Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite




Der sieben und funfzigste Brief
von
Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.

Verflucht sey der Obrist, verflucht der Verfas-
ser des letzten Briefes, den ich bekommen
habe, und verflucht die ganze Welt! Solltest du
vorgeben, daß das Schicksal meiner Clarissa dich
eben so viel angehe, als mich selbst! Es ist gut
für einen von uns beyden, das dieß mir nicht, an
statt geschrieben, gesaget worden - - Sie mag
leben, oder sterben: so ist sie mein; - - und nur
mein allein. Habe ich sie mir nicht theuer erwor-
ben? - - Jst es nicht wahrscheinlich, daß mein
Kauf die Verdammniß seyn werde, ob der ihrige
gleich eine ewige Glückseligkeit seyn wird?

Eine ewige Trennung! O Gott! O Gott!
- - Wie kann ich diese Gedanken ertagen! - -
Allein noch ist ja Leben da - - Noch ist also
Hoffnung - - Vermehre meine Hoffnung: so
sollst du mein guter Geist seyn; und ich will dir
alles vergeben.

Für dieß letzte mal - - Jedoch es muß nicht,
es soll nicht das letzte seyn - - Gieb mir den Au-
genblick, wenn du dieß bekommst, Nachricht - -
was ich seyn soll - - denn itzo bin ich

der elendeste unter allen Menschen.

Zur Rose, zu Knightsbridge,
um fünfe.

Mein




Der ſieben und funfzigſte Brief
von
Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.

Verflucht ſey der Obriſt, verflucht der Verfaſ-
ſer des letzten Briefes, den ich bekommen
habe, und verflucht die ganze Welt! Sollteſt du
vorgeben, daß das Schickſal meiner Clariſſa dich
eben ſo viel angehe, als mich ſelbſt! Es iſt gut
fuͤr einen von uns beyden, das dieß mir nicht, an
ſtatt geſchrieben, geſaget worden ‒ ‒ Sie mag
leben, oder ſterben: ſo iſt ſie mein; ‒ ‒ und nur
mein allein. Habe ich ſie mir nicht theuer erwor-
ben? ‒ ‒ Jſt es nicht wahrſcheinlich, daß mein
Kauf die Verdammniß ſeyn werde, ob der ihrige
gleich eine ewige Gluͤckſeligkeit ſeyn wird?

Eine ewige Trennung! O Gott! O Gott!
‒ ‒ Wie kann ich dieſe Gedanken ertagen! ‒ ‒
Allein noch iſt ja Leben da ‒ ‒ Noch iſt alſo
Hoffnung ‒ ‒ Vermehre meine Hoffnung: ſo
ſollſt du mein guter Geiſt ſeyn; und ich will dir
alles vergeben.

Fuͤr dieß letzte mal ‒ ‒ Jedoch es muß nicht,
es ſoll nicht das letzte ſeyn ‒ ‒ Gieb mir den Au-
genblick, wenn du dieß bekommſt, Nachricht ‒ ‒
was ich ſeyn ſoll ‒ ‒ denn itzo bin ich

der elendeſte unter allen Menſchen.

Zur Roſe, zu Knightsbridge,
um fuͤnfe.

