Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite
2. Idee der Reform. Erstes Emporsteigen der
Czartoryski.

Inmitten des allgemeinen Verfalls, in welchen die Republik
seit dem Ende des 17. Jahrhunderts je länger je mehr ver-
sank, fehlte es freilich nicht an einzelnen Männern, welche mit
schärferem Blick als die Masse der Nation die zahlreichen
Schäden, an welchen sie krankte, erkannten, die Gefahren, welche
ihr in der Zukunft drohten, voraussahen und Mittel und Wege
zur Heilung und Rettung dringend empfahlen. Sagte doch
schon König Johann Kasimir im Jahre 1661 der Nation ihr
Geschick wahrhaft prophetisch voraus. "O möchte ich ein fal-
scher Prophet sein", sprach er zu den versammelten Reichs-
ständen, "wir haben eine Theilung der Republik zu fürchten.
Moskau wird sich Lithauens bemächtigen, der Brandenburger
sich nach Großpolen vergrößern und über Preußen sich ent-
weder mit dem Schweden verständigen oder mit ihm darum
kämpfen, und auch Östreich wird, wenn es auch die reinsten
Absichten hegt, sich selbst nicht vergessen und nach Krakau und
den benachbarten Palatinaten greifen."1)

1) Diese merkwürdige Rede ist in mehreren von einander mehr oder
weniger abweichenden Fassungen überliefert, welche jedoch in dem Haupt-
gedanken vollkommen übereinstimmen. Vgl. hierüber Bandtkie, Dzieje
2. Idee der Reform. Erſtes Emporſteigen der
Czartoryski.

Inmitten des allgemeinen Verfalls, in welchen die Republik
ſeit dem Ende des 17. Jahrhunderts je länger je mehr ver-
ſank, fehlte es freilich nicht an einzelnen Männern, welche mit
ſchärferem Blick als die Maſſe der Nation die zahlreichen
Schäden, an welchen ſie krankte, erkannten, die Gefahren, welche
ihr in der Zukunft drohten, vorausſahen und Mittel und Wege
zur Heilung und Rettung dringend empfahlen. Sagte doch
ſchon König Johann Kaſimir im Jahre 1661 der Nation ihr
Geſchick wahrhaft prophetiſch voraus. „O möchte ich ein fal-
ſcher Prophet ſein“, ſprach er zu den verſammelten Reichs-
ſtänden, „wir haben eine Theilung der Republik zu fürchten.
Moskau wird ſich Lithauens bemächtigen, der Brandenburger
ſich nach Großpolen vergrößern und über Preußen ſich ent-
weder mit dem Schweden verſtändigen oder mit ihm darum
kämpfen, und auch Öſtreich wird, wenn es auch die reinſten
Abſichten hegt, ſich ſelbſt nicht vergeſſen und nach Krakau und
den benachbarten Palatinaten greifen.“1)

1) Dieſe merkwürdige Rede iſt in mehreren von einander mehr oder
weniger abweichenden Faſſungen überliefert, welche jedoch in dem Haupt-
gedanken vollkommen übereinſtimmen. Vgl. hierüber Bandtkie, Dzieje
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0040" n="[26]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">2. Idee der Reform. Er&#x017F;tes Empor&#x017F;teigen der<lb/>
Czartoryski.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p>Inmitten des allgemeinen Verfalls, in welchen die Republik<lb/>
&#x017F;eit dem Ende des 17. Jahrhunderts je länger je mehr ver-<lb/>
&#x017F;ank, fehlte es freilich nicht an einzelnen Männern, welche mit<lb/>
&#x017F;chärferem Blick als die Ma&#x017F;&#x017F;e der Nation die zahlreichen<lb/>
Schäden, an welchen &#x017F;ie krankte, erkannten, die Gefahren, welche<lb/>
ihr in der Zukunft drohten, voraus&#x017F;ahen und Mittel und Wege<lb/>
zur Heilung und Rettung dringend empfahlen. Sagte doch<lb/>
&#x017F;chon König Johann Ka&#x017F;imir im Jahre 1661 der Nation ihr<lb/>
Ge&#x017F;chick wahrhaft propheti&#x017F;ch voraus. &#x201E;O möchte ich ein fal-<lb/>
&#x017F;cher Prophet &#x017F;ein&#x201C;, &#x017F;prach er zu den ver&#x017F;ammelten Reichs-<lb/>
&#x017F;tänden, &#x201E;wir haben eine Theilung der Republik zu fürchten.<lb/>
Moskau wird &#x017F;ich Lithauens bemächtigen, der Brandenburger<lb/>
&#x017F;ich nach Großpolen vergrößern und über Preußen &#x017F;ich ent-<lb/>
weder mit dem Schweden ver&#x017F;tändigen oder mit ihm darum<lb/>
kämpfen, und auch Ö&#x017F;treich wird, wenn es auch die rein&#x017F;ten<lb/>
Ab&#x017F;ichten hegt, &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht verge&#x017F;&#x017F;en und nach Krakau und<lb/>
den benachbarten Palatinaten greifen.&#x201C;<note xml:id="seg2pn_5_1" next="#seg2pn_5_2" place="foot" n="1)">Die&#x017F;e merkwürdige Rede i&#x017F;t in mehreren von einander mehr oder<lb/>
weniger abweichenden Fa&#x017F;&#x017F;ungen überliefert, welche jedoch in dem Haupt-<lb/>
gedanken vollkommen überein&#x017F;timmen. Vgl. hierüber <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Bandtkie</hi>, Dzieje</hi></note></p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[26]/0040] 2. Idee der Reform. Erſtes Emporſteigen der Czartoryski. Inmitten des allgemeinen Verfalls, in welchen die Republik ſeit dem Ende des 17. Jahrhunderts je länger je mehr ver- ſank, fehlte es freilich nicht an einzelnen Männern, welche mit ſchärferem Blick als die Maſſe der Nation die zahlreichen Schäden, an welchen ſie krankte, erkannten, die Gefahren, welche ihr in der Zukunft drohten, vorausſahen und Mittel und Wege zur Heilung und Rettung dringend empfahlen. Sagte doch ſchon König Johann Kaſimir im Jahre 1661 der Nation ihr Geſchick wahrhaft prophetiſch voraus. „O möchte ich ein fal- ſcher Prophet ſein“, ſprach er zu den verſammelten Reichs- ſtänden, „wir haben eine Theilung der Republik zu fürchten. Moskau wird ſich Lithauens bemächtigen, der Brandenburger ſich nach Großpolen vergrößern und über Preußen ſich ent- weder mit dem Schweden verſtändigen oder mit ihm darum kämpfen, und auch Öſtreich wird, wenn es auch die reinſten Abſichten hegt, ſich ſelbſt nicht vergeſſen und nach Krakau und den benachbarten Palatinaten greifen.“ 1) 1) Dieſe merkwürdige Rede iſt in mehreren von einander mehr oder weniger abweichenden Faſſungen überliefert, welche jedoch in dem Haupt- gedanken vollkommen übereinſtimmen. Vgl. hierüber Bandtkie, Dzieje

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/40
Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. [26]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/40>, abgerufen am 22.12.2024.