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Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912.

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die Person einzelner berührender Angelegenheiten, wie Lohnfragen, Arbeitsbedingungen, Einrichtungen der Arbeitsstätten zur Unfallverhütung u. dgl., Wohlfahrtseinrichtungen u. s. w. Die Ausschüsse dürfen sowohl ihre Anträge, Wünsche und Beschwerden zur Verhandlung stellen, als auch können sie gutachtlich über derartige Fragen gehört werden. In Preußen, Sachsen, Württemberg und Baden haben die Ausschüsse daneben noch die Aufgabe der Schlichtung von Streitigkeiten der Arbeiter untereinander, wenn sie von beiden Teilen dazu angerufen werden.

Bei allen Verschiedenheiten in den Einzelheiten ist, wie sich aus den vorstehenden Darlegungen ergibt, der Gedanke, die Arbeiterschaft über ihre Interessen zu Worte kommen zu lassen und hierfür feste Einrichtungen in den A. zu schaffen, bei den Staatsbahnen in Deutsch land wie in Österreich gleichmäßig durchgeführt. In anderen Ländern bestehen solche Einrichtungen bisher noch nicht, insbesondere sind die seit 1901 für die öffentlichen Staats bahnen in Frankreich eingerichteten comites du travail nicht A. im Sinne der in diesem Artikel geschilderten. Ihnen liegt vielmehr im wesentlichen die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften über Arbeitszeit und Ruhepausen ob.

Leese.


Arbeiterkarten (workmen's tickets; billets d'ouvriers; biglietti operai). Die Begünstigungen für Arbeiterfahrten erscheinen in dreifacher Form. Die erste, ursprüngliche, ist die der Schaffung von Arbeiterzügen, die es den in der Nähe der großen Städte und Industrieorte wohnenden Arbeitern ermöglichen, in regelmäßiger und zweckmäßig gelegter Fahrt auf kurze Strecken früh vom Wohnort zum Arbeitsort zu mäßigen Preisen zu gelangen und abends wieder heimzukehren. Da, wo die Anzahl der Arbeiter zu gering ist, um wirtschaftlich die Führung eigener Züge zu rechtfertigen, wird die Fahrpreisbegünstigung auch für andere Züge zugestanden, die die niedrigste Wagenklasse führen. Eine Nebenform ist die der Begünstigung für Heimarbeiter, die den Rohstoff beim Unternehmer holen und die mit Hilfe der Hausgenossen hergestellten Produkte wieder zum Unternehmer bringen.

Die Schaffung großer Bauten einerseits, die Not an landwirtschaftlichen Arbeitern in industriellen Ländern anderseits hat die zweite Form der Fahrbegünstigung für Arbeiter (Bauarbeiter, Eisenbahnbauarbeiter, Arbeiter bei Flußregulierungen, Sachsengänger etc.) hervorgerufen, die für Reisen in größeren Gruppen und auf weitere Strecken gilt. Diese Begünstigung wird in einzelnen Ländern, die einen Oberschuß an in der Heimat nicht genügend entlohnte Arbeitsgelegenheit findenden Kräften besitzen, auch Auswanderern, zugewendet. Eine eigentümliche Anwendung findet diese Begünstigung auf den russischen Eisenbahnen, die den ermäßigten Tarif für Auswanderer auch für die Beförderung der Frauen von Verbannten gewähren, wenn diese mit ihren Kindern nach dem Verbannungsorte ihrer Männer fahren und auf der Abfahrtsstation die vorgeschriebene Bescheinigung vorweisen.

Die modernste aus der Arbeiterfürsorge entsprungene Begünstigung ist die für Arbeitsuchende, d. i. für Arbeiter, denen durch eine von der Bahn anerkannte, öffentliche oder gemeinnützige Arbeitvermittlungsstelle eine auswärtige Arbeitsstelle vermittelt worden ist. Diese Fahrpreisermäßigung ist in der Regel an einen Nachweis der Vermittlungsstelle geknüpft.

In England sind auf Anregung des Parlaments von den Bahnen Arbeiterzüge (workmen's trains), auch Parlamentszüge genannt, eingeführt worden, die aus einer Entfernung bis zu 20 englischen Meilen oder rund 30 km in der Frühe nach den Arbeitsmittelpunkten abgehen und am Abend in umgekehrter Richtung aus den Zentren nach der Umgebung verkehren. Für eine Fahrt in diesen Zügen zahlt der Arbeiter, der bei Lösung der Karte sein Arbeitsbuch vorzuweisen hat, 1 Penny (10 h = 8·5 Pf.). Die Verpflichtung, geeignete Züge zu geeigneter Zeit und zu dem angegebenen Preise zu führen, wird den neueren Bahnen konzessionsmäßig auferlegt. Eine allgemeine Verpflichtung besteht jedoch nicht.

