"te sie zu sagen, seinen Fehler freimüthig zu "bekennen, als ihn zu vermeiden, und sich in "einer strafbaren Sache entschuldigen zu wollen, "wäre das ungezweifelte Zeichen eines falschen "und verkehrten Herzens."
Doch muß ich hiebei noch hinzusetzen, so groß ihre Menschenliebe war, etwas zu entschuldi- gen, wo der Charackter leiden, und eine Ent- schuldigung Platz finden konnte: so strenge be- wies sie sich in ihrem Tadel, wenn ihn eine wissentliche und ausstudierte Niederträch- tigkeit verdiente. Wie hätte sie denn dem ab- scheulichen Menschen vergeben können, der sie durch eine vorsetzliche Bosheit in sein Netz ge- zogen hatte!
Wo sie der Schönheiten u. s. w.
Th. VII. S. 810. L. 19. nach den Worten: erniedriget sind.
Dann werden sie (wenn ich eine Anmerkung hinzusetzen darf) steif und schwer, und verfallen in einen trocknen und unangenehmen Zwang. Die eine Art von diesen Gelehrten nimmt ei- ne Schreibart an, die so rauh ist, als öfters ihre Sitten zu seyn pflegen. Sie schmücken ihre Schriften mit dem Flitter-Golde der Me- taphoren. Sie versteigen sich in prächtig klingende Redensarten, und da sie das Er- habne in den Worten und nicht in den Ge- danken setzen, so bilden sie sich ein, dann am erhabensten zu schreiben, wenn sie am wenigsten
verstan-
S 3
„te ſie zu ſagen, ſeinen Fehler freimuͤthig zu „bekennen, als ihn zu vermeiden, und ſich in „einer ſtrafbaren Sache entſchuldigen zu wollen, „waͤre das ungezweifelte Zeichen eines falſchen „und verkehrten Herzens.”
Doch muß ich hiebei noch hinzuſetzen, ſo groß ihre Menſchenliebe war, etwas zu entſchuldi- gen, wo der Charackter leiden, und eine Ent- ſchuldigung Platz finden konnte: ſo ſtrenge be- wies ſie ſich in ihrem Tadel, wenn ihn eine wiſſentliche und ausſtudierte Niedertraͤch- tigkeit verdiente. Wie haͤtte ſie denn dem ab- ſcheulichen Menſchen vergeben koͤnnen, der ſie durch eine vorſetzliche Bosheit in ſein Netz ge- zogen hatte!
Wo ſie der Schoͤnheiten u. ſ. w.
Th. VII. S. 810. L. 19. nach den Worten: erniedriget ſind.
Dann werden ſie (wenn ich eine Anmerkung hinzuſetzen darf) ſteif und ſchwer, und verfallen in einen trocknen und unangenehmen Zwang. Die eine Art von dieſen Gelehrten nimmt ei- ne Schreibart an, die ſo rauh iſt, als oͤfters ihre Sitten zu ſeyn pflegen. Sie ſchmuͤcken ihre Schriften mit dem Flitter-Golde der Me- taphoren. Sie verſteigen ſich in praͤchtig klingende Redensarten, und da ſie das Er- habne in den Worten und nicht in den Ge- danken ſetzen, ſo bilden ſie ſich ein, dann am erhabenſten zu ſchreiben, wenn ſie am wenigſten
verſtan-
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„te ſie zu ſagen, ſeinen Fehler freimuͤthig zu
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„waͤre das ungezweifelte Zeichen eines falſchen
„und verkehrten Herzens.”
Doch muß ich hiebei noch hinzuſetzen, ſo groß
ihre Menſchenliebe war, etwas zu entſchuldi-
gen, wo der Charackter leiden, und eine Ent-
ſchuldigung Platz finden konnte: ſo ſtrenge be-
wies ſie ſich in ihrem Tadel, wenn ihn eine
wiſſentliche und ausſtudierte Niedertraͤch-
tigkeit verdiente. Wie haͤtte ſie denn dem ab-
ſcheulichen Menſchen vergeben koͤnnen, der ſie
durch eine vorſetzliche Bosheit in ſein Netz ge-
zogen hatte!
Wo ſie der Schoͤnheiten u. ſ. w.
Th. VII. S. 810. L. 19. nach den Worten:
erniedriget ſind.
Dann werden ſie (wenn ich eine Anmerkung
hinzuſetzen darf) ſteif und ſchwer, und verfallen
in einen trocknen und unangenehmen Zwang.
Die eine Art von dieſen Gelehrten nimmt ei-
ne Schreibart an, die ſo rauh iſt, als oͤfters
ihre Sitten zu ſeyn pflegen. Sie ſchmuͤcken
ihre Schriften mit dem Flitter-Golde der Me-
taphoren. Sie verſteigen ſich in praͤchtig
klingende Redensarten, und da ſie das Er-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/285>, abgerufen am 22.02.2025.
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