Der zwey und funfzigste Brief von Herrn Belford an Hrn. Rob. Lovelace.
Mittwoch. um eilfe.
Dr. H. ist eben hier gewesen. Er verzog bey mir, bis der Geistliche sein Gebeth mit der Fräulein geendigt hatte: und darauf wurden wir beyde vorgelassen. Hr. Goddard, welcher unter- dessen, da der Arzt und der Pfarrer bey ihr wa- ren, auch kam, ging mit ihnen weg, als sie gingen. Sie nahmen feyerlich und auf ewig Abschied von ihr: wie ich kein Bedenken trage zu sagen. Sie segneten sie, und wurden von ihr gesegnet: wo- bey sie sich zu ihrer Zeit nur einen eben so beglück- ten Ausgang aus der Welt wünschten, als der ih- rige nach aller Wahrscheinlichkeit seyn wird.
Sie hatte wiederum den Arzt sehr ernstlich um seine Meynung befraget, wie lange sie es nun wahrscheinlicher Weise noch halten könnte: und er hatte ihr gesagt, daß er besorgte, sie würde kaum den morgenden Abend erleben. Darauf war ih- re Antwort gewesen: sie wollte die Stunden mit größerem Vergnügen zählen, als sie sie jemals in ihrem Leben, bey den frohesten Vorfällen, gezählet hätte.
Wie unähnlich waren die letzten Stunden des armen Beltons den ihrigen! Siehe den unend-
lichen
Der zwey und funfzigſte Brief von Herrn Belford an Hrn. Rob. Lovelace.
Mittwoch. um eilfe.
Dr. H. iſt eben hier geweſen. Er verzog bey mir, bis der Geiſtliche ſein Gebeth mit der Fraͤulein geendigt hatte: und darauf wurden wir beyde vorgelaſſen. Hr. Goddard, welcher unter- deſſen, da der Arzt und der Pfarrer bey ihr wa- ren, auch kam, ging mit ihnen weg, als ſie gingen. Sie nahmen feyerlich und auf ewig Abſchied von ihr: wie ich kein Bedenken trage zu ſagen. Sie ſegneten ſie, und wurden von ihr geſegnet: wo- bey ſie ſich zu ihrer Zeit nur einen eben ſo begluͤck- ten Ausgang aus der Welt wuͤnſchten, als der ih- rige nach aller Wahrſcheinlichkeit ſeyn wird.
Sie hatte wiederum den Arzt ſehr ernſtlich um ſeine Meynung befraget, wie lange ſie es nun wahrſcheinlicher Weiſe noch halten koͤnnte: und er hatte ihr geſagt, daß er beſorgte, ſie wuͤrde kaum den morgenden Abend erleben. Darauf war ih- re Antwort geweſen: ſie wollte die Stunden mit groͤßerem Vergnuͤgen zaͤhlen, als ſie ſie jemals in ihrem Leben, bey den froheſten Vorfaͤllen, gezaͤhlet haͤtte.
Wie unaͤhnlich waren die letzten Stunden des armen Beltons den ihrigen! Siehe den unend-
lichen
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0418"n="412"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der zwey und funfzigſte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Herrn Belford an Hrn. Rob. Lovelace.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Mittwoch. um eilfe.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">D</hi>r. H. iſt eben hier geweſen. Er verzog bey<lb/>
mir, bis der Geiſtliche ſein Gebeth mit der<lb/>
Fraͤulein geendigt hatte: und darauf wurden wir<lb/>
beyde vorgelaſſen. Hr. Goddard, welcher unter-<lb/>
deſſen, da der Arzt und der Pfarrer bey ihr wa-<lb/>
ren, auch kam, ging mit ihnen weg, als ſie gingen.<lb/>
Sie nahmen feyerlich und auf ewig Abſchied von<lb/>
ihr: wie ich kein Bedenken trage zu ſagen. Sie<lb/>ſegneten ſie, und wurden von ihr geſegnet: wo-<lb/>
bey ſie ſich zu ihrer Zeit nur einen eben ſo begluͤck-<lb/>
ten Ausgang aus der Welt wuͤnſchten, als der ih-<lb/>
rige nach aller Wahrſcheinlichkeit ſeyn wird.</p><lb/><p>Sie hatte wiederum den Arzt ſehr ernſtlich<lb/>
um ſeine Meynung befraget, wie lange ſie es <hirendition="#fr">nun</hi><lb/>
wahrſcheinlicher Weiſe noch halten koͤnnte: und<lb/>
er hatte ihr geſagt, daß er beſorgte, ſie wuͤrde kaum<lb/>
den morgenden Abend erleben. Darauf war ih-<lb/>
re Antwort geweſen: ſie wollte die Stunden mit<lb/>
groͤßerem Vergnuͤgen zaͤhlen, als ſie ſie jemals in<lb/>
ihrem Leben, bey den froheſten Vorfaͤllen, gezaͤhlet<lb/>
haͤtte.</p><lb/><p>Wie unaͤhnlich waren die letzten Stunden des<lb/>
armen Beltons den ihrigen! Siehe den unend-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">lichen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[412/0418]
Der zwey und funfzigſte Brief
von
Herrn Belford an Hrn. Rob. Lovelace.
Mittwoch. um eilfe.
Dr. H. iſt eben hier geweſen. Er verzog bey
mir, bis der Geiſtliche ſein Gebeth mit der
Fraͤulein geendigt hatte: und darauf wurden wir
beyde vorgelaſſen. Hr. Goddard, welcher unter-
deſſen, da der Arzt und der Pfarrer bey ihr wa-
ren, auch kam, ging mit ihnen weg, als ſie gingen.
Sie nahmen feyerlich und auf ewig Abſchied von
ihr: wie ich kein Bedenken trage zu ſagen. Sie
ſegneten ſie, und wurden von ihr geſegnet: wo-
bey ſie ſich zu ihrer Zeit nur einen eben ſo begluͤck-
ten Ausgang aus der Welt wuͤnſchten, als der ih-
rige nach aller Wahrſcheinlichkeit ſeyn wird.
Sie hatte wiederum den Arzt ſehr ernſtlich
um ſeine Meynung befraget, wie lange ſie es nun
wahrſcheinlicher Weiſe noch halten koͤnnte: und
er hatte ihr geſagt, daß er beſorgte, ſie wuͤrde kaum
den morgenden Abend erleben. Darauf war ih-
re Antwort geweſen: ſie wollte die Stunden mit
groͤßerem Vergnuͤgen zaͤhlen, als ſie ſie jemals in
ihrem Leben, bey den froheſten Vorfaͤllen, gezaͤhlet
haͤtte.
Wie unaͤhnlich waren die letzten Stunden des
armen Beltons den ihrigen! Siehe den unend-
lichen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/418>, abgerufen am 30.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.