Die grundsätzlichen Vorschriften über den Verkehr von Arbeiterzügen, enthält der Cheap Trains Act vom Jahre 1883 (46 u. 47 Vict.), der folgendes verfügt:

Wenn das Handelsamt (Board of Trade) Ursache hat zu befinden:

a) daß auf einer Eisenbahn oder auf einer Linie oder einer Gruppe von Eisenbahnen, die einer oder zwei oder mehreren Gesellschaften gehören und eine zusammenhängende Strecke bilden, nicht genügend für Reisende vorgesehen ist, die für die Fahrt einen Preis von nicht mehr als einen Penny für die Meile zu zahlen haben;

b) daß auf einer dem Personenverkehr dienenden Eisenbahn nicht so viel geeignete Züge für Arbeiter vorhanden sind, die in der Zeit von 8 Uhr früh bis 6 Uhr abends von und zur Arbeit fahren, wie es das Handelsamt für gut erachtet, so kann das Handelsamt eine Untersuchung einleiten oder auf Verlangen der Gesellschaft die Sache den Railway Commissioners (dem Eisenbahngerichtshof)

die Person einzelner berührender Angelegenheiten, wie Lohnfragen, Arbeitsbedingungen, Einrichtungen der Arbeitsstätten zur Unfallverhütung u. dgl., Wohlfahrtseinrichtungen u. s. w. Die Ausschüsse dürfen sowohl ihre Anträge, Wünsche und Beschwerden zur Verhandlung stellen, als auch können sie gutachtlich über derartige Fragen gehört werden. In Preußen, Sachsen, Württemberg und Baden haben die Ausschüsse daneben noch die Aufgabe der Schlichtung von Streitigkeiten der Arbeiter untereinander, wenn sie von beiden Teilen dazu angerufen werden.

Bei allen Verschiedenheiten in den Einzelheiten ist, wie sich aus den vorstehenden Darlegungen ergibt, der Gedanke, die Arbeiterschaft über ihre Interessen zu Worte kommen zu lassen und hierfür feste Einrichtungen in den A. zu schaffen, bei den Staatsbahnen in Deutsch land wie in Österreich gleichmäßig durchgeführt. In anderen Ländern bestehen solche Einrichtungen bisher noch nicht, insbesondere sind die seit 1901 für die öffentlichen Staats bahnen in Frankreich eingerichteten comités du travail nicht A. im Sinne der in diesem Artikel geschilderten. Ihnen liegt vielmehr im wesentlichen die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften über Arbeitszeit und Ruhepausen ob.

Leese.


Arbeiterkarten (workmen's tickets; billets d'ouvriers; biglietti operai). Die Begünstigungen für Arbeiterfahrten erscheinen in dreifacher Form. Die erste, ursprüngliche, ist die der Schaffung von Arbeiterzügen, die es den in der Nähe der großen Städte und Industrieorte wohnenden Arbeitern ermöglichen, in regelmäßiger und zweckmäßig gelegter Fahrt auf kurze Strecken früh vom Wohnort zum Arbeitsort zu mäßigen Preisen zu gelangen und abends wieder heimzukehren. Da, wo die Anzahl der Arbeiter zu gering ist, um wirtschaftlich die Führung eigener Züge zu rechtfertigen, wird die Fahrpreisbegünstigung auch für andere Züge zugestanden, die die niedrigste Wagenklasse führen. Eine Nebenform ist die der Begünstigung für Heimarbeiter, die den Rohstoff beim Unternehmer holen und die mit Hilfe der Hausgenossen hergestellten Produkte wieder zum Unternehmer bringen.

Die Schaffung großer Bauten einerseits, die Not an landwirtschaftlichen Arbeitern in industriellen Ländern anderseits hat die zweite Form der Fahrbegünstigung für Arbeiter (Bauarbeiter, Eisenbahnbauarbeiter, Arbeiter bei Flußregulierungen, Sachsengänger etc.) hervorgerufen, die für Reisen in größeren Gruppen und auf weitere Strecken gilt. Diese Begünstigung wird in einzelnen Ländern, die einen Oberschuß an in der Heimat nicht genügend entlohnte Arbeitsgelegenheit findenden Kräften besitzen, auch Auswanderern, zugewendet. Eine eigentümliche Anwendung findet diese Begünstigung auf den russischen Eisenbahnen, die den ermäßigten Tarif für Auswanderer auch für die Beförderung der Frauen von Verbannten gewähren, wenn diese mit ihren Kindern nach dem Verbannungsorte ihrer Männer fahren und auf der Abfahrtsstation die vorgeschriebene Bescheinigung vorweisen.

