auch wohl nach Ueberwindung manches Hemmnisses, sich be- festigte in Hellas, sich siegreich über Festland und Inseln ausbreitete, und im Laufe der Zeit jene weit und tiefreichende Bedeutung im griechischen Leben gewann, von der die home- rischen Gedichte noch keine Vorstellung geben konnten.
2.
Es war nicht mehr ganz der altthrakische Dionysos, der den übrigen grossen Göttern des griechischen Olymps, als einer ihresgleichen, zur Seite trat. Sein Wesen hellenisirt und humanisirt sich. Städte und Staaten feiern ihm Jahresfeste, in denen er als Spender des begeisternden Trankes der Rebe, als dämonischer Schützer und Förderer alles Wachsthums und Gedeihens im Pflanzenreiche und der ganzen Natur, als gött- liche Verkörperung des ganzen Umfanges und Reichthums natürlicher Lebensfülle, als Vorbild gesteigerter Lebensfreude gefeiert wird. Die Kunst, als höchste Blüthe alles Muthes und Uebermuthes zum Leben, gewinnt ins Unermessliche An- schauung und Anregung aus dem dionysischen Cult. Der letzte Gipfel griechischer Dichtung, das Drama, steigt aus den Chören dionysischer Feste empor.
Wie aber die Kunst des Schauspielers, in einen fremden Charakter einzugehn und aus diesem heraus zu reden und zu handeln, immer noch in dunkler Tiefe zusammenhängt mit ihrer letzten Wurzel, jener Verwandlung des eigenen Wesens, die, in der Ekstasis, der wahrhaft begeisterte Theilnehmer an den nächtlichen Tanzfesten des Dionysos an sich vorgehen fühlt: so haben sich in allen Wandlungen und Umbildungen seines ursprünglichen Wesens die Grundlinien des Dionysos, wie er aus der Fremde zu den Griechen gekommen war, nicht völlig verwischt. Es blieben, abseits von dem heiteren Getümmel der dionysischen Tagesfeste, wie sie namentlich Athen beging, Reste des alten enthusiastischen Cultes bestehen, der nächtlich durch die thrakischen Berge tobte. An vielen Orten erhielten
auch wohl nach Ueberwindung manches Hemmnisses, sich be- festigte in Hellas, sich siegreich über Festland und Inseln ausbreitete, und im Laufe der Zeit jene weit und tiefreichende Bedeutung im griechischen Leben gewann, von der die home- rischen Gedichte noch keine Vorstellung geben konnten.
2.
Es war nicht mehr ganz der altthrakische Dionysos, der den übrigen grossen Göttern des griechischen Olymps, als einer ihresgleichen, zur Seite trat. Sein Wesen hellenisirt und humanisirt sich. Städte und Staaten feiern ihm Jahresfeste, in denen er als Spender des begeisternden Trankes der Rebe, als dämonischer Schützer und Förderer alles Wachsthums und Gedeihens im Pflanzenreiche und der ganzen Natur, als gött- liche Verkörperung des ganzen Umfanges und Reichthums natürlicher Lebensfülle, als Vorbild gesteigerter Lebensfreude gefeiert wird. Die Kunst, als höchste Blüthe alles Muthes und Uebermuthes zum Leben, gewinnt ins Unermessliche An- schauung und Anregung aus dem dionysischen Cult. Der letzte Gipfel griechischer Dichtung, das Drama, steigt aus den Chören dionysischer Feste empor.
Wie aber die Kunst des Schauspielers, in einen fremden Charakter einzugehn und aus diesem heraus zu reden und zu handeln, immer noch in dunkler Tiefe zusammenhängt mit ihrer letzten Wurzel, jener Verwandlung des eigenen Wesens, die, in der Ekstasis, der wahrhaft begeisterte Theilnehmer an den nächtlichen Tanzfesten des Dionysos an sich vorgehen fühlt: so haben sich in allen Wandlungen und Umbildungen seines ursprünglichen Wesens die Grundlinien des Dionysos, wie er aus der Fremde zu den Griechen gekommen war, nicht völlig verwischt. Es blieben, abseits von dem heiteren Getümmel der dionysischen Tagesfeste, wie sie namentlich Athen beging, Reste des alten enthusiastischen Cultes bestehen, der nächtlich durch die thrakischen Berge tobte. An vielen Orten erhielten
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[332/0348]
auch wohl nach Ueberwindung manches Hemmnisses, sich be-
festigte in Hellas, sich siegreich über Festland und Inseln
ausbreitete, und im Laufe der Zeit jene weit und tiefreichende
Bedeutung im griechischen Leben gewann, von der die home-
rischen Gedichte noch keine Vorstellung geben konnten.
2.
Es war nicht mehr ganz der altthrakische Dionysos, der
den übrigen grossen Göttern des griechischen Olymps, als
einer ihresgleichen, zur Seite trat. Sein Wesen hellenisirt und
humanisirt sich. Städte und Staaten feiern ihm Jahresfeste,
in denen er als Spender des begeisternden Trankes der Rebe,
als dämonischer Schützer und Förderer alles Wachsthums und
Gedeihens im Pflanzenreiche und der ganzen Natur, als gött-
liche Verkörperung des ganzen Umfanges und Reichthums
natürlicher Lebensfülle, als Vorbild gesteigerter Lebensfreude
gefeiert wird. Die Kunst, als höchste Blüthe alles Muthes
und Uebermuthes zum Leben, gewinnt ins Unermessliche An-
schauung und Anregung aus dem dionysischen Cult. Der
letzte Gipfel griechischer Dichtung, das Drama, steigt aus den
Chören dionysischer Feste empor.
Wie aber die Kunst des Schauspielers, in einen fremden
Charakter einzugehn und aus diesem heraus zu reden und zu
handeln, immer noch in dunkler Tiefe zusammenhängt mit
ihrer letzten Wurzel, jener Verwandlung des eigenen Wesens,
die, in der Ekstasis, der wahrhaft begeisterte Theilnehmer an
den nächtlichen Tanzfesten des Dionysos an sich vorgehen fühlt:
so haben sich in allen Wandlungen und Umbildungen seines
ursprünglichen Wesens die Grundlinien des Dionysos, wie er
aus der Fremde zu den Griechen gekommen war, nicht völlig
verwischt. Es blieben, abseits von dem heiteren Getümmel der
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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/348>, abgerufen am 22.12.2024.
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