Jch kann keine Worte finden, das jenige auszu- drücken, was wir alle über die traurigste Zeitung, die uns jemals gebracht ist, ausstehen.
Meine Schwester Arabelle; aber, ach! ich habe ja nun keine andere Schwester mehr; machte sich fertig, der Fr. Norton nach London zu folgen: und ich war entschlossen sie zu begleiten, und bey der lieben Fräulein einzusprechen.
Gott sey uns allen gnädig! Weswegen schrieb der Arzt, wenn sie ihrem Ende so nahe war! - - Warum schickte er nicht eher, wie jedermann sagt? - - oder warum ließ er es nicht gar bleiben?
Die bewundernswürdigste unter jungen Frauenzimmern, die jemals gelebet haben! - - Daß nicht einer von ihren Freunden bey ihr ge- wesen! - - Ach! mein Herr, ich fürchte, meine Mutter werde diesen Stoß nimmermehr über- stehen - - Sie hat beständig alle Stunden Ohn- machten gehabt, seit dem sie die unglückliche Zei- tung bekommen. Meinem armen Vater ist das Podagra in den Magen gestiegen: und Gott weiß - - O Vetter, o mein Herr! - - ich hat- te nichts als die Ehre der Familie zum Zweck; dennoch finde ich die ganze Last auf mich gewor-
fen
K k 4
An Herrn Wilhelm Morden.
Sonnab. den 9ten Sept.
Wertheſter Herr Vetter.
Jch kann keine Worte finden, das jenige auszu- druͤcken, was wir alle uͤber die traurigſte Zeitung, die uns jemals gebracht iſt, ausſtehen.
Meine Schweſter Arabelle; aber, ach! ich habe ja nun keine andere Schweſter mehr; machte ſich fertig, der Fr. Norton nach London zu folgen: und ich war entſchloſſen ſie zu begleiten, und bey der lieben Fraͤulein einzuſprechen.
Gott ſey uns allen gnaͤdig! Weswegen ſchrieb der Arzt, wenn ſie ihrem Ende ſo nahe war! ‒ ‒ Warum ſchickte er nicht eher, wie jedermann ſagt? ‒ ‒ oder warum ließ er es nicht gar bleiben?
Die bewundernswuͤrdigſte unter jungen Frauenzimmern, die jemals gelebet haben! ‒ ‒ Daß nicht einer von ihren Freunden bey ihr ge- weſen! ‒ ‒ Ach! mein Herr, ich fuͤrchte, meine Mutter werde dieſen Stoß nimmermehr uͤber- ſtehen ‒ ‒ Sie hat beſtaͤndig alle Stunden Ohn- machten gehabt, ſeit dem ſie die ungluͤckliche Zei- tung bekommen. Meinem armen Vater iſt das Podagra in den Magen geſtiegen: und Gott weiß ‒ ‒ O Vetter, o mein Herr! ‒ ‒ ich hat- te nichts als die Ehre der Familie zum Zweck; dennoch finde ich die ganze Laſt auf mich gewor-
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An
Herrn Wilhelm Morden.
Sonnab. den 9ten Sept.
Wertheſter Herr Vetter.
Jch kann keine Worte finden, das jenige auszu-
druͤcken, was wir alle uͤber die traurigſte
Zeitung, die uns jemals gebracht iſt, ausſtehen.
Meine Schweſter Arabelle; aber, ach! ich
habe ja nun keine andere Schweſter mehr; machte
ſich fertig, der Fr. Norton nach London zu folgen:
und ich war entſchloſſen ſie zu begleiten, und bey
der lieben Fraͤulein einzuſprechen.
Gott ſey uns allen gnaͤdig! Weswegen ſchrieb
der Arzt, wenn ſie ihrem Ende ſo nahe war! ‒ ‒
Warum ſchickte er nicht eher, wie jedermann ſagt?
‒ ‒ oder warum ließ er es nicht gar bleiben?
Die bewundernswuͤrdigſte unter jungen
Frauenzimmern, die jemals gelebet haben! ‒ ‒
Daß nicht einer von ihren Freunden bey ihr ge-
weſen! ‒ ‒ Ach! mein Herr, ich fuͤrchte, meine
Mutter werde dieſen Stoß nimmermehr uͤber-
ſtehen ‒ ‒ Sie hat beſtaͤndig alle Stunden Ohn-
machten gehabt, ſeit dem ſie die ungluͤckliche Zei-
tung bekommen. Meinem armen Vater iſt das
Podagra in den Magen geſtiegen: und Gott
weiß ‒ ‒ O Vetter, o mein Herr! ‒ ‒ ich hat-
te nichts als die Ehre der Familie zum Zweck;
dennoch finde ich die ganze Laſt auf mich gewor-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/525>, abgerufen am 30.12.2024.
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