Die modernste aus der Arbeiterfürsorge entsprungene Begünstigung ist die für Arbeitsuchende, d. i. für Arbeiter, denen durch eine von der Bahn anerkannte, öffentliche oder gemeinnützige Arbeitvermittlungsstelle eine auswärtige Arbeitsstelle vermittelt worden ist. Diese Fahrpreisermäßigung ist in der Regel an einen Nachweis der Vermittlungsstelle geknüpft.

In England sind auf Anregung des Parlaments von den Bahnen Arbeiterzüge (workmen's trains), auch Parlamentszüge genannt, eingeführt worden, die aus einer Entfernung bis zu 20 englischen Meilen oder rund 30 km in der Frühe nach den Arbeitsmittelpunkten abgehen und am Abend in umgekehrter Richtung aus den Zentren nach der Umgebung verkehren. Für eine Fahrt in diesen Zügen zahlt der Arbeiter, der bei Lösung der Karte sein Arbeitsbuch vorzuweisen hat, 1 Penny (10 h = 8·5 Pf.). Die Verpflichtung, geeignete Züge zu geeigneter Zeit und zu dem angegebenen Preise zu führen, wird den neueren Bahnen konzessionsmäßig auferlegt. Eine allgemeine Verpflichtung besteht jedoch nicht.

Die grundsätzlichen Vorschriften über den Verkehr von Arbeiterzügen, enthält der Cheap Trains Act vom Jahre 1883 (46 u. 47 Vict.), der folgendes verfügt:

Wenn das Handelsamt (Board of Trade) Ursache hat zu befinden:

a) daß auf einer Eisenbahn oder auf einer Linie oder einer Gruppe von Eisenbahnen, die einer oder zwei oder mehreren Gesellschaften gehören und eine zusammenhängende Strecke bilden, nicht genügend für Reisende vorgesehen ist, die für die Fahrt einen Preis von nicht mehr als einen Penny für die Meile zu zahlen haben;

b) daß auf einer dem Personenverkehr dienenden Eisenbahn nicht so viel geeignete Züge für Arbeiter vorhanden sind, die in der Zeit von 8 Uhr früh bis 6 Uhr abends von und zur Arbeit fahren, wie es das Handelsamt für gut erachtet, so kann das Handelsamt eine Untersuchung einleiten oder auf Verlangen der Gesellschaft die Sache den Railway Commissioners (dem Eisenbahngerichtshof)