Mein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0454" n="448"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der &#x017F;ieben und funfzig&#x017F;te Brief</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford.</hi></head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">V</hi>erflucht &#x017F;ey der Obri&#x017F;t, verflucht der Verfa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er des letzten Briefes, den ich bekommen<lb/>
habe, und verflucht die ganze Welt! Sollte&#x017F;t du<lb/>
vorgeben, daß das Schick&#x017F;al meiner Clari&#x017F;&#x017F;a dich<lb/>
eben &#x017F;o viel angehe, als mich &#x017F;elb&#x017F;t! Es i&#x017F;t gut<lb/>
fu&#x0364;r einen von uns beyden, das dieß mir nicht, an<lb/>
&#x017F;tatt ge&#x017F;chrieben, ge&#x017F;aget worden &#x2012; &#x2012; Sie mag<lb/>
leben, oder &#x017F;terben: &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ie mein; &#x2012; &#x2012; und nur<lb/>
mein allein. Habe ich &#x017F;ie mir nicht theuer erwor-<lb/>
ben? &#x2012; &#x2012; J&#x017F;t es nicht wahr&#x017F;cheinlich, daß mein<lb/>
Kauf die Verdammniß &#x017F;eyn werde, ob der ihrige<lb/>
gleich eine ewige Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit &#x017F;eyn wird?</p><lb/>
          <p>Eine ewige Trennung! O Gott! O Gott!<lb/>
&#x2012; &#x2012; Wie kann ich die&#x017F;e Gedanken ertagen! &#x2012; &#x2012;<lb/>
Allein noch i&#x017F;t ja Leben da &#x2012; &#x2012; Noch i&#x017F;t al&#x017F;o<lb/>
Hoffnung &#x2012; &#x2012; Vermehre meine Hoffnung: &#x017F;o<lb/>
&#x017F;oll&#x017F;t du mein guter Gei&#x017F;t &#x017F;eyn; und ich will dir<lb/>
alles vergeben.</p><lb/>
          <p>Fu&#x0364;r dieß letzte mal &#x2012; &#x2012; Jedoch es muß nicht,<lb/>
es &#x017F;oll nicht das <hi rendition="#fr">letzte</hi> &#x017F;eyn &#x2012; &#x2012; Gieb mir den Au-<lb/>
genblick, wenn du dieß bekomm&#x017F;t, Nachricht &#x2012; &#x2012;<lb/>
was ich &#x017F;eyn &#x017F;oll &#x2012; &#x2012; denn itzo bin ich</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">der elende&#x017F;te unter allen Men&#x017F;chen.</hi> </hi> </p><lb/>
          <closer>
            <salute>Zur Ro&#x017F;e, zu Knightsbridge,<lb/><hi rendition="#et">um fu&#x0364;nfe.</hi></salute>
          </closer>
          <fw place="bottom" type="catch">Mein</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[448/0454] Der ſieben und funfzigſte Brief von Herrn Lovelace an Hrn. Joh. Belford. Verflucht ſey der Obriſt, verflucht der Verfaſ- ſer des letzten Briefes, den ich bekommen habe, und verflucht die ganze Welt! Sollteſt du vorgeben, daß das Schickſal meiner Clariſſa dich eben ſo viel angehe, als mich ſelbſt! Es iſt gut fuͤr einen von uns beyden, das dieß mir nicht, an ſtatt geſchrieben, geſaget worden ‒ ‒ Sie mag leben, oder ſterben: ſo iſt ſie mein; ‒ ‒ und nur mein allein. Habe ich ſie mir nicht theuer erwor- ben? ‒ ‒ Jſt es nicht wahrſcheinlich, daß mein Kauf die Verdammniß ſeyn werde, ob der ihrige gleich eine ewige Gluͤckſeligkeit ſeyn wird? Eine ewige Trennung! O Gott! O Gott! ‒ ‒ Wie kann ich dieſe Gedanken ertagen! ‒ ‒ Allein noch iſt ja Leben da ‒ ‒ Noch iſt alſo Hoffnung ‒ ‒ Vermehre meine Hoffnung: ſo ſollſt du mein guter Geiſt ſeyn; und ich will dir alles vergeben. Fuͤr dieß letzte mal ‒ ‒ Jedoch es muß nicht, es ſoll nicht das letzte ſeyn ‒ ‒ Gieb mir den Au- genblick, wenn du dieß bekommſt, Nachricht ‒ ‒ was ich ſeyn ſoll ‒ ‒ denn itzo bin ich der elendeſte unter allen Menſchen. Zur Roſe, zu Knightsbridge, um fuͤnfe. Mein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/454
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/454>, abgerufen am 30.12.2024.