten zu erwähnenden Fall aus Me-
lanippides) Aussagen aushoben und festhielten, die für einen gesteigerten
Seelenglauben Zeugniss geben, würden sie uns auch aus anderen meli-
schen oder elegischen, iambischen Dichtern entsprechende Aeusserungen
mitgetheilt haben -- wenn solche bei diesen anzutreffen gewesen wären.
Sie müssen aber z. B. in den als Vorbilder dieser Dichtungsgattung be-
rühmten threnoi des Simonides gefehlt haben. Und so durchweg.
Die Laien.

Theologie und Philosophie, jede in ihrer Weise hinaus-
strebend über einen nicht befriedigenden Volksglauben, konn-
ten ihrerseits nur langsam, jenseits der engen Genossenschaf-
ten, an deren Theilnahme sie sich zunächst wandten, einen
Einfluss auf solche Kreise gewinnen, deren Vorstellungen in
eben jenem Volksglauben wurzelten. Während der ersten
Blüthezeit der theologischen und philosophischen Bestrebungen
wird kaum hier und da einmal eine Stimme laut, welche die Er-
wartung wecken könnte, dass der Glaube an Unvergänglichkeit
und göttliche Natur der Menschenseele oder an die Einwurze-
lung alles Seelischen in einem unvergänglichen Urgrunde, aus
einer Erkenntniss der Weisen und Erleuchteten eine Ueber-
zeugung des Volkes und der Ungelehrten werden möge. „Es
bleibt nach dem Tode des Leibes lebendig des Lebens Abbild:
denn das allein stammt von den Göttern“ verkündet Pindar.
Aber so sicher und wie keines Widerspruches gewärtig er hier
die Annahme der Unsterblichkeit der Seele hinstellt und aus
ihrer Gottnatur begründet: damals kann dies nur eine Ueber-
zeugung abgesonderter, eigens so belehrter Vereinigungen ge-
wesen sein. Es kann nicht Zufall sein 1), dass in den auf uns
gekommenen Bruchstücken der lyrischen und halblyrischen (ele-

1) Gelehrte und besonders Philosophen späterer Zeit achteten auf
Aeusserungen eines spiritualistisch gerichteten Glaubens in alter Dichtung;
so gut sie aus Pindar (und in dem unten zu erwähnenden Fall aus Me-
lanippides) Aussagen aushoben und festhielten, die für einen gesteigerten
Seelenglauben Zeugniss geben, würden sie uns auch aus anderen meli-
schen oder elegischen, iambischen Dichtern entsprechende Aeusserungen
mitgetheilt haben — wenn solche bei diesen anzutreffen gewesen wären.
Sie müssen aber z. B. in den als Vorbilder dieser Dichtungsgattung be-
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[[490]/0506] Die Laien. Theologie und Philosophie, jede in ihrer Weise hinaus- strebend über einen nicht befriedigenden Volksglauben, konn- ten ihrerseits nur langsam, jenseits der engen Genossenschaf- ten, an deren Theilnahme sie sich zunächst wandten, einen Einfluss auf solche Kreise gewinnen, deren Vorstellungen in eben jenem Volksglauben wurzelten. Während der ersten Blüthezeit der theologischen und philosophischen Bestrebungen wird kaum hier und da einmal eine Stimme laut, welche die Er- wartung wecken könnte, dass der Glaube an Unvergänglichkeit und göttliche Natur der Menschenseele oder an die Einwurze- lung alles Seelischen in einem unvergänglichen Urgrunde, aus einer Erkenntniss der Weisen und Erleuchteten eine Ueber- zeugung des Volkes und der Ungelehrten werden möge. „Es bleibt nach dem Tode des Leibes lebendig des Lebens Abbild: denn das allein stammt von den Göttern“ verkündet Pindar. Aber so sicher und wie keines Widerspruches gewärtig er hier die Annahme der Unsterblichkeit der Seele hinstellt und aus ihrer Gottnatur begründet: damals kann dies nur eine Ueber- zeugung abgesonderter, eigens so belehrter Vereinigungen ge- wesen sein. Es kann nicht Zufall sein 1), dass in den auf uns gekommenen Bruchstücken der lyrischen und halblyrischen (ele- 1) Gelehrte und besonders Philosophen späterer Zeit achteten auf Aeusserungen eines spiritualistisch gerichteten Glaubens in alter Dichtung; so gut sie aus Pindar (und in dem unten zu erwähnenden Fall aus Me- lanippides) Aussagen aushoben und festhielten, die für einen gesteigerten Seelenglauben Zeugniss geben, würden sie uns auch aus anderen meli- schen oder elegischen, iambischen Dichtern entsprechende Aeusserungen mitgetheilt haben — wenn solche bei diesen anzutreffen gewesen wären. Sie müssen aber z. B. in den als Vorbilder dieser Dichtungsgattung be- rühmten ϑρῆνοι des Simonides gefehlt haben. Und so durchweg.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. [490]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/506>, abgerufen am 21.11.2024.