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[202/0211] die Person einzelner berührender Angelegenheiten, wie Lohnfragen, Arbeitsbedingungen, Einrichtungen der Arbeitsstätten zur Unfallverhütung u. dgl., Wohlfahrtseinrichtungen u. s. w. Die Ausschüsse dürfen sowohl ihre Anträge, Wünsche und Beschwerden zur Verhandlung stellen, als auch können sie gutachtlich über derartige Fragen gehört werden. In Preußen, Sachsen, Württemberg und Baden haben die Ausschüsse daneben noch die Aufgabe der Schlichtung von Streitigkeiten der Arbeiter untereinander, wenn sie von beiden Teilen dazu angerufen werden. Bei allen Verschiedenheiten in den Einzelheiten ist, wie sich aus den vorstehenden Darlegungen ergibt, der Gedanke, die Arbeiterschaft über ihre Interessen zu Worte kommen zu lassen und hierfür feste Einrichtungen in den A. zu schaffen, bei den Staatsbahnen in Deutsch land wie in Österreich gleichmäßig durchgeführt. In anderen Ländern bestehen solche Einrichtungen bisher noch nicht, insbesondere sind die seit 1901 für die öffentlichen Staats bahnen in Frankreich eingerichteten comités du travail nicht A. im Sinne der in diesem Artikel geschilderten. Ihnen liegt vielmehr im wesentlichen die Überwachung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften über Arbeitszeit und Ruhepausen ob. Leese. Arbeiterkarten (workmen's tickets; billets d'ouvriers; biglietti operai). Die Begünstigungen für Arbeiterfahrten erscheinen in dreifacher Form. Die erste, ursprüngliche, ist die der Schaffung von Arbeiterzügen, die es den in der Nähe der großen Städte und Industrieorte wohnenden Arbeitern ermöglichen, in regelmäßiger und zweckmäßig gelegter Fahrt auf kurze Strecken früh vom Wohnort zum Arbeitsort zu mäßigen Preisen zu gelangen und abends wieder heimzukehren. Da, wo die Anzahl der Arbeiter zu gering ist, um wirtschaftlich die Führung eigener Züge zu rechtfertigen, wird die Fahrpreisbegünstigung auch für andere Züge zugestanden, die die niedrigste Wagenklasse führen. Eine Nebenform ist die der Begünstigung für Heimarbeiter, die den Rohstoff beim Unternehmer holen und die mit Hilfe der Hausgenossen hergestellten Produkte wieder zum Unternehmer bringen. Die Schaffung großer Bauten einerseits, die Not an landwirtschaftlichen Arbeitern in industriellen Ländern anderseits hat die zweite Form der Fahrbegünstigung für Arbeiter (Bauarbeiter, Eisenbahnbauarbeiter, Arbeiter bei Flußregulierungen, Sachsengänger etc.) hervorgerufen, die für Reisen in größeren Gruppen und auf weitere Strecken gilt. Diese Begünstigung wird in einzelnen Ländern, die einen Oberschuß an in der Heimat nicht genügend entlohnte Arbeitsgelegenheit findenden Kräften besitzen, auch Auswanderern, zugewendet. Eine eigentümliche Anwendung findet diese Begünstigung auf den russischen Eisenbahnen, die den ermäßigten Tarif für Auswanderer auch für die Beförderung der Frauen von Verbannten gewähren, wenn diese mit ihren Kindern nach dem Verbannungsorte ihrer Männer fahren und auf der Abfahrtsstation die vorgeschriebene Bescheinigung vorweisen. Die modernste aus der Arbeiterfürsorge entsprungene Begünstigung ist die für Arbeitsuchende, d. i. für Arbeiter, denen durch eine von der Bahn anerkannte, öffentliche oder gemeinnützige Arbeitvermittlungsstelle eine auswärtige Arbeitsstelle vermittelt worden ist. Diese Fahrpreisermäßigung ist in der Regel an einen Nachweis der Vermittlungsstelle geknüpft. In England sind auf Anregung des Parlaments von den Bahnen Arbeiterzüge (workmen's trains), auch Parlamentszüge genannt, eingeführt worden, die aus einer Entfernung bis zu 20 englischen Meilen oder rund 30 km in der Frühe nach den Arbeitsmittelpunkten abgehen und am Abend in umgekehrter Richtung aus den Zentren nach der Umgebung verkehren. Für eine Fahrt in diesen Zügen zahlt der Arbeiter, der bei Lösung der Karte sein Arbeitsbuch vorzuweisen hat, 1 Penny (10 h = 8·5 Pf.). Die Verpflichtung, geeignete Züge zu geeigneter Zeit und zu dem angegebenen Preise zu führen, wird den neueren Bahnen konzessionsmäßig auferlegt. Eine allgemeine Verpflichtung besteht jedoch nicht. Die grundsätzlichen Vorschriften über den Verkehr von Arbeiterzügen, enthält der Cheap Trains Act vom Jahre 1883 (46 u. 47 Vict.), der folgendes verfügt: Wenn das Handelsamt (Board of Trade) Ursache hat zu befinden: a) daß auf einer Eisenbahn oder auf einer Linie oder einer Gruppe von Eisenbahnen, die einer oder zwei oder mehreren Gesellschaften gehören und eine zusammenhängende Strecke bilden, nicht genügend für Reisende vorgesehen ist, die für die Fahrt einen Preis von nicht mehr als einen Penny für die Meile zu zahlen haben; b) daß auf einer dem Personenverkehr dienenden Eisenbahn nicht so viel geeignete Züge für Arbeiter vorhanden sind, die in der Zeit von 8 Uhr früh bis 6 Uhr abends von und zur Arbeit fahren, wie es das Handelsamt für gut erachtet, so kann das Handelsamt eine Untersuchung einleiten oder auf Verlangen der Gesellschaft die Sache den Railway Commissioners (dem Eisenbahngerichtshof)

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Zitationshilfe: Röll, [Victor] von (Hrsg.): Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, Wien, 1912, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roell_eisenbahnwesen01_1912/211>, abgerufen am 21.11.2024.